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Die WahrheitEin Hauch von Beige

Nach den Oscars ist vor der „Mediokrale“: Unter dem dünnen Firnis von Glamour brodelt im Filmgeschäft die Durchschnittlichkeit.

Schafe statt Schauspieler – so geht neuerdings Film Foto: ap

Parallel zur 90. Oscar-Verleihung in Hollywood, bei der vor allem um das unglaubwürdigste Lippenbekenntnis zu Diversität und Gleichberechtigung gerungen wurde, feierte man bei der Preisverleihung „Mediokrale“ lieber die Eigenschaften, die das Film- und Fernsehgeschäft zu jener unerbittlichen Unterhaltungsmaschine gemacht haben, vor der es kein Entrinnen gibt: den unbedingten Willen zur Banalität und die Fähigkeit, jede kreative Regung schon im Keim zu ersticken.

Vom geografischen Mittelpunkt der USA in Belle ­Fourche, South Dakota, sind es gut 45 Minuten Autofahrt in eine beliebige Richtung, bis man den Veranstaltungsort der „Mediokrale 2018“ erreicht: ein typisches Einfamilienhaus in einer reizlosen Straße, das die Besitzer Dwayne und Charlene Smith achselzuckend der Jury für einen halben Tag überlassen haben.

Im Wohnzimmer der viereinhalbköpfigen Familie wurden Snacks bereitgestellt, in der Küche wartet eine Kanne koffein­freier Kaffee auf die eher unwahrscheinliche After-Show-Party. Sogar eine Leinwand hat die Crew an der Wand installiert, denn anders als in den letzten Jahren wird internationales, ja überhaupt Publikum erwartet.

Einlullen und Einschläfern

Kurz nachdem wir Platz genommen haben, betritt die Moderatorin den Raum. In diesem Jahr fiel das Los auf die 54-jährige Barbara Nutworth und ihr Gesichtsausdruck lässt erkennen, dass ihre Aufregung sich in den vorgegebenen Grenzen hält. Als Mittelschullehrerin und Schöffin geschult, berichtet sie mit monotoner Stimme vom Hintergrund des Awards: Mit unbestimmtem Missfallen habe man über die Jahre beobachtet, wie die Filmindustrie ihre Hauptaufgabe habe schleifen lassen, nämlich das Einlullen und Einschläfern der Zuschauer.

Statt auf auswechselbare Charaktere und eine plätschernde Story setze man weltweit nun auf politische Themen, womöglich sogar auf Inhalte. Ungeachtet der Tatsache, dass ein großer Teil der Bevölkerung schon durch Überschuldung, Sodbrennen und Opiatentzug an Schlafstörungen litte, würden Filme produziert, die zum Nachdenken anregten. Da diese Tätigkeit weder von Gott noch der Regierung gewollt sein kann, hätte man Handlungsbedarf gesehen. Mit der Verleihung des Preises, der durch einen Klumpen Lehm symbolisiert werde, wolle man daher Macher und Akteure ehren, die ihr Handwerk noch als solches verstünden.

So wird der erste Klumpen des Vormittages in der Kategorie „Ausstattung“ verliehen, und zwar an die Dekokissen und Tagesdecken „einer beliebige Rom-Com mit irgendeiner Jennifer oder wie die jungen Dinger eben heute so heißen“. Der Nachwuchs-Award geht an sämtliche Kinderdarsteller, die ihren Filmeltern um den Hals fallen und dann schleunigst vom Bildschirm verschwinden.

Haudegen im Morgenmantel

Barbara verlässt die Bühne, um einem Experten das Podium zu überlassen. Dwayne Senior hat es sich als Hausherr nicht nehmen lassen, den Preis für die beste Regie im besten Film mit den besten Schauspielern aus eigener Hand entgegenzunehmen. Ironiefrei trägt der alte Haudegen seinen Morgenmantel als Abendgarderobe und weist mit gereckter Faust darauf hin, dass ein Film keine harte Arbeit ist, sondern harte Arbeit zeigen sollte. Mit seinem Erstling: „Back off, Broke Mountain“ zeigt er, wie zwei Männer gemeinsam Vieh hüten, ohne auf dumme Gedanken kommen zu müssen. Das angebliche Problem der Pay Gap, der vieldiskutierten Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen, löste der Quereinsteiger, indem er keine Damen ans Set ließ. Selbst die Schlussszene in der Striptease-Bar sei mit geschorenen Schafen gedreht worden.

Bevor es zu unbeabsichtigten Höhepunkten kommen kann, wird nun bewusst auf aufgeblasene Showeinlagen nach Hollywood-Manier verzichtet. Stattdessen erhebt sich ein junger Kerl und berichtet, dass er eigentlich nur hier sei, um die ausgeliehene Rohrzange zurückzubringen. Halbwegs spontan wird er für seine Leistung als „Kaum störender Nebendarsteller“ geehrt. Das Publikum feiert ihn mit Ignoranz, vereinzelt wird geschnarcht.

Die Auszeichnung für „Unaufgeregte Mimik“ gewinnt bei den Damen Botox, bei den Herren Ben Affleck. Die lethargische Stimmung droht kurz ins Lauwarme zu kippen, als es zu einer Verwechslung bei der Rubrik „Durchschnittlichster Film“ kommt. Wenig überraschend werden hier Sequels nominiert und zunächst der Favorit „Avatar – Dasselbe in Grün“ genannt, im Anschluss wird der Preis jedoch an die deutsche Reihe „Beliebiges Stofftier mit fehlendem Körperteil“ verliehen. Begründung der Jury: Die völlige Emotionslosigkeit aller Beteiligter bekämpft Inhalte wirkungsvoll ab der ersten Minute. Prädikat: Besonders mittel. Der Preis für das Lebenswerk ging jedoch an sämtliche Baldwin-Brüder. Beim Versuch, alle aufzuzählen, erlag das gesamte Team einem wohlverdienten Nickerchen.

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