Die Raucher, die Bahn und Merz' Plan: Nicht mehr alles ganz so Tupper
Das Tupper Unternehmen ist insolvent, Merz wird CDU-Kanzlerkandidat, die Bahn will pünktlicher werden und die EU eine tabakfreie Generation.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Aussichten in Brandenburg.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Der Kater.
taz: Welche Beziehung hegen Sie zu Tupperware?
Küppersbusch: Tupperpartys sind im Zeitalter des Onlineshoppings natürlich ziemlich Henkelmann. Einkaufsfernsehen stirbt hinterher, und Pizzareste landen im Müll. Fertig. Es gibt keine Essensreste mehr, und Vorratshaltung heißt heute „Bald bin ich Plastikmüll“. Schöne Ironie, dass Tupper Plastik war, mit dem man Plastik hätte vermindern können. Nun ist Tupper insolvent, ein paar Wettbewerber freuen sich, und der Name des ehrwürdigen Erfinders Earl Silas Tupper überlebt. Eingetuppert.
taz: Sollten nach dem Vorschlag der EU-Kommission noch mehr rauchfreie Areale geschaffen werden?
Küppersbusch: Ja, noch ist umstritten, ob die verbleibenden Zonen „Helmut-Schmidt-Club“ heißen oder kommerzieller Paffpuff. Die „Entnormalisierung des Rauchens“ soll bis 2040 eine „tabakfreie Generation“ erzeugen. Mit anderen Worten: Die EU möchte sich mit 25 Prozent ihrer Einwohner anlegen. Ich liebe die stets eigens angesagten „fünf Minuten Aufenthalt in Hannover“, wo man mit Zugpersonal und wildfremden Passagieren notsolidarisiert kurz keine Luft holen kann. Das hat revolutionäres Potenzial: Wenn sich sonst schon kein Schwein traut, könnten die Rauchenden doch mal die Gerechtigkeitsfrage stellen. Noch isses nicht so weit, der Plan stammt von der alten EU-Kommission, neuer Gesundheitskommissar soll ein Orbán-Kumpel aus Ungarn werden. Man kann sich seine Verbündeten nicht aussuchen.
taz: Merz ist offiziell Kanzlerkandidat der Union. Entspricht das Ihrem Humor?
Küppersbusch: Merz war unter den Kandidaten der älteste, hat noch nie eine Wahl gewonnen oder irgendwas regiert. Er wirkt zugleich älter als Leute, die 20 Jahre dabei sind wie Scholz oder Habeck. Und jünger, ungelenker, weil er zwischen Staatsmannrhetorik und Stammtischglitsch ungeübt herumschlingert. Seine Trümpfe sind Autorität – erst recht, nachdem er sich nun durchgesetzt hat – und das Na-endlich-Gefühl heimatvertriebener Rechter aus der Merkel-Ära. Seine Schwäche ist, dass er von der AfD etwa bei Migration und Ressentiment mit bloßem Auge schwer zu unterscheiden ist. Vermutlich ist er der „wohlhabendste“ Kanzlerkandidat. Aber geiler Vorname.
taz: Nach dem Sanierungsprogramm sollen schon 2027 wieder 70 bis 80 Prozent der Bahnen pünktlich kommen. Nur noch gut 800-mal schlafen. Sind Sie schon aufgeregt?
Küppersbusch: Die Bahn, aber auch die Pflege, die Schülernachhilfe, der Wohnungsbau, viele andere Grundlagen der Gesellschaft sehen heute aus wie die Trümmerspur des religiösen Glaubenssatzes „Der Markt kann das besser“. Bei der Bahn genügte die Zwangsbulimie Richtung Börsengang, andere Felder sind ein kompletter Raub der Habgier. Und jetzt Überraschung: Als Lösung für das, was der „Markt“ da angerichtet hat, wird man uns spätestens mit der nächsten konservativen Regierung mitteilen: Der Markt kann das besser. Stellen wir uns noch mal in den Autobahnstau, solange die Autobahnen noch uns gehören.
taz: Die Regierung möchte ihr sicherheits- und klimapolitisches Engagement in der Arktis verstärken. Ein neuer kalter Krieg?
Küppersbusch: Es gibt acht direkte Arktisanrainer, sieben heißen nicht Russland. Damit ist die Geschichte auch schon erzählt, da kann man doch auch noch ein Konfliktthema draus machen. Bodenschätze, Schifffahrtsrouten, indigene Völker, Militärstandorte, Überflugsrechte – da ist für jeden etwas dabei. Karamell, Schokolade, Eis halt. Russlands Lawrow feuert schon mal ein paar Salven „Interessen“ ab, Baerbocks Außenministerium ballert „die veränderte Lage durch Russlands Krieg“ dagegen. Bald trägt die Arktis Militärhelm statt Polkappe. Ich würde an ihrer Stelle auch lieber schmelzen.
taz: Das Gesundheitsministerium sei nicht genügend auf eine Pandemie vorbereitet, bemängelt der Bundesrechnungshof. Ist die Kritik berechtigt?
Küppersbusch: War sie voriges Mal auch schon. Es geht um Intensivbetten, die entstehen oder verschwinden durch schlichte Behauptung. Intensiv an den Betten ist das Personal, und das wurde je nach Bedarf munter hin und her gerechnet. Denn eins ist sicher: Personal gibt’s zu wenig.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Englische Woche gegen Ingolstadt, Düsseldorf und Mannheim. Gegen Ingolstadt gab’s einen Punkt und zwei Tore, Pech für die Elf von Trainerin Wittmann. Hehe. Gemerkt? TrainerIN. Ja, normal. Fragen: Chantalle El Helou
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und Inhaber des Goldenen Fahrgastrechteformulars.
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