Die Wahrheit: Stoppt Puten!
Neues aus Neuseeland: Eine Graswurzelaktion wie aus „Rainbow Warrior“-Zeiten kann schon leicht schiefgehen, wenn der Feind falschgeschrieben ist.
U npolitisch und abgeschieden? Von wegen. Auch am friedlichsten Arsch der Welt wird sich gegen Russlands Kriegstreiber aufgelehnt. Premierministerin Jacinda Ardern macht über zwei Millionen Euro Militärhilfe für die Ukraine locker. Das Außenministerium fordert, den russischen Botschafter aus dem Land zu schmeißen, da die Botschaft in Wellington per Facebook Kriegspropaganda verbreitet. Und Fonterra, der größte Milchexporteur der Welt, hat alle Lieferungen an die Sowjets gestoppt und schließt seine Filiale in Moskau. Doch all das wird von heroischen Einzeltaten übertroffen – die manchmal haarscharf danebenzielen.
Nachdem das Bolschoi-Ballett in London gecancelt wurde und internationale Bands ihre Auftritte in Russland absagten, wollte auch ein Trio von klassischen Kiwi-Musikern seinen Beitrag zum Frieden leisten. Die NZ Chamber Soloists – eine Pianistin, eine Geigerin und ein Cellist – sollen im Juni in Christchurch ein Konzert aufführen. Im Repertoire war auch ein seltenes Stück von Dmitri Schostakowitsch vorgesehen, einem der größten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Der Name des Abends: „Super Power Music“.
Doch die Abonnenten wurden enttäuscht. In einer Rundmail hieß es, die Kammermusiker wollten kein Programm aufführen, das Russland als Großmacht, also „Super Power“ abfeiere. Statt Schostakowitsch würden sie daher den Armenier Arno Babadjanian spielen, in F-Moll. „Serious Delights“ – ernste Genüsse – heißt das umgetaufte Konzert nun.
Empörte Klassik-Fans
Doch die gut gemeinte Geste ging nach hinten los. Empörte Klassik-Fans wiesen das Trio darauf hin, dass Schostakowitsch sich gegen Stalin aufgelehnt hatte. Seine Musik sei nicht Kriegsverherrlichung, sondern Protest gegen ein totalitäres Regime.
Dagegen war eine Aktion mutiger neuseeländischer Skipper deutlich effektiver. Mitte März brach eine Friedensflottille Richtung Helena Bay in Northland auf, wo der Oligarch Alexander Abramow ein Luxusanwesen besitzt. Angeführt wurde sie von Greenpeace-Aktivisten und einem gebürtigen Deutschen, dem Physiker und Umweltkämpfer Thomas Everth.
Man entrollte Transparente und ließ Drohnen fliegen. Vor Ort begleiteten Fischerboote und Paddel-Boards den Protest. Er soll den Druck auf Neuseelands Regierung verstärken, die Gelder des superreichen Putin-Unterstützers einzufrieren.
Es war eine Graswurzelaktion wie aus besten „Rainbow-Warrior“-Zeiten. Die Besitzer des Fish-and-Chips-Shops in Oakura lotsten die sieben Yachten der Flottille in die umkämpfte Bucht. Abramows Nachbarn in Northland hatten bereits Ukraine-Flaggen auf ihren Grundstücken gehisst.
Am verwegensten aber war der riesige Schriftzug, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Oligarchen-Strand getrampelt wurde und nur aus der Luft zu lesen war. „Steht gegen Putin auf“, stand da auf Englisch. Oder Kiwianisch. Denn der Feind war falsch geschrieben: „Stand up to Puten“.
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