Die Wahrheit: Unsere Tage sind gezählt

Alles wird immer teurer, doch was passiert, wenn man ein wenig den Stromzähler manipuliert? Kann ungemütlich werden …

Wir kriegen einen neuen Stromzähler. Das ist keine weltbewegende Nachricht, aber der neue Zähler soll sehr vielseitig sein: Er übermittelt den Zählerstand automatisch an die Elektrizitätsfirma, und mithilfe einer App kann man seinen Stromverbrauch überwachen. Man kann mit dieser App sogar auf den billigeren Nachttarif umschalten.

Das hatte ich bereits vor vielen Jahren getan, auch ohne App. Damals hatten wir ebenfalls einen neuen Zähler bekommen, der um 23 Uhr automatisch auf den Nachttarif umschaltete. Der Installateur hatte die Plombe um die Schraube gewickelt, sodass man den Zähler aufschrauben konnte, ohne die Plombe zu beschädigen. So verstellte ich die Zeit um zwölf Stunden. Wahrscheinlich hielt man uns bei der Stromgesellschaft für Maulwürfe, denn der Zähler zeigte Nachtaktivität an, während wir tagsüber kaum noch Strom verbrauchten. Die Sache ist längst verjährt.

Irgendwann zogen wir um, stellten den Zähler aber vorher wieder auf die korrekte Tageszeit, denn die Sache hätte für uns teuer werden können. Neulich wurde zum Beispiel ein Mann aus der Grafschaft Donegal im Nordwesten Irlands verurteilt, weil er den Stromzähler mithilfe eines Magneten manipuliert und dadurch fast 3.500 Euro in den vergangenen drei Jahren eingespart hatte. Sein Anwalt behauptete, es sei eine Albernheit gewesen. Der Richter verurteilte den Angeklagten neben der Begleichung der Rechnung für den geklauten Strom zur Zahlung von 250 Euro an ein gemeinnütziges Jugendprojekt.

Magnetischer Zählerstand

Mein Freund Joe aus Belfast wäre ebenfalls fast geschnappt worden. Auch er hatte den Zählerstand mittels eines Magneten zurückgedreht, hatte aber nicht damit gerechnet, dass am nächsten Tag jemand zum Ablesen kommen würde. Bei der Stromgesellschaft wunderte man sich, dass der Zählerstand erheblich niedriger war als zwei Monate zuvor. Ein Ablesefehler, behauptete Joe, als man ihn deswegen anrief. Man werde das zeitnah nachprüfen und erneut jemanden zum Ablesen schicken, beschied man ihm.

Joe verfiel in Panik, denn mit dem Magneten konnte man den Zähler zwar zurückstellen, aber die Sache nicht umkehren. Joe ist Beamter und fürchtete um seinen Job, falls seine Zählermanipulation aufflöge. So rief er sämtliche Freunde an und bat sie, ihm elektrische Heizlüfter zu leihen. Die Freunde wunderten sich, schließlich war es ein Jahrhundertsommer, draußen herrschten Temperaturen um 30 Grad. Ob er vielleicht krank sei und Fieber habe?

Joe zog mit seiner Familie vorübergehend zur Schwiegermutter, denn im Haus war die Temperatur inzwischen auf 40 Grad gestiegen. Bevor der Angestellte des Elektrizitätswerks eine Woche später kam, schaltete Joe die Heizlüfter rechtzeitig ab und versteckte sie im Schuppen. Der Kraftwerker notierte den neuen, durch die Heizlüfter fett in die Höhe getriebenen Zählerstand. Dann räumte er kleinlaut seinen Fehler ein und riet Joe, wegen des Miefs hin und wieder zu lüften.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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