Die Wahrheit: Die böse Brut

Reiche radikalisieren sich zunehmend. Besonders Unternehmerkinder werden zur Gefahr für unsere Gesellschaft.

High Heels auf einem Bootssteg

Reichenkriminalität galt zu lange als glamouröser Kavaliersdelikt Foto: reuters

Sie sind jung, sie sind reich, sie sind skrupellos: Unternehmerkinder. Und immer wieder stehen sie in den Schlagzeilen. In letzter Zeit häuft sich, was wirtschaftsliberale Mainstream-Medien gern als „Einzelfälle“ darstellen. Zwei der Attentäter, die sich an Ostern in Sri Lanka in die Luft sprengten, waren Söhne eines Gewürzhändlers, der zu den wohlhabendsten Männern des Landes zählt.

Auch unsere Nation stürzen die Bonzenbabys ins Verderben. Gerade erst wurden die Sprösslinge des Drogerieunternehmers Anton Schlecker zu Freiheitsstrafen verurteilt. Wegen Untreue, Insolvenzverschleppung, Bankrott und Beihilfe zum Bankrott ihres Vaters – ja, ihres eigenen Vaters! – sitzen sie bald im Gefängnis.

Dass solches Verhalten Konsequenzen hat, bleibt allerdings die Ausnahme. In Wahrheit hat Justitia die Zügel längst aus der Hand gegeben. Aber für unsere westlichen Werte haben die gutbetuchten Blagen ohnehin nur Verachtung übrig. Dem Gewaltmonopol des Staates haben sich ihre Eltern in den Clanhochburgen der Gated Communities längst entzogen. Hier wachsen ihre Nachkommen ohne Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft auf. Selbst die Polizei meidet diese Gegenden. Sie hat dort ohnehin nichts zu melden.

Um einen Einblick in die Psyche der Krösuskinder zu erhalten, treffen wir den Sozialpsychologen Karl-Otto Hämmerle, der sich auf pathologische Fälle im Bereich dreistelliger Millionenvermögen spezialisiert hat. „Wenn wir nicht entschlossen gegen den Terror vorgehen, der sich in den Oberschichtvierteln bildet, versinkt unsere Gesellschaft bald im Chaos“, prognostiziert er.

Sony-Aktien statt Playstation

Doch können diese jungen Menschen etwas dafür, in die Milieus einer kriminellen Finanzelite hineingeboren worden zu sein? Kann man sie dafür überhaupt verurteilen? Man muss sogar! Weite Teile der Bevölkerung haben den Ernst der Lage jedoch noch immer nicht begriffen und begegnen den kriminellen „rich kids“ mit unangebrachtem Mitgefühl. „Wir dürfen uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen“, mahnt Hämmerle: „Diese Clans erschaffen sich ganz bewusst Parallelwelten, in denen unsere Vorstellungen eines geordneten und fairen Miteinanders nicht gelten. Ihre Kids werden nicht in der Kirche, sondern auf Hauptversammlungen von Dax-Unternehmen getauft. Zum Geburtstag bekommen sie keine Playstation, sondern Sony-Aktien. Sie leben nicht nach unserem gregorianischen, sondern nach dem Dividenden-Kalender.“

Wer jedoch Kritik an Unternehmerkindern äußert, wird schnell mundtot gemacht. „Reiche Erben torpedieren unser Gesellschaftssystem. Sie liegen auf der faulen Haut, begehen Straftaten und führen das Prinzip der Marktwirtschaft ad absurdum – aber das darf man ja nicht mehr laut sagen“, protestiert Hämmerle. Schnell gelte man als Radikaler, nur weil man auf die Einhaltung unserer Gesetze poche, empört sich Hämmerle, ein brennender Porsche sei deshalb erst mal nicht als Anschlag, sondern eher als Hilfeschrei besorgter Bürger zu verstehen.

Resozialisierung ausgeschlossen

Zu allem Überfluss haben sich in vielen Kreisen Verschwörungstheorien verbreitet. Als wohl bekannteste gilt die Mär vom „Trickle-down-Effekt“. Ihre Anhänger, darunter nicht nur irre Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch intelligente Leute, glauben allen Ernstes, dass man die Magnaten und ihre Zöglinge einfach nur machen lassen müsse. Man hat ihnen eingeredet, sie würden eines Tages selbst davon profitieren, wenn die It-Girls und -Boys bloß genügend Ferraris an die Wand setzten.

Derlei falsche Versprechungen, verbreitet durch extremistische Prediger in Wirtschaftsklubs und Börsentreffs, tragen zur Radikalisierung der Töchter und Söhne bei. Sie glauben, ihre Taten hätten einen höheren Sinn. Sie glauben, sie begingen all ihre Verbrechen für das Allgemeinwohl. Für eine bessere Welt. Wie absurd diese Vorstellung ist, ist den Gehirngewaschenen oft nicht mehr beizubringen. Resozialisierung ausgeschlossen.

Heilsamer Schlag ins Gesicht

Dass dennoch Hoffnung besteht, zeigt ein prominentes Beispiel aus den USA. Die Frau von Bill Gates, namentlich Bill Gates’ Frau, hat jüngst in einem Interview Schockierendes verraten: Ihre drei Kinder werden jeweils lediglich 10 Millionen Dollar erben – und das, obwohl ihr Vater der zweitreichste Mann der Welt ist. Ein Schlag ins Gesicht. Aber womöglich ein heilsamer.

Denn an das Versprechen, jeder könne es mit Fleiß zum Milliardär bringen, glauben ohnehin immer weniger Unternehmerkinder. Sie ahnen, dass sie belogen worden sind. Und auch das ist ein Quell ihrer Wut. Gut, wenn man ihnen frühzeitig die Augen öffnet – auch wenn es schmerzhaft sein mag. Die Gates-Kinder wissen es jetzt und können sich vielleicht eines Tages damit abfinden, ohne ihren Zorn an der Gesellschaft auszulassen: Sie werden ihr Leben lang unbedeutende Multimillionäre bleiben.

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kari

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