Die Wahrheit: Connyland und deutsches Land

Nicht nur Frankreichs Uhren gehen anders, sondern auch die in Connyland ...

... Während sich die Öffentlichkeit hierzulande mit den neun Morden an Ausländern und mit Banküberfällen beschäftigt, die eine rechtsradikale Terrorbande unter fürsorglicher Beobachtung des Verfassungsschutzes mehrerer Länder beging, erregt sich Connyland über den Tod von acht Delfinen in drei Jahren. Connyland heißt ein Schweizer Freizeitpark, der im Ortsteil Lippertswil in der Gemeinde Wäldi im Kanton Thurgau liegt. Der Kanton Thurgau ist eine Stiftung Napoleons und liegt nordöstlich von Zürich und reicht bis ans schweizerische Ufer des Bodensees. Der Kanton hat rund 300.000 Einwohner - etwa wie Darmstadt. Seine Hauptstadt ist Frauenfeld, bekannt nur durch ein rundum beliebtes Open-Air-Festival, Luca Ruch, den "Mister Schweiz", und Joachim Löw. Der betreute 1994 als Spielertrainer den Amateurclub FC Frauenfeld.

Der mit Abstand berühmteste "Frauenfelder" ist der aus Italien stammende Julius Maggi, der die gleichnamige Würzgrütze und den Brühwürfel erfand und damit europaweit und generationenübergreifend einen eminenten Beitrag zur kulinarischen Geschmacksverderbnis leistete. Dass auch der Medizinnobelpreisträger von 1949, Walter Rudolf Hess, aus Frauenfeld stammte, wissen nur noch Lokalhistoriker und historisch beschlagene Hirnforscher. Hess wurde ausgezeichnet für seine Arbeiten über die funktionale Organisation des vegetativen Nervensystems und experimentierte mit Tieren auf eine rustikale Art, wie sie heute verboten ist. Hess hatte Glück: Tiere rächen sich nicht. Der gleichzeitig ausgezeichnete Neurologe Egas Moniz experimentierte mit Gehirnoperationen an Menschen und wurde von einem Operierten rollstuhlreif geschossen.

Vom Nobelpreisträger Hess zum Freizeitpark Connyland ist es, was die Behandlung von Tieren betrifft, nur ein Schritt, denn in dem 2003 eröffneten Freizeitpark werden Delfine und Seelöwen vermarktet wie die Achterbahn "Cobra".

Seit der Eröffnung von Connyland steht der Betreiber Conny Gasser in einem Kleinkrieg mit Behörden und Tierschützern. In den letzten Jahren starben acht Delfine. Tierschützer lancierten den Verdacht, das ein oder andere der hörsensiblen Tiere sei nach einer Technoparty im Connyland gestorben. Die Geschäftsführung von Connyland dagegen vertritt die Ansicht, Tierschützer hätten die Delfine vergiftet. Weil das niemand überprüfen kann, erfand die Schweizer Boulevardpresse im Handstreich einen "Delfin-Killer" wie die deutschen Kollegen einen "Döner-Mörder".

Auch die Boulevardpresse funktioniert in beiden Ländern etwas unterschiedlich, wenn auch nicht gegensätzlich: Der schweizerische Boulevard hält sich an geschäftsfördernde Gerüchte der interessierten Tiergeschäftemacher. Der deutsche Boulevard gab sich dagegen staatstragend und verbreitete brav die Verfassungsschutzlegende vom verrückten "Döner-Killer" als Einzeltäter, obwohl der rechtsradikale Untergrund jahrelang unbehelligt agierte.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.