Die Wahrheit: Schlimmer als der Song Contest
Was sagen die Soldaten zur Idee einer europäischen Armee? Eine dringend notwendige Erkundung auf dem Feld der Ehre.
Wer an Europa denkt, der denkt an Frieden. Also an Europa nach 1945. Und da dann im Grunde auch nur an Westeuropa. Doch auch beim friedlichen Denken an Europa taucht irgendwann der Folgegedanke an eine europäische Armee auf. So auch kürzlich in den Köpfen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und seiner Kollegin Angela Merkel. Die wurde beim jüngsten Treffen von einer 100-jährigen Französin gefragt, ob sie die Gattin von Monsieur le Président sei. Merkel entgegnete auf Französisch: „Da wäre mein Mann Joachim sauer!“ (frei übersetzt).
Aber zurück zur europäischen Armee: Macron hatte jüngst in einem längeren Radiointerview eine „wahre europäische Armee“ gefordert, mit der sich Europa „mit Blick auf die USA, Russland und China“ verteidigen könne. Merkel stimmte alsbald zu: „Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen.“
Der Nicht-Europäer Donald Trump twitterte indes, die europäischen Länder sollten mal lieber ihre Nato-Beiträge zahlen – schließlich hätte man in Paris während des Zweiten Weltkriegs ja schon angefangen, gehörig Deutsch zu lernen, bevor die Amerikaner eingriffen. Dass die größte Gefahr für den Frieden in Europa in der Vergangenheit tatsächlich von Deutschland ausging, das ist immerhin mal keine Lüge des US-Präsidenten.
Eine Armee für Arme
Doch was halten eigentlich die Betroffenen selbst von der Idee? Wie stehen denn unsere Soldaten zu einer europäischen Armee? Carsten Jänker, Obergefreiter aus dem bayerischen Freising, zeigt sich skeptisch: „Was soll ich Ihnen sagen? Sie kennen den Zustand der Bundeswehr. Eine Armee für Arme. Es ist kein Geheimnis, dass hier fast nur Idio- … äh, na ja, wie sagt man heute? … also: besondere Menschen arbeiten. Die anderen Länder sind da wesentlich besser aufgestellt. Die deutschen Soldaten könnten in einer europäischen Armee bestenfalls einfache Hol- und Bringdienste übernehmen. Oder Kaffeekochen. Darauf haben wir natürlich wenig Lust.“
Auch beim Nachbar Frankreich wirken die Truppen nicht gerade euphorisch, wenn man sie auf eine „armée européenne“ anspricht. Jacques Debuchy, ein Offiziersanwärter aus der Nähe von Marseille, sieht vor allem Probleme in der Kommunikation: „In welcher Sprache sollen wir uns denn bitte verständigen? Nachdem die Briten raus sind, fällt Englisch schon mal weg. Aber in Frankreich spricht sowieso niemand Englisch. Deutsch auch nicht. Welche Sprachen gibt es noch? Im Grunde müssten wir in der europäischen Armee dann Französisch sprechen. Aber sagen Sie das mal den Dänen. Oder den Tschechen. Oder allen anderen Nicht-Franzosen.“ Noch eine europäische Institution, bei der keiner den anderen versteht, brauche er, Jacques Debuchy, neben dem Eurovision Song Contest nicht.
Und dennoch. Die Politik scheint überzeugt: „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt“, befand jetzt die Kanzlerin.
Was aber hätte eigentlich die Welt davon, wenn die Union mit ihren vielen Sprachen plötzlich gemeinsame Militärsache machte? Warum sollten es Russland und die USA begrüßen, wenn die immer wiederkehrenden deutschen Weltherrschaftsfantasien plötzlich von einem ganzen Kontinent gestützt würden?
Mörderische Absichten
„Man hätte Frau Merkel ja mal fragen können“, meint der Freisinger Soldat Jänker, ergänzt daraufhin allerdings gleich alert: „Wobei, die ist ohnehin bald Geschichte.“ Nach kurzem Überlegen fügt er hinzu: „Oh, das klang jetzt aber irgendwie, als hegte ich mörderische Absichten oder so. Merkel hört doch bald auf, oder?“
Wie eine solche europäische Armee überhaupt konkret aussehen könnte, blieb bislang von allen Seiten unbeantwortet. Einer französischen Vision zufolge wäre ein erster Schritt eine Interventionstruppe aus Soldaten weniger Staaten, die bei Kriseneinsätzen in Afrika zum Einsatz käme. „Wahrscheinlich, weil da unten in Afrika eurozentristisch betrachtet ja eh alles egal ist“, glaubt der Franzose Debuchy. So egal, dass man sogar testweise mit deutschen Soldaten – Debuchy kichert – zusammenarbeiten würde. Ein Moorbrand mehr oder weniger falle dort kaum ins Gewicht.
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lehnte den Vorschlag von Merkcron allerdings ab. Die Verantwortung für Truppeneinsätze müsse bei den einzelnen Ländern bleiben. Statt einer europäischen Armee forderte von der Leyen eine „Armee der Europäer“.
Zustimmung erhielt dieser Vorschlag ganz überraschenderweise vom britischen Verteidigungsminister Gavin Williamson. Der erklärte darüber hinaus, schon als Kind großer Monty-Python-Fan gewesen zu sein.
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