Die Wahrheit: Ein Fall für SS-Tappert
„Derrick“-Erfinder Reinecker war in der SS, Schauspieler Tappert auch. Drei niemals ausgestrahlte Episoden zeigen mehr als nur Verstrickungen.
Vier Jahre nach seinem Tod ist enthüllt worden, dass der Schauspieler Horst Tappert als Soldat des SS-Regiments „Totenkopf“ während des Zweiten Weltkrieges an der Ostfront kämpfte. Daraufhin hat der niederländische Fernsehsender Max die Serie „Derrick“, mit der Tappert auch außerhalb Deutschlands berühmt wurde, aus dem Programm gestrichen.
Und der Skandal hat erst begonnen. Denn nicht nur Tappert, sondern auch „Derrick“-Erfinder und -Stammautor Herbert Reinecker diente in der Waffen-SS als Propagandajournalist des Nazi-Regimes. Im Sinne einer „umfassenden und kritischen Aufarbeitung der Geschichte“ hat das ZDF beschlossen, seinen Giftschrank zu öffnen. Darin lagern drei „Derrick“-Episoden, die aus guten Gründen nie ausgestrahlt wurden. Die Wahrheit sichtete das brisante Material.
Kredithai Aaron Goldenberg wurde mit einem Hammer erschlagen. Nur zögernd übernimmt Derrick den Fall. Denn er kennt die vielen Münchener Familien, die der skrupellose Raffke ins Elend gestürzt hat. „Mord ist nicht immer gleich Mord“, sagt der Chefinspektor zu Harry Klein.
Trotzdem erfüllt er als guter deutscher Kriminalist seine Pflicht und fährt durch die Gegend, um nachzudenken. Harry klappert inzwischen die Adressen von Goldenbergs Schuldnern ab. Dabei überrascht er den Hufschmied Eberhard Horre, wie er Blut von einem Hammer wäscht. Die Beschmutzung sei beim Beschlagen eines nervösen Rennpferds passiert, erklärt der knorrige Horre. Inspektor Klein findet an diesem Alibi nichts auszusetzen. Auch sein Chef nicht: „So simpel geht es nie zu, wenn Leute vom Stamme Goldenbergs ausgemerzt werden.“
Er fährt wieder viel durch die Gegend und findet den Täter schließlich durch pure Deduktion. Goldenberg war nämlich Mitglied einer Münchner Freimaurerloge, hinter der sich die bayerische Fraktion der Weisen von Zion versteckt. Um Goldenberg, der gern dem Wein zusprach, davon abzuhalten, im Suff die Welteroberungspläne der Loge auszuplaudern, richteten seine Genossen ihn auf ebenso grausame wie mystische Weise.
„Denn der Hammer ist das wichtigste Symbol dieses üblen Vereins“, erläutert Derrick seinem Assistenten und schlägt zur Abwehr okkulter Mächte ein Hakenkreuz. Aber die Indizien reichen nicht aus, um die Bande dingfest zu machen.
Oberinspektor Derrick genießt ein Nostalgie-Wochenende im Hotel „Stahlhelm“ am Starnberger See. Im Kreise alter Kameraden vom SD-Polizeibataillon „Siegfried“ gedenkt er der gemeinsamen Abenteuer während des Russlandfeldzugs. Doch der fröhliche Umtrunk endet mit einem Todesfall: Anton Hackbrett, einst Küchenbulle des Bataillons, jetzt Direktor des „Stahlhelm“, wird erschossen im Kühlraum aufgefunden. Derrick tippt zunächst auf den langhaarigen, affektierten Sommelier Henri Dechateau als Täter und lässt ihn in Schutzhaft nehmen.
Da ereignet sich der nächste Mord: Diesmal trifft es Emil Holtzwurm, einst Schreibstubenhengst des Bataillons. Ein langes schwarzes Haar auf Holtzwurms Hemd führt Derrick zum Mörder. Es ist die Kellnerin Gudrun. Sie heißt in Wahrheit Ludmilla und wurde vom KGB nach Deutschland eingeschleust. Ludmillas Motiv: Rache für eine Tante, die als „Flintenweib aus Odessa“ berüchtigt war und von den Männern des „Siegfried“-Bataillons zur Strecke gebracht wurde. „Man muss die Vergangenheit mal ruhen lassen“, mahnt Derrick, bevor er Ludmilla mittels Genickschuss richtet.
Kommerzienrat Höllriegl ist verzweifelt: Seine Schäferhündin Freya wurde entführt. Er bittet Kriegsfreund Derrick um Hilfe: „Stephan, hier droht eine nationale Katastrophe – die Freya ist direkte Nachfahrin der Blondie von unserem Führer!“ Derrick fackelt nicht lange. Zweifellos wollen kommunistische Chaoten das Erbgut der edlen Hündin für ihre deutschfeindlichen Umtriebe missbrauchen. Derrick lässt eine Ausgangssperre über München verhängen und vorsorglich alle roten Socken einkerkern.
Zugleich verkündet er ein Ultimatum: Sollte Freya nicht bis zum nächsten Morgen in der Polizeidirektion abgeliefert werden, droht jeder Katze in der Stadt ein langer und schmerzhafter Tod durch Erhängen am Fleischerhaken. Derrick weiß nämlich, dass Katzen wegen ihres verschlagenen Charakters die Lieblingstiere des Bolschewikenpacks sind. Die Situation spitzt sich dramatisch zu, als Inspektor Harry Klein einer Spur zum sinistren Tierarzt Jossele nachgeht.
In dessen Praxis hat sich ein Geheimkommando des Mossad verschanzt, mit Freya als Geisel. Die Geschichte, die als Zweiteiler angelegt war, doch schon während der Produktion auf Eis gelegt wurde, endet offen: Wird Derrick mit den Dognappern verhandeln oder die Endlösung anordnen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz