Die Wahrheit: Blasenschwache Krönungsfeier
Das Ereignis des Jahres – und Meghan kommt nicht. Ein Wunsch wurde dem neuen englischen König Charles III. zu seinem glanzvollen Fest schon erfüllt.
G roße Ohren werfen ihre Schatten voraus. In knapp zwei Wochen wird Charles Philip Arthur George zum König des Vereinigten Königreichs und von 14 Commonwealth-Länder gekrönt. Er ist 73 Jahre alt. So alt war noch nie ein Thronfolger.
Die Prozessionsstrecke wird erheblich kürzer sein als bei der Krönung seiner Mutter. Sie war damals ja auch erst 27 Jahre alt. Allerdings hatte man ihr wegen des englischen Wetters eine Wärmflasche unter den Sitz montiert. Charles und Camilla werden die zwei Kilometer vom Buckingham Palace zur Westminster-Abtei in der Prunkkutsche zurücklegen, die Elisabeth am 60. Jahrestag ihrer Thronbesteigung nutzte. Sie wird von sechs Pferden gezogen, die so grau sind wie der König. Auf das Dach ist eine vergoldete Krone montiert, die aus dem Holz der HMS Victory, Admiral Nelsons Flaggschiff bei der Schlacht von Trafalgar, geschnitzt ist.
Für den Rückweg benutzen sie die 260 Jahre alte goldene Kutsche, die bei jeder Krönung seit Wilhelm IV. 1831 zum Einsatz gekommen ist. Vielleicht hat Charles die Strecke abkürzen lassen, weil er an seine alte Blase dachte, denn er kann unterwegs ja nicht aussteigen und sich an einem Baum erleichtern.
Charles hat sich eine kleine Feier gewünscht. Nur 850 Mitarbeiter von Wohltätigkeitsvereinen sind eingeladen. Die abtrünnigen Harry und Meghan dürften auch kommen, aber Meghan will nicht, denn am Krönungstag wird Sohn Archie vier Jahre alt. Und ein Kindergeburtstag macht mehr Spaß als Opas Krönungsfeier. Archie ist der erste Angehörige der königlichen Familie, der sowohl US-Präsident als auch König werden kann. Er müsste allerdings erst fünf Menschen vor ihm in der Thronfolge töten. Die US-Präsidentschaft scheint realistischer.
Wenn schon keine Reise, dann den Fernseher einschalten
Zwar fehlt Meghan bei der Krönung, aber dafür kommt der „Stone of Destiny“. Es ist zwar bloß ein Stein, aber er ist in die Geschichte eingegangen. Die Schotten hatten den 150 Kilo schweren Trumm aus rotem Sandstein zum „heiligen Objekt“ erklärt, es kam bei der Krönung schottischer Könige zum Einsatz. 1296 klaute der englische König Edward I. den Stein und baute ihn in seinen Thron ein.
Dort blieb er 700 Jahre lang, abgesehen von drei Monaten im Jahr 1950, als Studenten ihn aus der Westminster-Abtei entwendeten und vorübergehend zurück nach Schottland brachten. 1996 gaben die Engländer den Schotten ihren Stein zurück, um der Unabhängigkeitsbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nun borgt sich Charles den Stein für seine kleine Feier.
Was? Das wollten Sie gar nicht wissen über die steuerhinterziehende, arrogante, schmarotzende Familie? Nun können Sie aber wenigstens mitreden, wenn Sie in den nächsten zwei Wochen in England sind, denn es gibt dort zurzeit kein anderes Thema. Und sollten Sie nicht nach England reisen, schalten sie wenigstens am 6. Mai 2023 mittags den Fernseher ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Von wegen Untergang des Liberalismus
Wird der Wahlkampf eine nationale Katastrophe?