Die Rückkehr der Wölfe: Isegrims Imageproblem
Seit 15 Jahren leben die Tiere wieder in Deutschland. Kaum jemand bekommt sie zu sehen. Trotzdem herrscht vielerorts die „Angst vorm bösen Wolf“.
BERLIN taz | „Mehr als 15 Damhirsche gerissen“, „Wölfe verlieren ihre Scheu“: Liest man die Schlagzeilen der letzten Wochen, war das scheue Wildtier vor allem eines: der böse Wolf. Wie man ihn aus Mythen und Märchen kennt. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Projekts „Willkommen Wolf!“ will der Naturschutzbund Deutschland dieses Image verbessern.
Zwar ist der Nabu mit der Entwicklung der Wolfspopulation im letzten Jahr zufrieden: 35 Wolfsfamilien haben die Umweltämter deutschlandweit registriert, die meisten davon leben in Sachsen und Brandenburg. Noch im Jahr 2011 war die Zahl nicht einmal halb so hoch. Vor 15 Jahren kam der erste Wolf wieder nach Deutschland, nachdem er vor 150 Jahren ausgerottet worden war.
Weniger erfreut sind die Umweltschützer aber darüber, dass sich während dieser Abwesenheit das Bild vom bösen Wolf verfestigt hat. „Wir kennen den Wolf nicht mehr", sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. „Deswegen entsteht oft unbegründete Angst.“
Viele der Mythen, die das Wildtier umranken, das zu den großen Beutegreifern gehört, seien schlichtweg falsch: „Die Tiere haben eine natürliche Scheu“, sagt Nabu-Wolfsexperte Markus Bathen - vor Menschen, vor großen Tieren, vor Siedlungen. Dass immer wieder Schafherden angegriffen werden, stimme zwar. Schafszüchter müssten sich deshalb mit Abwehrmaßnahmen wie Wolfsgitter, Hunde oder auch Mischherden mit Eseln oder anderen großen Tieren befassen.
Doch letzlich machten Nutztiere gerade einmal 0,8 Prozent des Speiseplans des Wolfs aus. Zu dieser Zahl kam das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz, das zwischen 2001 und 2009 Wolfskot analysierte. „Häufig stellt sich heraus, dass ein Tier eines natürlichen Todes gestorben ist und erst danach ein Wildtier daran genagt hat“, so Bathen. Darüber werde aber seltener berichtet. Verständlich: Nur für von Wölfen gerissene Tiere kann man Schadenersatz geltend machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja