Die Wahrheit: Distänzer dieses Sommers
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über das Miteinander in schwierigen Zeiten erfreuen.
Was wir am Sommer Jahr für Jahr so schätzen:
Die Nächte hell wie darin das Gelächter
in Gärten, Parks und auf den großen Plätzen,
beschwingte Ausgelassenheit Bezechter.
Kein grobes Rülpsen und Gerumpse liegt
im schwirrenden, verzwitscherten Bombast,
wenn Abendluft an nackte Haut sich schmiegt
und wehend unter leichte Hemden fasst.
Der Himmel schimmert Zwanzigzwanzig auch,
die Vögel ziehen ihre schönsten Bögen,
und in die Nasen dringt ein warmer Hauch,
der lockt, auf dass wir um die Häuser zögen.
Wir möchten niemandem zu nahe treten,
wenn wir mit Masken hilflos in der Tasche
dann stehen vor den Stammlokalitäten
mit etwas Nass im Glas oder der Flasche.
Doch könnt man lauthals lachen noch? Bedrohte
dies Lachen nicht das allgemeine Wohl?
Und wär ein beinah unsichtbarer Bote
vom Lieferdienst express per Aerosol?
Und wär ein Kuss von zwei nicht ganz Bekannten,
gewechselt aus spontaner Sympathie,
das, was wir früher Ferienschwarm mal nannten,
heut schon Verbreiten einer Pandemie?
Nun, flirten ließe sich auch auf Distanz.
Abständig wär’n wir sommerlang Distänzer.
Wir gingen dann in Quarantäne ganz
und würden virologische Begrenzer.
Solang die Virenwarn-App grün uns blinkt,
derweil die Superspreader sich vernetzen,
genießen wir ganz still und unbedingt,
was wir am Sommer dieses Jahr so schätzen.
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