Die Wahrheit: Trucker Babe Vroni langt hin
Es lohnt ein Blick ins lineare Fernsehen: hier überholen Frauen den Trash gewissermaßen links – und fahren ganz selbstverständlich kraftvoll LKW.
D ie beste Ehefrau von allen ist zum Nachrichtenschaun mit mir verabredet, und beim Warten bin ich bei den „Trucker Babes“ hängen geblieben, meiner Lieblingssendung in dem, was da mit der Überlegenheit moderner Menschen „lineares Fernsehen“ heißt. Menschen, die mein Lieblingssänger Bernd Begemann mit dem überlegenen Satz zitiert: „‚Also wir haben unseren Fernseher ja abgeschafft.‘ Sie schauen aber heimlich trotzdem Sachen auf ihrem lächerlich kleinen Laptopbildschirm.“ Vielleicht „Trucker Babes“ auf Kabel1, schon des verblüffend misogynen Titels wegen, und auch meiner Frau muss ich mich erklären.
Die Sendung, seit 2017 unterwegs, ist nämlich ihrer Idee enteilt, die zweifellos eine dieser zynischen Privatfernseheinfälle war, wie sie zu Doku-Soap-Ferkeleien wie „Hartz und herzlich“ führen. Die Idee lautete etwa: Wir zeigen Frauen ohne Abitur, die in einem Männerberuf als Blickfang fungieren und, weil sie 40-Tonner durch Europa lenken, als Ausnahmen die Regel unterstreichen, denn unsere eigenen Frauen können nicht einparken. Die ölige, nur um Stoßstangenbreite nicht herablassende und natürlich männliche Station Voice („Anjas Puls geht höher als ihr Tacho“) verrät dieses tolle Konzept immer noch.
Aber, und das ist das noch Tollere: Die Frauen sind besser als die besneakerten Deppen aus der Programmentwicklung, sie haben den Trash gewissermaßen links überholt. Sie fahren so selbstverständlich Lkw, wie Mutti vor einer Generation im Werbefernsehen die Waschmaschine füllte.
Die Geschlechtersoziologie darf entscheiden, ob hier Frauen einen Männerberuf ausfüllen oder ob die Tattoo-Tapeten bis Oberkante Halskrause darauf deuten, dass die Frauen ihre Frau bloß als ideeller Gesamtkerl stehen, wofür Anja bürgen mag, die 46 ist und ihre sendefertig rohen Sätze um Autobahn-Beobachtungen wie „blödes Arschloch“ und „dumme Sau“ herumzimmert. Die Faszination beim Gucken ist eine doppelte: Anderen bei etwas zuzusehen, was man selbst nicht kann, aber auch nicht muss.
Die Welt zeigen, wie sie ist
Nur sehr allgemein ist bei den „Trucker Babes“ von Arbeitsbedingungen und Konkurrenzdruck die Rede, und trotzdem ist die Show schon darum politisch, weil sie die Welt zeigt, die Kollege S. ex negativo meint, wenn er sagt: „Du und ich, wir haben ja noch nie im Leben richtig gearbeitet.“
Die junge Vroni aus dem schönen Berchtesgadener Land, die als Landmaschinentechnikerin glaubhaft versichert, dass sie weiß, wie man „hielangt“, ist ihren (männlichen) Kollegen jedenfalls dankbar, dass sie ihr, dem „Küken“ (Kabel1), mit Rat und Tat zur Seite stehen, und gern kann man argwöhnen, dass in einem Unterhaltungsformat Hohn, Getatsche und andere Virilitäten unter den Tisch fallen. Andererseits müsste eine Sendung, die „Trucker Babes“ heißt, auf derlei doch gerade scharf sein. Ich bleibe dran. Sorry, Schatz!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich