Die Kunst der Woche für Berlin: Schön im Schlaf
Was Malerei kann: Patrizio Di Massimo lässt seine (Wahl-)Familie schlummern, Bridget Riley bringt in ihren Wandarbeiten Farben und Formen zum Flirren.
U nter Schlafstörungen scheinen sie nicht zu leiden, die Protagonist*innen von Patrizio di Massimos neuen, bei ChertLüdde ausgestellten Gemälden der Ausstellung „Out Like a Light“. Selig schlummern sie vor sich hin, ungestört von der geschäftigen Welt des Tages. Die Abbildungen schlafender Menschen, Wesen, Gottheiten, die Welt des Schlafs und des Traums hat Künstler*innen zu allen Zeiten fasziniert. Für di Massimo ist es eine Methode, Nähe zu den Abgebildeten herzustellen und diese – es handelt sich allesamt um Personen aus seinem direkten Umfeld – durch ihre physischen Position und die sie umgebenden Objekte zu charakterisieren.
Die Tochter des Künstlers ist zu sehen, auf dem einzigen kleinformatigen Bild, mit Plüschhund Pancetta im Arm; er selbst und seine Partnerin, die voneinander abgewandt ein Bett teilen, friedlich vereint aber durch Decke und Kissen. Die Künstlerin Marianna Simnett, gekleidet in einem rosafarbenen, schimmernden Ganzkörperanzug, scheint sich in ihrem Studio inmitten vielerlei Materialien nur mal eben kurz aufs Ohr gelegt zu haben. Das Künstlerpaar Álvaro Urbano und Petrit Halilaj kuscheln auf dem Sofa mit einem jener Waschbärkostüme, die sie für Performances benutzen.
Patrizio di Massimo: Out Like a Light, ChertLüdde, bis 26. August, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Hauptstr. 18
Bridget Riley: Wall Works 1983–2023, Max Hetzler, bis 19. August, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 77–87
Di Massimo begann als multidisziplinär arbeitender Künstler, widmete sich zunächst Video, Fotografie und Performance, wechselte dann urplötzlich das Medium. Seit 2015 malt er, figurativ, vor allem Porträts in dem ihm eigenen, sowohl an barocke alte Meister wie an popkulturelle Fotografien erinnernden Stil. Wie Szenen aus Filmen wirken seine Bilder der Schlafenden – Fellini wird als große Inspiration di Massimos genannt – intim, aber etwas zu schön, etwas zu fantastisch komponiert für echte Momentaufnahmen. Sichtbar machen sie vielmehr den zarten, liebevollen Blick des Vaters, Lebenspartners und Freundes.
Im Gegenüber mit Bridget Riley
Eine ganz andere Art von Malerei ist derzeit in der Potsdamer Straße in der Galerie Max Hetzler zu sehen. Die neunte Einzelausstellung der 1931 geborenen britischen Künstlerin Bridget Riley füllt dort die Wände. Wortwörtlich. Insgesamt 13 Wandarbeiten sind ausgestellt, um die bisher umfassendste Retrospektive solcher Arbeiten der Künstlerin handle es sich, heißt es in der Pressemitteilung.
Gewaltig, umwerfend ist diese definitiv. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als das bei Rileys Leinwänden der Fall ist, muss man diese Wandarbeiten unbedingt in echt sehen. Abbildungen geben nur das Motiv und die Form der Bilder wieder, die noch dazu bei der teils riesigen Größe der Arbeiten, wenn man in Persona vor ihnen steht, kaum mehr erfasst werden können. Hin und her schauen muss man dafür, sich selbst, den eigenen Körper in Beziehung dazu setzen.
Vor allem aber setzt nur bei der physischen Gegenüberstellung mit Rileys Kunst jener Effekt ein, der diese so grandios macht: wie sie die Wahrnehmung austrickst, sich beim Betrachten in Bewegung setzt. Sie verschwimmt, flirrt und flimmert. Formen schieben sich je nach Farbe nach Vorne oder nach Hinten, so dass aus flachen Bildern, dreidimensionale Reliefe zu werden scheinen.
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