Die Türkei und die Kurden: Im unwegsamen Kandilgebirge
Türken und Kurden kämpfen gegen den Islamischen Staat – nur nicht gemeinsam. Aber auch die Kurden sind sich nicht einig.
BERLIN/ISTANBUL taz | Die Kandilberge, eines der jüngsten Angriffsziele der türkischen Luftwaffe im Nordirak, grenzen an die Türkei und den Iran. Schon in Zeiten des Osmanischen Reiches bot die unwegsame Region mit Gipfeln von bis zu 3.000 Metern Höhe bewaffneten Gruppen und Minderheiten Schutz. Seit Ende der neunziger Jahre unterhält die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hier ihr Hauptquartier.
Bemannte Checkpoints kontrollieren die Zufahrten, ihre Basen sind zum Teil unterirdisch angelegt. Die oberirdischen Gebäude ähneln den Dörfern, die in der Vergangenheit bereits versehentlich von der türkischen Luftwaffe bombardiert wurden.
Da es in der Region keine Städte oder Ballungszentren gibt, genießt die PKK im Kandilgebirge eine gewisse Autonomie. Zugleich dient sie als Bollwerk gegen ein Vordringen des Islamischen Staates (IS).
Das Verhältnis der PKK zum irakisch-kurdischen Teilstaat im Norden des Irak ist jedoch nicht frei von Spannungen – mit dem Regionalpräsidenten Masud Barsani und den irakisch-kurdischen Parteien.
Barsani ist ein gern gesehener Gast in den Hauptstädten Europas und der USA. Er ist ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Fanatiker des IS. Der Sohn eines berühmten kurdischen Guerillaführers hat gegen das ehemalige Saddam-Regime gekämpft, Tausende von Angehörigen seines Stammes fielen den Verbrechen des Regimes zum Opfer. Barsani hat freilich auch eine andere Seite. Wie der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan beansprucht er die Führung aller Kurden.
Nichts ist wirklich gelöst
In den neunziger Jahren bekämpften sich die PKK und Barsanis Demokratische Partei Kurdistans (KDP) erbittert. Dabei unterstützte die Türkei Barsani mit Luftangriffen. Aufseiten der PKK stellten sich damals Barsanis kurdische Rivalen im Nordirak, die Patriotische Union Kurdistans (PUK). Aus ihr ging vor einigen Jahren die Partei Goran hervor.
All diese Konflikte wurden durch den Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 – und bisher durch die Friedensbemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit der PKK – gezähmt.
Wirklich gelöst sind sie bis heute nicht. Zwar kämpfen alle gegen den IS, aber sie tun dies nicht gemeinsam. Nicht nur der türkischen Regierung, sondern auch Barsani ist das Erstarken der PKK ein Dorn im Auge.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
"Die oberirdischen Gebäude ähneln den Dörfern, die in der Vergangenheit bereits versehentlich von der türkischen Luftwaffe bombardiert wurden."
Das ist doch eine kühne Behauptung, diese Vorgänge als "versehentlich" zu bezeichnen, denn die Türkei hat wiederholt den irakischen Luftraum verletzt und dabei auch noch kurdische Zivilisten / irakische Staatsbürger getötet. Das geschah mit einem klare Kalkül - nämlich es diente zur Einschüchterung. Darüber hatten in der Vergangenheit auch nur kurdische Medien berichtet - die jetzt in der Türkei im Internet gesperrt sind.
Und damit nicht genug - die Türkei hat auch in Roboski und kürzlich wieder in Hakkari mit blanker Gewalt und ohne jede Rechtsgrundlage Menschen Hab und Gut zerstört. Bei einer Aktion haben sie massenweise Esel/Maultiere in Hakkari getötet, weil mit diesen Tieren angeblich die PKK bzw. die Leute aus dem Kandilgebirge versorgt werden würden. Das waren alles nur Behauptungen, genauso wie die Ansage, die Türkei werde den islamischen Staat bekämpfen.
Was die Türkei jetzt tut, ist, dass sie dem IS eine Atempause verschafft, weil sie offensiv gegen die YPG bzw. PKK vorgehen. Die bekämpfen aber wirklich den IS - und zahlen dafür einen extrem hohen Preis.
Der West schweigt dazu auch noch, bzw. heute ausgerechnet Ursula von der Leyen die Türkei kritisiert. Und zwar mit Recht, hätte das von dieser Frau nicht erwartet.
Ich würde mir wünschen, dass die KRK oder der Irak im Norden eine Luftverteidigung aufbaut, denn dort greifft die Türkei jeden an, der da rumrennt, wahrscheinlich schießen sie noch auf die Bären, Wildschweine und Bergziegen.
Jung&Naiv
@Andreas_2020 Es gibt kein Kurdenproblem! Das historische Problem ist lediglich die Tatsache, dass man diesem Volk seit Jahrhunderten die Ausübung einer eigenen Sprache, eigenen Kultur und eigenen Souverenität verweigert.