Die Wahrheit: Unter adligen Erbsen
Vor dem Entscheid zur Rückübertragung von Vermögenswerten an die Hohenzollern. Ein Insider-Report aus dem Preußen-Haus.
Eine schattige Allee, prächtige Villen, mit weißem Marmorkies belegte Auffahrten – hier wohnt Georg Friedrich Prinz von Preußen (46), Ururenkel des letzten deutschen Kaisers und Oberhaupt des Hauses Hohenzollern. Wir betätigen die Klingel, nahezu geräuschlos öffnet sich das eiserne Tor, das, wie wir später erfahren, aus im deutsch-französischen Krieg erbeuteten Rouladennadeln geschmiedet wurde.
Wir gehen unter alten Bäumen entlang, an der Eingangstür empfängt uns der Prinz persönlich. „Wie Sie sehen, empfange ich Sie persönlich“, sagt er lächelnd. „Damit Sie erkennen, dass ich überraschend sympathisch wirke! Erwähnen Sie in Ihrem Beitrag doch bitte den augenfälligen Kontrast von altem Baumbestand und meiner frisch barbierten Erscheinung!“
Zwei junge, gleichwohl ausgewachsene Deutsche Doggen jagen an uns vorbei, mehrmals toben sie kreuz und quer durch die Eingangshalle. Einige mannshohe barocke Vasen gehen dabei zu Bruch, von einem Sockel stürzt die Büste von Kaiser Wilhelm II. zu Boden und zerschellt.
Waidgerechte Schüsse
„Das sind Auguste und Viktoria, die absoluten Lieblinge meiner Frau!“, sagt der Prinz sanft, greift nach einer Pistole und bereitet dem ausgelassenen Treiben mit zwei waidgerechten Schüssen ein Ende. „Nun ja, Doggen halten bei uns nie lange. Freunde nennen mich übrigens ‚Kaiserliche Hoheit‘!“, erklärt er, nachdem er das Personal angewiesen hat, für das Ehrenbegräbnis von Auguste und Viktoria den gesamten europäischen Hochadel einzubestellen, um dann zu ergänzen: „Aber Freunde habe ich nicht!“
Wir schlendern durch mehrere prachtvolle Räume mit kostbaren Möbeln, Gemälden und Teppichen. „Wie Sie sehen, wurde uns alles genommen“, erläutert der Prinz. „Okay – das ist englisch und bedeutet so viel wie all right –, wir schlafen nicht unter der Brücke, aber viel mehr als gesicherte Armut ist es nicht! Deshalb ist es nur gerecht, wenn wir das, was uns gestohlen wurde, in vollem Umfang zurückfordern!“
Könnten die Enteignungen etwas damit zu tun haben, dass Kronprinz Wilhelm als Hitler-Groupie eifrig bei der SA mitturnte? Georg Friedrich schüttelt den Kopf und erzählt einen Witz aus alten Zeiten: „Frage: Wie hoch ist der IQ der Kaiserlichen Familie? Antwort: 115,2 – wenn man den aller Mitglieder addiert!“
Wir lachen pflichtschuldig. Unser Gastgeber legt nach: „Mein Urgroßvater, der Kronprinz, war die Komma zwei. Der hielt die SA doch für eine Trachtengruppe und Hitler für den stellvertretenden Kostümwart! Und dafür sollen wir jetzt bestraft werden? Niemals, sage ich. Ich will alles zurück! Die Schlösser, die Kutschen, die Messerbänkchen. Und die Wachteleierbecher aus purem Porzellan!“
Die Monarchie auch?
Für einen Moment wirkt der Prinz verdutzt. „Keine schlechte Idee“, murmelt er dann. „Ich fordere nicht die Wiedereinführung der Monarchie, sondern ihre Rückübertragung …“
Versonnen blickt er auf die Pistole, die er noch immer in der Hand hält. „Ein Geschenk von Großfürst Simsalabim dem Fünften. Ich habe sie gern dabei, wenn ich mit Journalisten spreche. Wo waren wir stehen geblieben?“
Vor einem aktuellen Familienfoto. Der Prinz mit seiner Familie und Dutzenden Verwandten. Gut, dass unser Gastgeber nicht weiß, was wir beim Anblick dieses buckligen Auflaufs denken.
Genpool ohne Orchideen
„Ich weiß genau, was Sie denken!“, sagt er aufgeräumt. „115,2! Aber wissen Sie: Ich denke ja dasselbe! Doch was erwarten Sie, wenn der Genpool seit Hunderten von Jahren unverändert ist? Wenn Sie immer nur Erbsen miteinander kreuzen, dürfen Sie keine Orchideen erwarten. Satz des Pythagoras! Aber kommen Sie doch bitte mit auf die Terrasse! Von dort aus kann man sehr gut die Stallungen stehen, in denen ich später meine Mätressen halten werde, artgerecht natürlich, mit Auslauf und Kletterfelsen. Nun los, Sie haben gewiss noch viele kritische Fragen vorbereitet! Die verflüchtigen sich doch viel besser an der frischen Luft!“
Die haben wir in der Tat, doch bevor wir die Gelegenheit ergreifen können, lässt sich Georg Friedrich unvermittelt auf den Boden fallen und schlägt einen Purzelbaum. „Die Prinzenrolle!“, erläutert er, noch auf dem Boden sitzend. „Einer muss sie schließlich übernehmen!“ Und dann verschwindet er, Purzelbaum um Purzelbaum schlagend, in den Weiten des Parks und lässt uns ratlos zurück.
Und diesem Herrn von preußisch blauem Blut soll ein Riesenschatz übertragen werden? Diesem Tiefkühlgemüse aus dem Hause Hohenzollern? Der Alte Fritz hätte seinem nachkommenden Prinzlein nur eine Wahl gelassen: die Karrenstrafe. Steine ziehen, bis zum Abwinken. Wie meinte schon Immanuel Kant: „Der ehrliche Mann wählt den Tod, der Schelm aber die Karre.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich