Die Wahrheit: Das gelähmte Land
Wanted: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist untergetaucht und bleibt bis auf Weiteres restlos verschwunden.
Ganz Deutschland ist seit Tagen verzweifelt, schwitzt wie nie zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen Blut und Wasser: Wo ist die Kanzlerin, wo ist Angela Merkel? Seit über einer Woche gehen besorgte Fragen verängstigter Bürger beim Bundeskanzleramt und bei den Medien ein, recherchieren Legionen von Journalisten Tag und Nacht, um den Aufenthaltsort der trotz allem beliebten Politikerin ausfindig zu machen – vergeblich. Angela Merkel (CDU) ist wie vom Erdboden verschluckt. Regierungssprecher Steffen Seibert, einer der engsten Vertrauten der Bundeskanzlerin, lässt sich verleugnen und gibt vor, keine nähere Auskunft geben zu können. Kann er nicht oder will er nicht?
Wilde Gerüchte gehen bereits um: Hat sich Angela Merkel nach dem langen und erbitterten Streit mit Horst Seehofer entleibt? Hat sie nach dreizehn Jahren Kanzlerschaft die Lust verloren und sich an einen stillen, abgeschiedenen Ort irgendwo im Ausland zurückgezogen, um langsam zu verhungern – Stichwort Sterbefasten? Nimmt sie gar professionelle Sterbehilfe aus der Schweiz in Anspruch, womöglich auf Kosten der Steuerzahler? Und was ist mit ihrem ebenfalls verschwundenen Ehemann Joachim Sauer? Reißt sie ihn mit in den Tod?
In weiten Teilen der Republik liegt das öffentliche Leben darnieder, in zahllosen Ämtern sind die Bediensteten krankgeschrieben, weil die Ungewissheit über das Schicksal ihrer obersten Dienstherrin sie in Abgründe tiefster Depression gestürzt hat. Nicht anders sieht es in der Wirtschaft aus, wo aus Sorge um das Ende der Kanzlerin sich nahezu alle Werktätigen arbeitsunfähig gemeldet haben. Werkshallen stehen leer, Fließbänder still, und in den Kontoren verwaisen die Schreibtische. Finis Germaniae?
Bauernfamilien weinen ins Leere
Selbst auf dem Land ruht die Arbeit, bleiben Äcker unbestellt, wird das Getreide nicht geerntet, brechen Obstbäume unter der Last ihrer ungepflückten Früchte. Vielköpfige Bauernfamilien sitzen weinend um den großen Tisch in ihrer niederen Stube, die Augen stier ins Leere gerichtet. Im Stall quieken die Schweine vor Hunger, auf der Weide brüllen die ungemolkenen Kühe vor Trauer und Sorge – doch der Bauer, die Bäuerin und ihre zahllosen Bauernkinder sind gelähmt, unfähig, eine Hand zu rühren. Wo bloß ist die Kanzlerin?
Lebt sie noch? Wenn ja, warum rührt sie sich nicht und gibt wenigstens ein Zeichen, damit ihr Volk sich nicht selber zu Tode grämt? Ist sie verletzt? Vielleicht bei einer Alpenwanderung verunglückt und wird erst in 5.000 Jahren von unschuldigen Wanderern wiederentdeckt? Oder machte sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Segelurlaub und ist jämmerlich ertrunken?
Dreiste Fälschung eines Fotos
Dass sie vorletzte Woche beim Besuch der Münchner Staatsoper gesehen worden sein soll, um sich eine Aufführung von Richard Wagners „Parsifal“ anzuschauen, ist nur durch ein Foto belegt – Fotos aber sind heute, im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung, als Beweismaterial nicht einmal einen Pfifferling wert. Als vernunftbegabtes Lebewesen muss jeder Mensch davon ausgehen, dass es sich hier um eine dreiste Fälschung handelt, erfunden, um achtzig Millionen Bundesbürger und die gesamte Weltöffentlichkeit hinters Licht zu führen und zu beruhigen. Das tiefere Motiv ist noch unklar, doch die Polizei ist aufgerufen zu ermitteln, sofern sich angesichts ihres derzeit hohen Krankenstandes noch ein Beamter im Dienst befindet.
Fest steht, dass Angela Merkel in ihrem Urlaubsdomizil im Südtiroler Sulden nie ankam. Es wird also höchste Zeit, dass die Welt erfährt, was los ist! Überall im Land schrillen die Alarmglocken: Während sich bundesweit die Tapfersten der Tapferen aufmachen, um Wälder nach dem Leichnam der Ermordeten zu durchkämmen, und Flüsse und Seen ableiten, um auf dem Grund die womöglich mit einem Betonklotz Versenkte zu finden, steigern sich auf der anderen Seite Verzagtheit, Mutlosigkeit und Elend zu schierer Hoffnungslosigkeit, lässt die Ungewissheit über das Schicksal Angela Merkels und damit Deutschlands und Europas mehr und mehr Bürger sich verloren geben und zum letzten Mittel greifen und Stoßgebete gen Himmel schicken … Doch halt! Was ist das?!
Die Lage hatte sich gefährlich zugespitzt, aber dann bequemt sich plötzlich doch noch eine Regierungssprecherin, vor die gespannte deutsche Öffentlichkeit zu treten und zu verkünden: Der Bundeskanzlerin gehe es gut, sie spanne einfach einige Tage aus, sei aber immer erreichbar, voll arbeitsfähig und jederzeit über aktuelle Entwicklungen informiert. Erleichtert atmet die Nation auf. Ist sie also doch nicht in einen großen Topf selbst gekochte Kartoffelsuppe gefallen.
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