Die Wahrheit: Der Prinz von Sankt Petersburg
Es ist die Sensation in Hollywood: Quentin Tarantino verfilmt Wladimir Putins Leben. Und beendet so den Krieg in der Ukraine.
In einem schäbigen Hinterhof. Eine Ratte wird in die Ecke gedrängt. Umstellt von einer Bande abgerissener Straßenkinder. Angst schreit aus den weit aufgerissenen Augen des Tiers. Die Kamera fährt immer näher heran. Eine Überblendung. Menschliche Augen. Sie gehören niemand anders als – Wladimir Wladimirowitsch Putin. Schnitt. Die Ratte wird von einem Flammenwerfer in Brand gesetzt. Vorspann. Titel. Musik setzt ein: „Back in the USSR“ …
Er habe demnächst wichtigeres zu tun als eine läppische „militärische Spezialoperation“. Das verkündete Wladimir Putin am Sonntagabend zur besten Sendezeit im russischen Staatssender Rossija 1. Und beendete damit kurzerhand den Krieg in der Ukraine. Seither schweigen Russlands Waffen an der Front im Donbass.
„Dafür habe ich jetzt keine Zeit mehr, ich muss mich auf die Dreharbeiten vorbereiten“, sagte der Präsident der Russischen Förderation und bestätigte einen Insiderbericht des Filmfachblatts Variety von vergangenem Montag. Demnach plane Quentin Tarantino, das Leben Wladimir Putins zu verfilmen.
Das nach einem gemeinsamen Drehbuch von Putin und Tarantino entstehende Monumentalwerk von 17 Stunden werde minutiös das Leben des Kremlzaren von der Wiege bis zur Bahre aufrollen, heißt es bei Variety. Putin werde sich selbst in allen Lebensaltern verkörpern – vom jugendlichen Hinterhofgangster in Sankt Petersburg, der von seiner Bande „Prinz“ genannt wurde, bis zum gereiften Schlachtenlenker heutiger Tage in der Tradition Peters des Großen.
Sony Film von Gazprom übernommen?
„Ich bin fit wie ein Taiga-Tiger“, versicherte Putin und absolvierte demonstrativ live vor den Kameras zehn Liegestütze. Putin sehe nicht nur fantastisch aus, sondern sei auch als Kampfsportler in einer außergewöhnlichen körperlichen Verfassung, die alle Arten von Stunts zulasse, wird das den Film finanzierende Studio Sony in einem ersten Statement zitiert. Über Gerüchte, dass Sony Film kürzlich zu 100 Prozent von Gazprom übernommen worden ist, verlieren die Produzenten kein Wort.
Wie Variety weiter berichtet, wird ein Flammenwerfer in Tarantinos neuem Streifen das zentrale Requisit und zur wichtigsten Metapher für das Leben eines Mannes, der sich immer schon den gesellschaftlichen Umbruch mit Feuer und Schwert auf die Fahnen geschrieben hat. So werde Putin als junger Nachwuchsagent des KGB in Dresden mit der Brandwaffe die untergehende DDR von Altnazis befreien, um danach als aufstrebender Lokalpolitiker die Stadtverwaltung von Sankt Petersburg mit feurigem Hochdruck von korrupten Ratten und Schmeißfliegen zu säubern. Beim Showdown werde er schließlich als allseits anerkannter Staatenlenker höchstpersönlich sämtliche Natsistski von Tschetschenien bis zur Ukraine wegflämmen.
„Ein brillantes Feuerwerk des Überwältigungskinos“, nennt die Chefkritikerin der New York Times, Kirsten Berkovitch, schon jetzt den Film, nachdem ihr das Drehbuch zugespielt wurde. „Es ist der ominöse zehnte Film, den Tarantino nie machen wollte, und schon der Anfang ist die Quintessenz aller Vorgänger. Es ist ein Gangster-, Kriegs- und Rächerfilm, Western, Auto- und Actiondrama, es ist Martial-Art-Kino und so vieles mehr in einem. Mit einem fantastischen Hauptdarsteller. Ein Meisterwerk, mit dem Tarantino, der immer die Geschichte umschreiben wollte, endlich der Schritt von der Fiktion in die Realität gelingt. Er schreibt keine Drehbücher mehr, sondern Geschichtsbücher.“
Dass Tarantino mit toxischer Männlichkeit umgehen kann, beweist seine jahrelange Zusammenarbeit mit Harvey Weinstein, dem Chef der Produktionsfirma Miramax, die die meisten seiner Filme finanziert hat. Nachdem die MeToo-Bewegung aufkam und Weinstein im Gefängnis landete, hatte sich Tarantino nur halbherzig distanziert von seinem alten Schweinekumpel, in dessen dunkle Abgründe er nie hinabgeschaut haben will, zu sehr sei er mit der inhaltlichen Gestaltung seiner Filmwerke beschäftigt gewesen.
Biopic seines Lebens
Eine treuherzige Haltung, die einem auf der Straße groß gewordenen Kerl wie Putin imponiert und den letzten Anstoß zur Zusammenarbeit gegeben haben mag. Und Tarantino weiß genau, wie man einer von Eitelkeit geprägten Persönlichkeit wie Putin schmeichelt, der sich nach Aussage von Vertrauten gern nachts in seinen Gemächern die eigenen Auftritte in den weltweiten Fernsehprogrammen ansieht. Putin die Hauptrolle im Biopic seines Lebens zu geben, war da eigentlich eine naheliegende Sache.
„Hollywood ist immer noch das Maß aller Dinge“, erklärte der Kremlzar bei Rossija 1, warum kein russischer Staatsfilmer das Meisterwerk habe angehen dürfen. „Tarantino ist der größte Regisseur unserer Zeit, ein echter Hitchcock wie ich“, erstickte Putin jede weitere Diskussion im Keim und verriet danach eine weitere kleine Sensation: denn für die weibliche Hauptrolle konnte keine Geringere gewonnen werden als Michelle Obama.
Die ehemalige First Lady der USA wird alle Frauen an der Seite Putins spielen – von der ersten Freundin in Leningrad und jener Sächsin, die ihn in Dresden entjungferte, über seine langjährige Gattin Ljudmila Alexandrowna bis hin zu seiner aktuellen Geliebten, der früheren Rhythmischen Sportgymnastin Alina Kabajewa. Ein Reigen von intensivem Rhythmus für Michelle Obama, die offenbar die komplexe Aufgabe übernommen hat, um die Welt zu retten.
Von dem sonst so redseligen Starregisseur Tarantino ist bislang kein Wort zu vernehmen – nicht einmal zu seiner historischen Bedeutung als Friedensstifter. Die würdigten unisono US-Präsident Joe Biden, der ukrainische Präsident Wolodomir Selenski, Papst Franziskus und Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Rolle Deutschlands im Friedensprozess betonte, werde doch die Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth aus ihren Mitteln das Filmequipment für die Dreharbeiten kostenlos zur Verfügung stellen und sogar eine kleine Nebenrolle als Mutter Courage im Ukrainekrieg übernehmen.
Das Publikum in aller Welt darf sich jedenfalls auf den Sommer 2023 freuen. Wenn „Der Prinz von Sankt Petersburg“ in die Kinos kommt. Auf die letzte Frage im russischen Fernsehen, ob er sich nach dem Dreh wieder auf die Ukraine konzentrieren werde, antwortete Wladimir Putin mit einem vielsagenden Haifischgrinsen. Der Oscar als bester Hauptdarsteller ist ihm jetzt schon gewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands