Die Wahrheit: Mit Nö und Nope lost in translation
News von der Sprachkritik: Schlimmer geht immer in der Lieblingssprache der Deutschen, dem feinen Denglisch.
Eigentlich ist es verwunderlich. In einer globalisierten Welt müssten mehr und mehr nützliche Wörter aus dem Italienischen, Arabischen oder Indonesischen, aus dem Ketschua, dem Suaheli und noch anderen Sprachen kreuz und quer über den Globus und auch ins Deutsche wandern. Stattdessen sind es fast ausschließlich und mit Macht, nein: Power, englische. Selbstverständlich ist das in Deutschland von Vorteil, weil hier jeder Englisch kann und weiß, was unter dem „Vorwurf des Midcults“ zu verstehen ist, warum es „Kein Squirten mit der Kirche“ gibt und was „nuff“ (allesamt: taz) bedeutet; und wenn einem Buch „das Phänomen des Resting Bitch Face fehlt“ (Spiegel), so fehlt den Lesern nichts.
„Die Gewalt einer Sprache ist nicht, daß sie das Fremde abweist, sondern daß sie es verschlingt“, sagt Goethe. Und das Deutsche schlingt! Nicht weil es die fremden Vokabeln unbedingt braucht, sondern aus purer Fresslust: „Contest“ statt Wettbewerb, „Meeting“ statt Besprechung, „Statement“ statt Erklärung und „canceln“ statt streichen sind nur vier Beispiele und Beweise, dass das Standing des Englischen gut ist, der Ruf des Deutschen dagegen … Provinz halt.
In der Reklame seien nur vier Prozent der Wörter englisch, behauptet der Duden. Er nimmt vermutlich vom Fernsehsender Euronews German keine Notiz, dessen Werbeeinblendungen durchweg englisch sind; hat der Kundenfang Erfolg, sollen es aber bitte schön keine britischen Pfund sein. Sicher ist: Die Firmen orientieren sich am Publikum, das von der englischen Sprache nicht genug kriegen kann. Im eben genannten Fernsehen drückt, wer mehr wissen will, deshalb nicht die rote Taste, sondern den „red button“.
Außerhalb der Mattscheibe geht es sowieso rund. Der anschauliche, selbsterklärende „Kapuzenpulli“ musste deshalb zum „Hoodie“ werden, ein US-Spielfilm trägt auch auf Deutsch den Titel „Boyhood“, weil das Wort „Knabenjahre“ vergessen ist. Und was die deutschen Macher einer deutschen Doku über das deutsche Frauenfußballteam haben, die in der deutschen ARD unter dem Titel „Born for this“ lief, möchte man nicht mehr wissen.
Proletenhaftes Motto
Es genügt zu wissen, dass mancher Journalist bloß ein Studienabbrecher ist – stopp, er ist was Besseres: ein „College-Dropout“. Englische Ausdrücke sind nun mal der „neue Hot Take“ (beides taz) und kein proletenhaft heißer Scheiß, selbst in der Unterschicht. „Make The Rich Pay“ lautete das Motto, unter dem im Juli auf Sylt die mit Neun-Euro-Ticket (altdeutsch: Fahrschein) angereisten Demonstranten von Westerland nach Kampen zogen und es den Massen versnobter Nordamerikaner, Briten, Australier und Neuseeländer auf der Insel mal richtig unter die Nase rieben!
Es braucht jene allerdings nicht, die Deutschen besorgen die Anglisierung von alleine. Die Schacheröffnung 1. d4 d5 2. c4 mutiert zum „Damengämbit“ (3sat); „Willst du noch’n Coffee?“, fragt die studentische Bedienung den alten Gast. Und nicht nur die Anglisierung der eigenen Sprache treiben die Deutschen voran: Die zu VW gehörende Automarke Škoda (richtig ausgesprochen: Schkodda) soll jetzt englisch als „Skouda“ pronounced werden. Vielleicht kann man auf diese Weise auch das restliche Tschechisch weltmarktfähig machen?
Das Englische ist es längst, und das Deutsche hat viel von ihm profitiert, weil es zur Selbstbedienung (von „self service“) einlädt oder als Muster für eigene Kreationen dient: Der Smoking (richtig: dinner jacket), der Pullunder (tank top, slipover) oder auch der Barkeeper (bartender) sind im Englischen unbekannt, aber nichtsdestoweniger (nevertheless) ihm zu verdanken – sie sind lediglich Scheinanglizismen.
Vorbildlicher Nagel
Oft trifft das Englische vorbildlich den Nagel auf den Kopf (hits the nail on the head). Weil beide Sprachen eng verwandt sind, lässt sich Englisches glücklicherweise leicht ins Deutsche transferieren; unglücklicherweise manchmal zu leicht. „Der Yellowstone kann sich der meisten Geysire weltweit rühmen“, behauptet der Kultursender arte und rückt das Adverb wie in einem englischen Satz nach hinten: Folglich hat der Yellowstone nicht die weltweit meisten Geysire, kann sich aber der meisten seiner Geysire weltweit rühmen. So, so.
An ein weltweites Publikum denken auch viele Aktivisten. Deshalb hält vor dem Reichstagsgebäude in Berlin eine Frau ein Spruchband hoch, auf dem „I define my identity“ steht, in Hamburg trägt eine Radikalfeministin das Transparent „You never need to apologize für not liking dick“ – erst die Welt ist dem eigenen Ego genug.
Der „struggle“ mit dem Englischen ist nicht einfach und sowohl gut als auch schlecht. Last but least, also nicht zu guter Letzt, die Frage: Was bedeuten die eingangs genannten Wörter? Fragen Sie den Nachwuchs! Und sagen dann zu dem Bullshit, statt „nö“ zum Quatsch, zur eigenen Überraschung: „nope!“
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