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Die Streitfrage„Pakete von Oma nehme ich an“

Ist es okay, Pakete von Amazon für die Nachbarn anzunehmen, während Verdi streikt? Linke-Chef Bernd Riexinger sagt nein.

Würden Sie das für Ihren Nachbarn annehmen? Bild: dpa

Die Mitarbeiter von Amazon streikten diese Woche. Fast 145 Stunden legten sie die Arbeit nieder – in der Hauptumsatzzeit kurz vor Weihnachten. Und? Haben Sie etwas gemerkt davon? Das „große Chaos“, wie es die GDL mit ihrem 98-Stunden-Streik anrichtete, blieb aus.

Amazon liefert pünktlich durch die Einstellung von Tausenden Saisonkräften. Ein Konzern, den die Ängste seiner Mitarbeiter nicht kümmern, der Tarifgespräche verhindert – sollte man den nicht selbst blockieren?

Für Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken, beginnt der Protest an der eigenen Wohnungstür. Pakete von Amazon, die für seinen Nachbarn abgegeben werden, lehnt er ab. „Dabei geht es mir grundsätzlich darum, die Kette, an deren Anfang die skandalösen Arbeitsbedingungen bei Amazon und Co stehen, zu unterbrechen.“ Die Solidarität mit den Amazon-Beschäftigten ginge ihm vor. Um des Hausfriedens willen, würde er die Nachbarn aber über seine Beweggründe aufklären und sie bitten, „sich am Protest gegen miese Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne zu beteiligen.“

„Pakete von der Oma“, schloss Riexinger, nehme er allerdings gerne an.

taz.am wochenende

Buchpaläste verschwinden aus der Innenstadt. Autorinnen haben künftig sieben Jobs gleichzeitig. Ein Kunde ist noch lange kein Kritiker. Und kleine Buchläden sind wie Eisbärenbabys. Was vier junge Schriftstellerinnen über Amazon denken, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Dezember 2014. Außerdem: Vögeln ist schön. Die Autorin des gleichnamigen Buches spricht mit Jan Feddersen über Verklemmtheit und das uneingelöste Versprechen der freien Liebe. Und: 2004 entvölkerte der Tsunami beinahe die indonesische Provinz Aceh. Wie findet man nach so einer Katastrophe wieder ins Leben? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Christian Krähling, Mitarbeiter und Verdi-Sprecher am Amazon-Standort in Bad-Hersfeld, lehnt einen Paket-Boykott hingegen ab. „Die Entscheidung, ob man bei Amazon bestellt, bleibt jedem selbst überlassen“, schreibt Krähling in einer Mail. Wenn Kunden sich solidarisch zeigen wollen, sollten sie der „Geschäftsführung klarmachen, dass Amazon in Deutschland nur mit Tarifvertrag erfolgreich bleiben kann.“

Lieber für anständige Löhne sorgen

„Prinzipiell nehme ich Pakete für Nachbarn an“, schreibt Günter Wallraff. Er hat als Enthüllungsjournalist selbst „zu spüren bekommen, dass mit jeder Annahme-Verweigerung der Stress steigt“. Sein Wunsch: Er „fordert, dass die Konzerne die Leute fest einstellen, anständige Löhne bezahlen und gesetzliche Arbeitszeiten garantieren“.

Gayle Tufts, amerikanische Comedy-Darstellerin, ist berufsbedingt „oft vormittags zuhause, da wird alles bei mir abgegeben“. Es stapeln sich zwar die Pakete bei ihr, doch ist sie oft selbst „auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen“.

„Ich kaufe aus politischen Gründen nicht bei Amazon“, schreibt Amrey Depenau, aber durchaus bei anderen Onlinehändlern. „Nicht das Online-Shoppen ist das Problem, sondern exzessives Shoppen-zurückschicken-wieder-shoppen-bestellen-was-ich-gar-nicht-brauche.“ Daran würde sich auch nicht ändern, wenn sie das Paket des Nachbarn verweigere.

Bald kommen die Drohnen

Anne Alter aus Hamburg sieht es nicht als ihre Aufgabe, ihre „ Umwelt zu erziehen oder Lebensstile zu kommentieren“, doch findet sie, „wir brauchen dringend mehr Bewusstsein dafür, wie problematisch unser Konsumverhalten ist“.

Wenn Gayle Tufts Recht behält, haben die Arbeitskämpfe bei Amazon ohnehin in naher Zukunft ein Ende: „In den USA werden bald Drohnen die Pakete an jeden beliebigen Ort bringen.“

Die Streitfrage der Woche beantworten außerdem die Schauspielerin Marie-Luise Marjan und die taz-Leserin Viveka Ansorge - in der taz.am wochenende vom 20./21. Dezember 2014.

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10 Kommentare

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  • Das zeigt den Charakter von Rixinger.

    Ich kaufe nicht bei Amazon, aber soll ich den Paketfahrer und meinen Nachbarn büßen lassen?

  • wie stellt sich Klein Anna ein Groslager vor ? dass da hunderte Leute unherhetzen und Kisten schleppen, ein modernes Hochlager ist voll automatisiert, der Vorgang wird PC gesteuert, der Mensch macht nur den Rest, Paket schlichten? Zukleben, Paketauskleber, an Hand des Gewichts wird die Vollzähligkeit kontrolliert. der Transport erfolgt mit, nicht mit Schubkarre sondern mit speziellen Transportgeräten, da Zeit einen hohen Stellenwert hat, ist natürlich jder Arbeitsgang genau geplant. jeder/e der/die mal am Band gearbeitet hat, weis das, also die Tätigkeit im so einem Lager kann jeder/e ausführen, der gesund ist und ein bischen auf Scheibe, sogar ich konnte das, nach 2h über die Schulter eines Kollegen geschaut, war alles klar, nix gegen die KollegenInnen, die da arbeiten ! natürlich ist s für Verdi super, könnten sie die 10.000 Mitarbeiter organisieren, nach §5 der Gewerkschaftsstatuten müssen alle 1% ihres Bruttos bezahlen, monatlich, das ergibt für Verdi ungefähr zwischen 100.000-150.000€ im Moant, im Jahr c 2.000.000€ Beiträge, also schon ein dicker Batzen, von den Sitzen in der Geschäftsführung ++++ garnicht zureden, siehe LH, Herr B kann mit LH first class gratis um die Welt fliegen, er sitzt ja bei LH ganz oben, ok? Naja!

  • Also wer glaubt irgendwann liefern Drohnen im großen Stil Pakete oder Päckchen aus hat null Ahnung. Stellt euch mal die Situation in und über Berlin vor.

  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Die paar Worte hier sind zu wenig, man wird ja gezwungen ein Pro-Amazon-Buch zu schreiben (obwohl ich als Kritiker bei amazon zumindest auf Facebook gesperrt bin wegen Kritik an Amazon). Amazon war nach Brand Eins nochb 2012 der beliebteste Brand der Deutschen und stark aufgestiegen, dabei auch Starbucks, alles keine deutschen Firmen im Prinzip, die da genannt waren, die Kampagnen sind dann sehr merkwürdig, die ziemlich genau nach den Brand Eins Veröffentlichungen los gingen. In Berlin PBerg bestellten alle coolen Nachbarn längst bei Amazon, wo ich dachte, ich sei der einzige und das längst schon vor zehn Jahren. Irrational wird das Ganze wenn Firmen wie Bertelsmann/Randomhouse weggelassen werden, die als Konzern größer sind als Amazon und aktiv über die eigenen Stiftungen u Institute neoliberale Politik promoten, es gibt keine Boykottaufrufe, massenweise blieben Autoren trotz allem bei Randomhouse/Bertelsmann. Bei Steuern zahlen Mercedes, BMW usw wesentlich weniger Steuern als Amazon, der ganze Hype gegen amazon ist rätselhaft. Die Taz schaltet auf Moral, statt auf Ethik, was auch zweifelhaft ist. Die amazon Lager können besser gehandelt werden, wenn man die in die Höhe baut, dann spart man auch Mitarbeiter und Wege ein, das ist auch das Ziel, vollautomatisch, stattdessen wird mit Drohnen abgelenkt, das Ziel ist Vollautomatisierung. Als Drehscheibe zum Hersteller, der Zwischenhändler soll komplett fehlen, wer aber das will kann nach eigener Aussage zum Zwischenhändler gehen. Der Zwischenhändler soll nach amazon komplett fehlen. Amazon sieht sich als Service zwischen Hersteller und Kunde, das wird bei allem ziemlich unterschlagen.

  • Naja, allerdings macht man den Paketboten das Leben zu Weihnachten damit auch nicht unbedingt leichter. Deren Arbeitsbedingungen sollen ja nun auch nicht gerade die Besten sein.

  • Jammern auf hohem Niveau.

    Jedenfalls ist das Einstiegsgehalt für einen ungelernten Arbeiter bei 9,55€ (Ost), alles andere als niedrig. Da lachen wahrscheinlich andere Menschen im Verkauf, die weniger Verdienen und nach Ladenschluss unbezahlt weiter arbeiten müssen.

    • @ja.mo:

      Also dann nach dem Motto:

       

      "Du hast miese Arbeitsbedingungen, Stress, Überwachung, Unterdrückung und machst dich kaputt. Aber du kriegst 9,55€ die Stunde, also halt die Klappe."

       

      Super Einstellung.

    • @ja.mo:

      Und solange es irgendwo noch irgendjemand gibt, dem es noch schlechter geht, soll man ma schön die Füße still halten oder wie?

      • @LeSti:

        meine Frau als Putzfrau bekommt von ihrem Arbeitgeber 9,31, und die Putzerei dürfte körperlich schwerer sein, als Pakete packen, leider ist kein Amazon Betrieb bei uns in der Nähe !

  • gestern stand ein Auslieferer vor meiner Tür, abgehetzt und ein bischen regennass, ein Paket für den Nachbarn, hätte ich ihn wegschicken sollen,dann schleppt er das Paket zum anderen nachbarn und wenn der es nicht annimmt, muss der Fahrer halt nochmal kommen-Amazon intressiert das wenig, der die Plage hat, ist der Auslieferer, aber wie soll das einer verstehen, der zuhause sitzt wie dieser LINKE, ist schön link!