Die Uefa und ihr Präsident Čeferin: Gesichtslose Uefa
Der Verbandschef der Uefa gibt nur den Fußballromantiker. Im Hintergrund maximiert er kompromisslos Gewinne.
Es ist nicht so, als ob es keine Kritik oder Unmutsäußerungen gegen die Uefa gegeben hätte. Aber den Motor des Europäischen Fußballverband bringt niemand so schnell zum Stottern. Böse Anwürfe ölen mitunter gar das Getriebe der Organisation. „Fuck Uefa“ hatten ein paar dänische Fans beim Spiel gegen England auf ein Stück Stoff gepinselt, das nur wenig größer war als ein Badehandtuch.
Die Disziplinarkommission des Verbandes beriet sich, wie schwer das Vergehen einzuordnen ist und verhängte für den dänischen Fußballverband eine Geldstrafe von 10.000 Euro. Empfänger der Überweisung ist natürlich der beleidigte Verband.
Wohin das Geld fließt? In Uefa-Projekte im Bereich der sozialen Verantwortung, heißt es auf Anfrage, und in das HatTrick-Programm. Dort werden die langfristigen Fußballentwicklungsprojekte der Mitgliedsverbände aufgesetzt. Und dorthin fließen auch zwei Drittel der erwarteten Uefa-Gewinne von 1,7 Milliarden Euro aus dieser Europameisterschaft. Beleidigungsgebühren werden also auf der Gewinnseite verrechnet.
Alles dient dem guten Zweck, den Fußball größer zu machen. Mit diesem Argument, das auch mit der sozial-gesellschaftlichen Verantwortung unterfüttert wird, begegnet die Uefa ebenso der Kritik, ihre Gewinne würden in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Gastgeberländer und ihrer Steuerzahler stehen. An der Uefa bleibt seit der Amtsübernahme von Präsident Aleksander Čeferin im Jahr 2016 kaum noch Schmutz haften.
Seinem Vorgänger Michel Platini kostete ein undurchsichtiger Millionendeal mit Fifa-Präsident Sepp Blatter und seine Nähe zu den katarischen Machthabern jegliches Ansehen. Platini und Blatter sind stets wie Sonnenkönige aufgetreten. Im Dienste des weltweit beliebtesten Spiels Fußball, glaubten sie, schütze sie selbst beim Geschäft mit zwielichtigen Gestalten eine Aura der Arglosigkeit. Der aktuelle Fifa-Chef Gianni Infantino führt in diesem Sinne deren Erbe fort.
Nirgends zu finden
Čeferin dagegen meidet die Position des sichtbaren Steuermanns. Kaum Bilder hat es von ihm bei dieser Europameisterschaft gegeben. Auf den TV-Bildschirmen ist er allenfalls mal für Sekundenbruchteile auf der Tribüne zwischen zwei Verbandsvertretern zu sehen. Auf den Social-Media-Plattformen ist er nirgends zu finden. Interviews gibt er nur spärlich. Bei der Suche nach Statements von Aleksander Čeferin zu dieser Europameisterschaft stößt man nur auf wenige Einträge.
Anfang dieses Jahres gab es ein wenig Aufregung. Čeferin, so hatte es kurzzeitig den Anschein, wolle die Statuten verändern, um mit einem Kniff seine Präsidentschaft zu verlängern. Es ging um eine Präzisierung einer Amtszeitbeschränkungsregel, die der Slowene selbst eingeführt hatte. Der Vorwurf stand im Raum, er wolle sich dadurch eine weitere Kandidatur bei der Wahl 2027 erschleichen.
Aber die hätte ihm nach Juristengutachten eh zugestanden, weil eingeführte Regeln nicht rückwirkend gelten können. Obendrein kündigte Čeferin dann an, er wolle die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur gar nicht ausschöpfen und 2027 aufhören. Die Uefa brauche frisches Blut, sagte der 56-Jährige.
Der Jurist Čeferin, der es als Karateka bis zum schwarzen Gürtel gebracht hat, versteht es, selbst möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und die Angriffsfläche des Gegners zu nutzen. In kritischen Fällen zählt allein die Autorität der Organisation und nicht die einzelner Personen. Als bei der EM der Wolfsgruß-Jubel des türkischen Nationalspielers Merih Demiral zum großen Politikum wurde, forderte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser Konsequenzen von der Uefa, was die Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara zur Folge hatte. Von Čeferin war kein Wort in der Angelegenheit zu hören. Der Fall wurde bei der Uefa rein technokratisch auf Grundlage eigener Statuten verhandelt und Demiral für zwei Spiele gesperrt.
Recht gesichtslos ist die Uefa also bei dieser EM aufgetreten. Es ist vielmehr eine Apparatur am Werkeln gewesen, wo ein Rädchen ins andere gegriffen hat und auch noch das letzte Detail festgelegt war. Sogar die Aufwärmzeit der Teams vor dem Anpfiff war bis auf die Sekunde genau getimt. Wenn auf der Anzeigetafel der Countdown runterlief, eilten die Spieler flugs vom Rasen.
Vermeintlicher Bewahrer von Werten
Nur in absoluten Notlagen tritt Čeferin aus dem Schatten der Organisation heraus und holt zum Gegenschlag aus. Als vor drei Jahren zwölf europäische Spitzenklubs mit der Super League ihren eigenen europäischen Wettbewerb schaffen wollten, um mehr Gewinne zu erlösen, präsentierte sich der Uefa-Chef als Verteidiger des romantischen Fußballs. Er sprach vom Kampf von „Zynismus gegen Moral. Egoismus gegen Solidarität. Gier gegen Wohlwollen.“ Noch beim letzten Uefa-Kongress im Februar sagte er: „Einige Menschen denken, dass sie alles kaufen können, aber man kann keine 70 Jahre Geschichte kaufen.“
Ebenso profilierte sich Čeferin gegen die Fifa als Bewahrer von Werten und guter Tradition, indem er sich gegen die Pläne einer alljährlichen Weltmeisterschaft oder einer erweiterten Klub-WM wandte oder allgemein feststellte, die WM in Katar habe dem Fußball nicht gut getan.
Čeferin kann aus der Position der Stärke des europäischen Fußballs agieren. So lässt sich die Verteidigung eigener Geschäftsmärkte bestens mit moralischen Grundhaltungen verbinden. Doch ein Verband für Fußballnostalgiker wird die Uefa gewiss nicht werden.
Für eine höhere Rendite wird die Champions League nächste Saison mit einem neuen Format an den Start gehen. Statt 32 werden 36 Teams antreten, statt 125 Partien werden 189 gespielt. Die Europa League und Conference League werden ebenso weiter aufgebläht. Eine knappe Milliarde Euro sollen dadurch insgesamt mehr erlöst werden.
An Fantasie, wie noch weiter an der Schraube der Gewinnmaximierung gedreht werden könnte, fehlt es dem Verband nicht. Es sei durchaus möglich, dass man bedeutsame Champions-League-Spiele künftig mal in den USA austragen lassen werde, sagte Čeferin im vergangen Jahr. Man habe angefangen, darüber zu diskutieren. Ob das noch in seiner Amtszeit geschieht oder später, ist nicht von großem Belang. Die Uefa scheint mittlerweile eh per Autopilot in die Gewinnzone zu fahren.
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