Die Wahrheit: Jüdische Bärtierchen im Mond
Dank verunfallter Raumsonde leben nun Bärtierchen auf dem Erdtrabanten. Das gibt einen Anlass für eine Verschwörungstheorie.
A nfangs war es noch eine launige Sommerloch-Meldung: Da sich partout keine Schnappschildkröte in einem Badesee zeigen wollte, kamen die Bärtierchen auf dem Mond gerade recht. Die putzigen, knapp einen Millimeter langen achtbeinigen Wesen mit dem großen, runden Maul, die aussehen wie eine Mischung aus Teddybär, pummeliger Raupe und Staubsaugerbeutel, sind möglicherweise die ersten Mondbewohner, weil sie an Bord einer verunfallten Raumsonde dort angelandet sind und aufgrund ihrer außergewöhnlichen Zähigkeit sogar überleben könnten.
Es war der Spiegel, der als Erster misstrauisch wurde. Denn wie das Magazin schon 2015 berichtet hatte: „Bärtierchen überleben in der Gefriertruhe, im Kochtopf und im Weltall. Dafür könnten sogenannte Alien-Gene verantwortlich sein.“ Bärtierchen sind also praktisch die Juden des Tierreichs!
„Dann fiel es uns wie Schuppen aus den Schläfenlocken“, sagt Spiegel-Investigativreporter Rafael Buschmann: Die Bärtierchen reisten an Bord der israelischen Raumsonde „Beresheet“, was übersetzt „Genesis“ bedeutet, was übersetzt „Schöpfung“ bedeutet, was übersetzt die geheime Weltherrschaft jetzt auch auf dem Mond bedeutet. Als der Spiegel dann noch nachwies, dass die Weltraummission mit jüdischem Kapital unter dem Deckmantel der Wissenschaft zustande kam, war die Reportage unter der Überschrift „Die Versuchsprotokolle von Zion“ wie von selbst geschrieben.
Zwar brachte die Geschichte dem Magazin die erwartbaren Antisemitismus-Vorwürfe ein, aber der Spiegel ließ sich nicht beirren, ermittelte, dass Bärtierchen auch auf der Erde still und unerkannt praktisch alles unterwandert haben, und legte bald darauf nach mit dem Titel: „Bärtierisches Leben in Deutschland – die unbekannte Welt nebenan“.
Endlich wieder Sommerloch
Für Verwirrung sorgte zunächst, dass Bärtierchen über keine Haken-, ja über gar keine Nase verfügen, was die Karikaturisten der Süddeutschen vor einige Probleme im Umgang mit dem brisanten Stoff stellte, die sie aber elegant lösten, indem sie sie mit Krakenarmen versahen – was nichts mit antisemitischen Klischees zu tun habe, wie die SZ-Redaktion versichert, sondern nur der zoologischen Parallele geschuldet sei, dass Bärtierchen wie Kraken über acht Gliedmaßen verfügen.
Schließlich wurde immer deutlicher: Hier ging es um illegale Siedlungspolitik! Bald darauf verkündeten Roger Waters, Patti Smith und Brian Eno, künftig nicht mehr auf dem Mond aufzutreten, während eine neu gegründete internationale Kampagne sich dafür einsetzte, keine Produkte von dort mehr einzukaufen.
Nur die deutsche Linke tat sich zunächst etwas schwer mit den Entwicklungen. Aber schließlich rang man sich doch zu einer Meinung durch: Gerade weil wir Deutschen einst die Juden am liebsten auf den Mond geschossen hätten, müssen wir heute Verantwortung übernehmen und die Stimme erheben, wenn sie nun dasselbe mit den Bärtierchen machen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“