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Die WahrheitErschwerte Bedingungen der Fahrradkritik

Bekanntlich sind günstigste Fälle nicht allzu häufig, geschweige denn die Regel. Von daher ist die Zukunft von führerlosen Fahrrädern überfüllt.

S ollten Sie nicht lesen können, was ich hier schreibe, kann das daran liegen, dass in diesem Stadtteil eine ganz andere Schrift gebräuchlich ist als im übrigen Land.

Was ein weiterer Grund für Unleserlichkeit sein dürfte, sind meine von strengen Vorsichtsmaßnahmen geprägten privaten Lebensumstände. Die Rollläden der Fenster auf der Straßenseite müssen immer einen sechzehn Zentimeter hohen Spalt über dem Sims freilassen. Weder dürfen sie ganz heruntergelassen, noch hochgezogen werden. Deshalb verbietet sich der Gebrauch von Kunstlicht. Nach Einbruch der Dämmerung wäre hier an schreiben nicht mehr zu denken, und mein gesamtes häusliches Leben müsste sich notgedrungen auf den rückwärtigen Teil des kleinen eingeschossigen Hauses verlagern, wo die Rollläden stets gänzlich heruntergelassen sind.

Um dieser Einschränkung zu entgehen, setze ich, wenn es draußen dunkelt, auf der Straßenseite schwarz gestrichene Holzplatten von innen vor die Fensterscheiben. Auf diese Weise dringt kein Licht hinaus und kein Blick herein. Außerdem darf nicht geheizt werden, weil der aus dem Schornstein aufsteigende Rauch meine Anwesenheit verraten würde. Da es oft kalt ist und auf dem Grundstück überreiche Holzvorräte lagern, ist die Versuchung groß, in diesem Punkt gegen die Vorschriften zu verstoßen.

Unter solchermaßen erschwerten Bedingungen habe ich nun einen Text gegen Fahrräder verfasst. Bitte lesen Sie selbst: Gegen Fahrräder lässt sich manches vorbringen, doch am störendsten daran sind die langen, straff gespannten Seile, die einen unbarmherzig vorwärtsziehen.

Dichte Hecken

Besonders schlimm ist es, wenn letztere sich in dichten Hecken verfangen, die man nicht einfach durchfahren kann. Sich aus einer solchen Lage zu befreien, ist entsetzlich schwer. Ohnehin schon von Unfällen bedroht und kaum in der Lage, sein eigenwilliges Fahrzeug unter Kontrolle zu behalten, muss man dann auch noch absteigen und das Rad auf die andere Seite der Hecke schieben, sofern das überhaupt möglich ist. Im günstigsten Fall kann man das Seilende aus dem Gestrüpp befreien, ohne dass es einem aus der Hand gleitet und das führerlose Fahrrad mit sich fortreißt.

Bekanntlich sind günstigste Fälle nicht allzu häufig, geschweige denn die Regel. Aus diesem Grund ist die räumliche Zukunft von dahinrasenden führerlosen Fahrrädern überfüllt. Wir tun gut daran, diesen Bereich ähnlich zu meiden wie das Weltall, wo ganze Lastkraftwagen mutwillig umherfliegen.

Es sollte jedoch bei solchen Überlegungen stets daran gedacht werden, dass die Zentrifugalkraft (besonders: die Zentrifugalkraft im Urlaub) durch das Fahrrad immer zur Zwangsbedingung wird. Das mag anfangs verblüffen, aus philosophischer Sicht ist es aber nichts Neues, taugt auch nicht zum Beweis für die Existenz des Negativen oder der Null. Etwas anders verhält es sich mit dem Thema „Berühmte Fahrräder, die es nicht gegeben hat“.

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3 Kommentare

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    „Die Fußgänger schleppen sich mit einer unverständlichen Langsamkeit und Trübsal dahin. Ein Tritt auf die Kurbel, und sie sind überholt, sie sind schon fern, schon klein. Es ist eine Poesie in der Hast.“ – Theodor Herzl



    Das war der künstlerische Überbau.



    Ansonsten versuche ich hinter die im Beitrag tief im inneren schlummernde Metapher,Präampel, zu kommen. Selbstverständlich nutze ich das Prinzip der Similarität um durch den syntaktischen Wegfall der Vergleichspartikel die Imagination rational zu erfassen.



    Als Habitualisierung fällt mir nur ein, das kleine Kettenblatt (vorne) ist ein Anzeichen von Schwäche!

    • @05158 (Profil gelöscht):

      Hut ab, wer einen trägt. An Ihnen beiden ist offenbar jeweils ein Slavoj Žižek verloren gegangen. Gott sei Dank! Einer ist schließlich auch schon mehr als genug.

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Positiv Stress!



        Natürlich mußte ich erstmal nachschauen, wer das ist.



        Ohne rot zu werden und nur begrenzt verstanden z.B. bin ich jetzt der große andere oder gar nur der Kleine?



        Ein freudiges Ah, ja...!