Die Wahrheit: First Baby verbraucht zu viel Sprit
Neues aus Neuseeland: Die drei Monate alte Tochter der Premierministerin Ardern sorgt für eine Staatsaffäre von internationalem Ausmaß.
A ls Jacinda Ardern das Land übernahm und kurz darauf ein Kind gebar, da war es, als ob der Messias nochmal in doppelter weiblicher Form tief im Süden der Erde niedergekommen sei. Nicht nur ist Ardern die jüngste Regierungschefin der Welt, sondern hat mit der Geburt ihrer Tochter auch einen Rekord als Regentin und Mutter gesetzt. Das Hochgefühl der heiligen Geburt übertraf die kollektive Euphorie, die einst die Kiwis bei der Premiere von „Der Herr der Ringe“ erlebten.
Was waren wir happy über das neue Zeitalter, das endlich anbrach! Während der Schwangerschaft lagen wir der Regentin zu Füßen und hätten ihr diese auch massiert, wenn das Wasser in den staatstragenden Beinen denn zu viel geworden wäre. Wir beklatschten ihre eleganten Umstandskleider auf großem Parkett und verwiesen jeden alten Sack feministisch gestählt in die Schranken, der zu fragen wagte, ob denn das Kind auch genug Mutterliebe oder der Staat eine rund um die Uhr einsetzbare Chefin kriegen würde.
Alles ging wunderbar über die Bühne. Das Baby bekam auch noch etwas Maori im Namen ab. Jeder war entzückt, und Ardern machte sechs Wochen Mutterpause. Seit ihrer Rückkehr in den Beehive geht es wieder ums Geschäft. Doch die alten Säcke schlagen sich gerade auf die Schenkel. Denn Anfang September entfachte die keine drei Monate alte Neve bereits eine Staatsaffäre von internationalem Ausmaß.
Jacinda Ardern war zu einem Forum der Pazifik-Länder auf der Insel Nauru eingeladen worden. Sie stillt noch. Und ihre Tochter ist zu jung für all die Impfungen, die sie bräuchte, um ohne Gefahr mitzureisen. Also beschloss die Politikerin, dass sie statt für drei Tage nur für den wichtigsten Tag in der Mitte mit anschließendem Bankett anreist. Das bedeutete aber, dass die Boeing 757 der neuseeländischen Luftwaffe einmal mehr für sie hin und her fliegen musste. Und das kostete rund 50.000 Dollar an Sprit.
Verschwendung! Extrawurst! Die Benzinquittung war ein gefundenes Fressen für alle, die nur darauf warteten, dass da doch ein Haken sein muss, wenn eine Karrierefrau auch fruchtbar ist. Wenn schon nicht eine Gefahr für Gender-Klischees besteht, dann zumindest fürs Bruttosozialprodukt. Ein politischer Kommentator warf Ardern vor, warum sie nicht einfach abgesagt hätte – das würden doch alle Eltern mit Doppelbelastung verstehen. Es sei wohl ihr krasser Geltungsdrang gewesen?
Diejenigen, die am würdigsten mit dem Benzin-gegen-Brustmilch-Dilemma umzugehen wussten, waren die Südseeinsulaner. Der Premierminister von Nauru sang für die Neuseeländerin bei der Begrüßung ein selbst komponiertes Ständchen namens „Jacinda, New Star in the Sky“. Eine Strophe war der Tochter gewidmet. „Ein kleiner Baby-Stern wurde geboren“, heißt es in dem Song. Wenigstens auf Nauru wird dieser Messias gewürdigt.
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