Die EU und getötete Journalistin Galizia: Lieber weggeschaut
Die EU hat es lange versäumt, den Vorwürfen der Geldwäsche auf Malta nachzugehen. Der Tod der Journalistin Galizia könnte das nun ändern.
Auf Einladung des Europäischen Parlaments hatte sie im Frühjahr im Untersuchungsausschuss zum Panama-Geldwäscheskandal ausgesagt. Für Aufsehen sorgte vor allem ihr Vorwurf, dass eine in den sogenannten Panama Papers erwähnte Firma der Frau von Regierungschef Joseph Muscat gehöre.
Die Bloggerin habe mit ihren Enthüllungen „eine entscheidende Rolle bei der Aufdeckung schwerwiegender Vorwürfe zu Geldwäsche und Korruption in Malta, einschließlich Anschuldigungen gegen hochrangige Mitglieder der maltesischen Regierung“ gespielt, sagte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.
Ihr gewaltsamer Tod erinnere „an das Italien der 80er Jahre oder an das Russland unter Putin“, fügte er im Gespräch mit der taz hinzu. Europa habe „lange weggeguckt“, kritisiert Giegold, auch die EU-Kommission sei den Vorwürfen nicht nachgegangen.
Muscat mit breitem Grinsen
Dabei ist seit langem bekannt, dass Korruption und Geldwäsche in Malta ein großes Problem sind. Der kleine Inselstaat gilt als Steuerparadies, in dem auch deutsche Konzerne mit zahlreichen Briefkastenfirmen vertreten sind. Die Enthüllungen in den Panama Papers gaben den Vorwürfen eine neue, internationale Dimension.
Doch als sie ans Licht kamen, hatte Malta gerade den sechsmonatigen rotierenden EU-Vorsitz inne. In Brüssel hatte kaum jemand ein Interesse daran, Premier Muscat in dieser wichtigen Rolle zu stören. Rückendeckung bekam Muscat auch von den europäischen Sozialdemokraten, denen seine Partit Laburista (PL) selbst angehört.
Bei einer Anhörung im Europaparlament Mitte Juni, die die konservative EVP-Fraktion angesetzt hatte, wies Muscat alle Vorwürfe mit einem breiten Grinsen zurück. Die Vorwürfe gegen seine Frau seien erstunken und erlogen, behauptete er. Die Abgeordneten seien „Fake News“ aufgesessen, sagte er mit einem Seitenhieb auf Daphne Caruana Galizia.
Doch Konservative und Grüne ließen nicht locker. Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, fragte, warum Muscat einen Minister in seiner Regierung dulde, dessen Name in den Panama Papers auftaucht. Gemeint war Tourismusminister Konrad Mizzi. Er soll, genau wie Muscats Kabinettschef Keith Schembri, Offshore-Firmen in Panama gegründet haben.
Hoffnung aufs Hinschauen
Der grüne Finanzexperte Giegold verweist zudem auf geleakte Berichte der maltesischen „Financial Intelligence Analysis Unit“, in denen Schembri der Korruption beschuldigt werde. Die Polizei auf Malta habe jedoch keine Ermittlungen aufgenommen.
All das kocht nun wieder hoch – denn in ihrem letzten Blogpost vor ihrem Tod erhebt Daphne Caruana Galizia erneut schwere Vorwürfe gegen Schembri. „Der Gauner Schembri war heute vor Gericht und hat behauptet, kein Gauner zu sein“, so der Titel ihres letzten Eintrags. „Wo du auch hinschaust“, schloß der Text, „überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos.“
Immerhin gibt es nun die Hoffnung, dass die EU doch noch einmal genauer hinschaut. Parlamentspräsident Antonio Tajani, ein konservativer Italiener, würdigte Daphne Caruana Galizia als „tragisches Beispiel einer Journalistin, die ihr Leben geopfert hat, um die Wahrheit ans Licht zu bringen“.
Am Mittwoch will der Panama-Ausschuss des Parlaments über seinen Abschlussbericht abstimmen. Dann dürften auch die Vorwürfe gegen Malta und dessen Premier Muscat noch einmal zur Sprache kommen.
In der vorläufigen Endfassung des Panama-Berichts seien seine Änderungsanträge zu Malta allerdings nicht berücksichtigt worden, kritisiert Giegold. Die Mehrheit der Abgeordneten sei gegen ein „Naming and shaming“ – sie scheut sich offenbar, Roß und Reiter zu nennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“