Die Wahrheit: Verweinsteinerter Nationaldichter
Robert Burns, der schottische Dichter und Schürzenjäger, wird an diesem Dienstag 263 Jahre alt. Ein Kostverächter war er beileibe nicht.
I ch lag mal in seinem Bett, aber nur kurz. Da war Schottlands Nationaldichter Robert Burns schon gut 200 Jahre tot. Das Cottage mit dem Bett, in dem er geboren wurde, ist heutzutage ein Wallfahrtsort im südschottischen Alloway. Als die Aufsichtsperson vor die Tür ging, um zu rauchen, schlüpfte ich heimlich in das Bett und hoffte auf dichterische Inspiration, aber die blieb aus.
Zum Glück blieben auch andere Burns-Inspirationen aus. Der Dichter, der am Dienstag vor 263 Jahren geboren wurde, war wohl ein ziemlicher Klotzkopf. Das mindert seinen Ruhm in Schottland keineswegs, obwohl er nicht in einer Schlacht gegen die Engländer gefallen, sondern an rheumatischem Fieber gestorben ist. Die Schotten feiern seinen Geburtstag morgen wie jedes Jahr mit Unmengen Whisky und den gekochten Überresten eines Schafes, und zum Schluss singen alle „Auld Lang Syne“, den Burns-Hit, der die ewigen Charts mit Längen anführt.
Neben seinen Gedichten war Burns für seinen Alkoholkonsum berühmt und für seine Liebschaften berüchtigt. Er hatte zwölf Kinder von vier Frauen. Das jüngste wurde an dem Tag geboren, an dem Burns im Alter von 37 Jahren starb. Das erste Kind hatte er mit Elizabeth Paton gezeugt, die auf dem Bauernhof der Burns-Familie arbeitete. Burns schrieb, sie habe „ein hässliches Gesicht, aber eine gute Figur“.
Eine andere Hausangestellte war Jenny Clow, die einen Liebesbrief von Burns an ihre Chefin überbringen sollte. Weil die Burns abwies, verführte er stattdessen Clow, die schwanger wurde und ihren Job verlor. Als ihr Baby kurz darauf starb, wurde sie schwer krank und lebte verarmt in einem winzigen Zimmer in Edinburgh. Burns hörte davon und schickte ihr fünf Schilling, was einem heutigen Wert von etwa 40 Pfund entspricht.
Bis sie jauchzte
1788 schrieb er in einem Brief an einen Freund, er habe seine schwangere Geliebte Jean Armour „gefickt, bis sie jauchzte“. Die Schriftstellerin Liz Lochhead bezeichnete das als „schändliche Prahlerei“. Das klinge wie eine Vergewaltigung der Hochschwangeren: „Das ist sehr, sehr weinsteinisch.“
Heute leben rund 900 von Burns’ Nachfahren in aller Welt. Der bekannteste ist der US-amerikanische Modeschöpfer Tommy Hilfiger, ein Neffe dritten Grades: Die Enkelin von Burns’ Bruder Gilbert war Hilfigers Tante. Darauf sei er nicht stolz, sagte Hilfiger einmal. Man habe das in seinem Elternhaus verschwiegen, denn Burns galt dort als „Schürzenjäger und Säufer“. Erst als er Mitte 20 war, habe er von seinem unerfreulichen Verwandten erfahren, sagt Hilfiger.
Die erste Feier für den unerfreulichen Verwandten hatten seine Freunde am fünften Todestag 1801 veranstaltet. Sie betranken sich zu seinen Ehren und aßen Haggis, jenen mit Innereien gefüllten Schafsmagen, über den Burns geschrieben hat: „Dein feines Gesicht sei von Glück erhellt, du Häuptling in der Würstewelt!“
Der Dichter und die Wurst – zwei unappetitliche Nationalheiligtümer unter sich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind