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Die Krise des CarsharingEin Stück Verkehrswende retten

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Um Carsharing zu retten, ist vergleichsweise wenig Geld erforderlich – für das es auch noch eine Gegenleistung gibt.

Üppige Auswahl beim Carsharing in Berlin Foto: Karsten Thielker

E in Drittel der Carsharing-Anbieter in Deutschland bangt um die Existenz, denn die Coronakrise macht vielen kleinen Firmen enorm zu schaffen. Kaum jemand leiht derzeit ein Auto für einen Besuch oder einen Ausflug. Dabei hat der Mini-Wirtschaftszweig gerade erst großen Aufwind gespürt, weil durch die Klimadebatte immer mehr Menschen klar geworden ist, dass es extrem unökologisch ist, ein eigenes Auto zu halten.

Auch wenn die Carsharing-Firmen mit einer zusammen bundesweit nur rund 25.000 Fahrzeuge großen Flotte im Vergleich zu mehr als 45 Millionen Autos in Deutschland nur ein Nischendasein führen – für die Verkehrswende ist ihre Bedeutung wegen ihres Potenzials groß. Denn wenn sich viele Menschen über eine Firma, einen Verein oder eine Genossenschaft Fahrzeuge teilen, gibt es mehr Platz in den Städten – und im Idealfall entfallen unnötige Fahrten.

Das Argument, dass mit Carsharing auch unnötige Fahrten provoziert werden, trifft vor allem auf Angebote zu, bei denen freie Mietautos mit dem Handy zu orten sind und nicht an bestimmten Stationen abgestellt werden müssen. Diese Angebote werden in Großstädten vor allem von Automobilherstellern betrieben, die damit GeschäftskundInnen bedienen und auch jene im Blick haben, die kein Auto besitzen, aber gelegentlich fahren wollen.

Es wäre fatal, wenn die Mietfirmen der ohnehin von der Politik unterstützten Autohersteller die Corona­krise überstehen würden, während die anderen, die sich ohne politische Förderung knapp behauptet haben, untergingen. Über die Unterstützung der Autoindustrie wird derzeit viel diskutiert, Forderungen nach einer Abwrackprämie wie nach der Finanzkrise werden immer lauter. Sollte die kommen, kann das für die Verkehrswende zum Fiasko werden. Um Carsharing und damit wenigstens ein klitzekleines Stück der Verkehrswende zu retten, ist vergleichsweise wenig Geld erforderlich, für das es auch noch eine Gegenleistung gibt. Jedenfalls, wenn man es so macht wie die Stadt Leipzig, die gerade ihr Kontingent an Leihautos aufgestockt hat.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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11 Kommentare

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  • Ich finde Carsharing bzw. Mietautos jetzt eigentlich gerade interessant, weil ich den öffentlichen Verkehr meide, so lange Busse und Bahnen mit geschlossenen Fenstern umherfahren.



    Allerdings kann man nicht einfach zum Anmelden in ein Carsharing-Büro gehen.

    Meinen ersten carsharing-Betrieber hatte ich verlassen, weil er eine Monatsgebühr eingeführt hatte, die sich für Wengfahrer nicht lohnte. Jetzt hat er wieder einen Tarif ohne Grundgebühr. Ein anderer (Multicity) hatte das Geschäft ersatzlos eingestellt.

    • @meerwind7:

      Die monatlichen Gebühren sind den Schnäppchenjägern natürlich immer ein Dorn im Auge. Aber überlege mal: 10 oder 20 EUR im Monat und dafür dauernd Zugriff auf ein Auto haben - das ist doch ein Deal. Für ein eigenes Auto musst Du mindestens 300 EUR im Monat hinlegen (ADAC-Berechnung) und Dich auch noch selbst drum kümmern.



      Der CarSharer hat Kosten, auch wenn Du nicht fährst - kein Wunder, dass er seinen Betrieb einstellt, wenn er so knapp kalkuliert.



      Übrigens: Es gibt keinen klassischen CarSharer, der das des Geldes wegen macht. Wer so eine Organisation gründet, tut das aus Idealismus und zahlt eine Menge selber drauf an Kapital und Arbeit.

  • Es ist fatal, von Verkehrswende zu sprechen. Der motorisierte Individualverkehr i s t "unökologisch". Unabhängig davon, ob man ein Auto besitzt, es teilt/leiht oder es mit E-Antrieb ausgestattet ist. Für das Carsharing sind, neben dem Auto selbst, noch zusätzliche Technologien (Smartphone etc.), also zusätzliche Ressourcen, Energie und Infrastrukturen (Büros/Verwaltung) erforderlich. Fürs gute Gewissen werden an zusätzliche Firmen Daten geliefert und Bewegungsprofile ermöglicht, wenn man mal als nicht Autobesitzer ins Grüne will.

    Nach dem Vorschlag eine "Öko-Abwrackprämie" (MP Weil) für die "darbende" Autoindustrie aufzulegen, kommen nun die Rufe zur Förderung des "ökologischen" Auto teilens. Was das mit "Verkehrswende" oder mit ökologischen Denken zu tun haben soll, erschließt sich wohl nur denjenigen, die ungern mit dem ÖPNV fahren oder keine Lust haben, sich für den ÖPNV in der Fläche einzusetzen.

    • @Drabiniok Dieter:

      Einerseits. Andererseits.

      Mittlerweile scheint festzustehen: bei vergleichbarer Motorleistung dürfte ein E-Auto (hier und jetzt) umweltfreundlicher fahren als ein konventionelles. Abhängig natürlich vom Strommix, der sich aber derzeit nur verbessern kann.

      Andererseits steht wohl auch fest: wollen wir unsere Haut retten, dann wird's *lange* nicht ausreichen, "einfach" alle konventionellen Autos durch E-Autos zu ersetzen (was ja bereits zur Schrumpfung der autoindustrie führen würde, oh Schreck).

      Auf der dritten Hand bin ich dafür, dass der Staat da unsere Steuergelder *nur* reinsteckt, wenn es zu einer Verbesserung für uns alle führt (z.B. also überdimensionierte E-Autos nicht subventioniert: nur solche die zu einer deutlichend Verkleinerung des statu quo führen, wenn überhaupt).

      Ich denke, wir kommen nicht ohne E-Auto aus. Ich denke aber auch, wir kommen nicht ohne eine gehörige Portion degrowth aus.

      E- und viel weniger.

      • @tomás zerolo:

        Dass was "festzustehen scheint" ist abhängig von einer Bedingung, die irgendwann (Kohleausstieg 2038?) erfüllt sein müsste. Das sind mir, mit Verlaub, zu viele Konjunktive, mit denen Milliardeninvestitionen und Subventionen für eine dauerhaft z u s ä t z l i c h e Antriebsart begründet werden. Ein degrowth oder eine "Verkehrswende" ist hier schon im Ansatz wenig realistisch, da Investoren primär dauerhaft Renditen sehen wollen.

        Realistisch ist, dass "Umsteiger" auf E-Mobilität ihre FZ nicht verschrotten lassen, sondern sie in Zahlung geben bzw. verkaufen, was weder die CO2 Emissionen (Klimaziele 2050) noch die benötigte Verkehrsfläche reduziert.

        Die Verdrängung der doppelt so großen Umweltschäden bei der Rohstoffgewinnung für die E-Mobilität (wie für fossile FZ), ist eine weitere Bedingung für das Argument der "Umweltfreundlichkeit". Da diese Schäden nicht bei uns entstehen, sehen wir gelassen darüber hinweg, es könnte unser Umweltgewissen trüben ;-) Vom nicht vorhandenen Recycling gänzlich zu schweigen, was aber absehbar ein weiteres z u s ä t z l i c h e s Wachstumsfeld werden wird. Wegen der Knappheiten und steigender Kosten.

        Mit kleineren, leichteren und leistungsschwächeren FZ könnte man "umweltfreundlicher" von A nach B kommen. Aber damit wären die Wertschöpfungsketten kürzer und die Attraktivität des Autofahrens wäre reduziert; ist also ein no go. Es könnten damit sogar Arbeitsplätze erhalten werden, die durch die E-Mobilität verloren gehen werden.

        PS: Abzuwarten bleibt, ob vielleicht die Corona Pandemie den Trend zu immer größeren, schweren SUV bricht. Es platzen im Moment nicht nur viele Illusionen, Träume und Autokredite. (Von den Billionen Kreditkartenschulden ganz zu schweigen.). Vielleicht wird die Krise genutzt, den ÖPNV auszubauen? Man darf ja mal träumen :-)

    • @Drabiniok Dieter:

      Ich gebe Dir oberflächlich recht: die einzige Autofahrt die ökologisch ist, ist die, die nicht stattfindet.



      Aber so funktioniert es bei uns leider nicht, denn wenn man plötzlich aus der gewohnten Mobilität ausgeschlossen wird, regt sich Widerstand. Also bietet das klassische CarSharing für die wenigen "notwendigen" Zwecke ein Auto für den nicht mehr Autobesitzer. (Man könnte auch sagen: ein Methadon-Programm für Benzinsüchtige ;-)



      Die Erfahrung zeigt auch: der frischgebackene CarSharer fährt immer weniger im Lauf der Zeit und reduziert seine Autonutzung schließlich so weit, dass er als Umsatzlieferant einen immer kleineren Anteil hat. Die CarSharing-Organisation ist also auf ein Wachstum der Nutzerzahlen angewiesen um immer weniger Fahrten pro Person zu schaffen.



      Martin Heinz



      CarSharing Pfaffenwinkel

      • @Martin Heinz:

        Sie bestätigen mit Ihrem Hinweis auf das notwendige Wachstum der Nutzerzahlen, dass das CarSharing in direkter Konkurrenz zum ÖPNV steht. Ist keine Neuigkeit, ist längst bekannt und wird genau so lange ignoriert.



        CarSharing ist der hippe/smarte/Denken second Teil des Problems, das lediglich ein zusätzliches Geschäftsfeld für den motorisierten Individualverkehr darstellt.

        Der Widerstand derjenigen, die seit Jahrzehnten von der Autonutzung ausgeschlossen sind (Kinder, Gebrechliche, Kranke...) oder die sich kein Auto leisten können/wollen, aber trotzdem die Belastungen (Flächenverlust, Emissionen, Kosten) ertragen und mitfinanzieren müssen, interessiert niemanden. Es ist (analog zu ihren "Benzinsüchtigen") keine zweckdienliche Lösung, Alkohlkranken über eine App selbst gebrannten Schnaps zur Verfügung zu stellen ;-).

        MfG

        • @Drabiniok Dieter:

          Bitte unterscheiden: Klassisches stationsgebundenes CarSharing [kCS] und die "neuen" Formen (Freefloater) [FF]



          Ersteres gibt es seit 1988 in Deutschland, zweiteres seit 2011 als "DriveNow" von BMW-Konzern.

          Der konzeptionelle Unterschied wird in der Presse und Politik vielfach verwischt. Hier nur einige Aspekte:

          kCS hat das fundamentale Ziel, den Bestand an Autos zu verringern und die Menschen zu verträglicheren Mobilitätsformen zu leiten. Dies gelingt auch: 1 kCS-Auto ersetzt bis zu 20 private Autos (www.carsharing.de).



          Das kCS-Auto dient den Nutzern für besondere Bedarfe: (Transporte, Urlaub, Gebiete ohne ÖPNV..), dadurch ist die Vorhaltung eines eigenen PKW nicht mehr notwendig, manchmal entfällt wenigstens das 2.-Auto.



          Dazu ist eine gewisse Nutzungshürde zu überwinden: Buchung, Abholung und Rückgabe an definiertem Ort, Zahlung in Zeitgebühr + km-Gebühr.. führen zu einer Verringerung der individuellen Kraftfahrten.



          Das kCS-System ist auch in kleineren Gemeinden existent, oft von uneigennützigen Vereinen getragen. Es gibt bedarfsgerechte Fahrzeugtypen, Planungssicherheit und ein Gefühl des Gemeinnutzens bei den Teilnehmern.



          kCS-Organisationen propagieren die Nutzung von FUß, Rad und ÖPNV, beteiligen sich an Umwelt-Aktionen (Parkingday) und sehen die Elektromobilität kritisch.

          FF ist nur in Ballungsräumen verfügbar, meist für Strecken, die auch mit ÖPNV zu machen wären und begünstigt durch den Zeit-Tarif eine schnelle Fahrt.

          Einige Untersuchungen (zuletzt „The Demystification of Car Sharing“ der Unternehmensberatung A.T. Kearney), die zum Ergebnis hatten, dass Carsharing nicht die Städte entlasten würde, haben diese Unterscheidung zwischen FF und kCS nicht gemacht und dadurch das CarSharing in der öffentlichen Wahrnehmung beschädigt.

          Ich denke, dass die Strategie "weg mit dem eigenen Auto, hin zum kCS" ein vertretbarer Zwischenschritt zu einer Gemeinwohl-Mobilität ist.

          • @Martin Heinz:

            ZUSTIMMUNG. Die Verkehrsendlastende Wirkung geht hauptsächlich vom Stationsbasierten CS aus. Bei NutzerInnen des von stationsbasiertem CS haben nur rund 100 Personen von 1000 ein eigenes Auto. Hier der Link zu Untersuchung: www.carsharing.de/...rsharing-varianten

            Das liegt u.a. daran, dass ich beim FF nicht die Sicherheit habe, ein Fahrzeug zu bekommen wenn ich es brauche (Buchung meist erst 20 min. vor Fahrtantritt). Entsprechend behalten dann die meisten ihr eigenes Auto. Beim stationsbasierten CS kann ich im Voraus Buchen und dadurch ein oder mehrere Autos des Haushalts ersetzten.

  • Vielen Dank, guter Beitrag. Bin auch in einem Carsharing-Verein und mache mir Sorgen.



    Eine Möglichkeit wäre z. B , dass es nur für Carsharing-Vereine Prämien für Elektroautos gäbe.

    • @Surfbosi:

      Deine Idee setzt voraus, dass E-Autos tatsächlich umweltfreundlich wären. Von den Zahlen zum Energieaufwand bei Produktion und Entsorgung von Auto, Batterie und Strom mal abgesehen: viele nutzen das E-Auto dafür, mit gutem Gewissen so weiter zu fahren wie bisher - und das noch mit mehr Beschleunigungspower unter der Haube (ich sehe das am erhöhten Reifenabrieb unseres E-Autos).



      Und, wie ich DRABINIOK DIETER oben schon erläutert habe, dient das klassische CarSharing dazu, den Autobestand insgesamt zu verringern. Ich behaupte: wenn wir tatsächlich 10-20 private Autos pro Teil-Auto ersetzen, könnten wir CSOs guten Gewissens auch einen alten stinkigen Diesel anbieten (tun wir aber nicht!).



      Martin Heinz



      CarSharing Pfaffenwinkel