Die Krise von Borussia Dortmund: Der dunkelste Tag des Jahres
Dortmund verliert gegen Hertha BSC sein drittes Bundesliga-Heimspiel in Serie. Es fehlen offensive Ideen – und die gute alte Gier
DORTMUND taz | Ihre Gesichter waren ernst, einige der Dortmunder Spieler blickten beschämt zu Boden, als sie nach dem 1:2 gegen den Aufsteiger Hertha BSC Berlin am Samstag ein letztes Mal vor der Winterpause ihre Anhänger von der Südtribüne aufsuchten.
Irgendwo in der schwarz-gelben Wand hissten ein paar Leute ein Transparent auf dem „2013 Danke für viele Sternstunden“ zu lesen war, aber das war natürlich nur ein schwacher Trost in diesem Moment, der gewiss zu den schmerzlichsten zählte, seit die Dortmunder im Sommer 2010 ihren Höhenflug begannen. Denn Dortmund verliert nicht mehr nur einzelne Spiele, der Klub ist in eine ernste sportliche Krise geraten.
Es war die dritte Heimniederlage in Folge, gerade einmal vier Punkte holte Dortmund aus den jüngsten sechs Bundesligapartien. Vor allem aber war dieser 21. Dezember, der dunkelste Tag des Jahres, fußballerisch so finster wie kein anderer Dortmunder Auftritt der vergangenen Monate. „Ich bin nach langer, langer Zeit erstmals nicht einverstanden, mit der Art und Weise, wie wir aufgetreten sind“, sagte Sportdirektor Michael Zorc, die Mannschaft habe „leichtfertig zu wenig gemacht.“
Nach den anderen verlorenen Partien haderten die Dortmunder über die vielen vergebenen Chancen, diesmal hatten sie überhaupt keine. Das frühe 1:0 durch Marco Reus fiel nach einem schlimmen Fehler des erst 18-jährigen Berliner Ersatztorhüters Marius Gersbeck (7.), fünf Minuten danach vergab Robert Lewandowski noch eine passable Möglichkeit, in den über 80 Minuten, die dann folgten, gab es mal einen harmlosen Fernschuss, mal einen zaghaften Kopfball. Mehr nicht.
128 Kilometer gelaufen
„Die Zielstrebigkeit und die Bereitschaft, ein körperbetontes Spiel abzuliefern, sind bei uns auf der Strecke geblieben“, sagte Torwart Roman Weidenfeller. Umso erstaunlicher ist, dass die Mannschaft in dieser Partie sensationelle 128 Kilometer gelaufen ist, mehr als in allen anderen Bundesligaspielen dieser Hinrunde. Körperlich müde waren sie also nicht, „wir hatten ja noch nicht einmal eine englische Woche“, sagte auch Zorc. Es fehlen aktuell vielmehr Dinge wie ein starker Wille, Durchsetzungsfähigkeit und die gute alte Gier.
Das Kombinationsspiel durchs Mittelfeld wirkt unsicher, manchmal sogar hölzern, was natürlich auch damit zu tun hat, dass die Spieleröffner Neven Subotc und Mats Hummels fehlen. Und in der Reihe davor fallen mit Ilkay Gündogan und Sven Bender zwei weitere Leistungsträger aus.
Aber die Ausrede vom Verletzungspech mochten die Dortmunder nicht gelten lassen, obwohl zunächst Ersatzmann Eric Durm das 1:0 von Adrian Ramos mit einer missglückten Ballannahme vorbereitet hatte (23.) und später der erst 18-Jährige Marian Sarr den Ball am eigenen Strafraum verlor, woraufhin Sami Allagui zum 1:2 traf (45.).
Mit Hummels und Subotic wäre wohl keines dieser Gegentore gefallen. Zwar war der BVB auch mit den beiden Leistungsträgern schon in Rückstand geraten, hatte sich aber immer wieder mit viel Leidenschaft und Offensivkraft gegen drohende Punktverluste gewehrt. Am Samstag habe die Mannschaft hingegen „aufgehört Fußball zu spielen“, meinte Kapitän Sebastian Kehl. „Wir haben zu statisch gespielt und keine Lösungen gefunden.“
Offensive ohne Selbstvertrauen
Mittlerweile sind nämlich auch der Offensive, in der keine wichtigen Spieler verletzt sind, Esprit und Selbstvertrauen abhanden gekommen. Marco Reus und Robert Lewandowski agieren derzeit so harmlos wie seit vielen Monaten nicht, und Henrikh Mkhitaryan arbeitet zwar viel, aber mal spielt er zu früh ab, mal zu spät, mal entscheidet er sich für einen Schuss, wenn ein Mitspieler besser postiert war, mal spielt er ab, wenn er besser selbst hätte abschließen sollen.
In der Summe ergibt das einen fatalen Mangel an Effizienz. „Wir hatten Ballbesitz ohne Ende, aber keine zwingenden Chancen“, stellte Klopp ernüchtert fest. Selbst das Publikum, dessen Wucht das Team in der Vergangenheit in schweren Momenten immer wieder angetrieben hat, wirkt derzeit kraftlos. Als sei die ganze Sache langweilig geworden, jetzt, wo der FC Bayern uneinholbar davon geeilt ist
Diese Entwicklung ist gefährlich, denn „es ist sicher nicht so, dass Borussia Dortmund Artenschutz genießt, was die direkte Qualifikation zur Champions League betrifft“, sagte Kapitän Kehl. Im Moment gibt es nämlich diverse Klubs, die mindestens auf Augenhöhe mit dem BVB spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!