Die EU und der Fall Skripal: Uneins und gespalten
Nach der Ausweisung russischer Diplomaten hat am Dienstag auch die Nato Sanktionen verhängt. Andere Länder weigern sich jedoch.
Tusk hatte am Montag am Rande eines Treffens mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Bulgarien angekündigt, dass jetzt ein Beschluss des EU-Gipfels vom Freitag umgesetzt werde. Da hatten die 28 EU-Staaten Russland für den Nervengiftangriff auf den Ex-Agenten Sergei Skripal und seine Tochter Julia im englischen Salisbury am 4. März verantwortlich gemacht und mögliche Sanktionen angekündigt. Allerdings beteiligten sich daran am Montag zunächst nur 14 EU-Staaten.
Tusk sprach also nicht für die gesamte EU, wie es sein Amt eigentlich vorschreibt – sondern nur für einen Teil, zunächst sogar nur für die Hälfte der Mitgliedstaaten. Zu den „Verweigerern“ gehörten nicht nur das neutrale und von Russland-freundlichen Rechten regierte Österreich. Auch Belgien zog nicht sofort mit, obwohl die EU und die Nato ihren Sitz in Brüssel haben.
Die EU wirkte uneins und gespalten – und versucht nun, die Reihen wieder zu schließen. Die „Verweigerer“ geraten unter Druck, ebenfalls russische Diplomaten auszuweisen. Einige Länder ziehen auch tatsächlich nach, allerdings eher symbolisch. So will Irland offenbar nur eine einzige Person ausweisen.
Denn die Aktion ist noch nicht vorbei. Tusk schloss „zusätzliche Maßnahmen“ ausdrücklich nicht aus. Allerdings dürften sie genau wie die Ausweisungen vom Montag auf Absprachen zwischen einzelnen Regierungen beruhen. Einen klaren EU-Beschluss für offizielle Sanktionen gibt es nämlich nicht. Mit ihrem Vorgehen gegen Russland setzen sich Tusk und die beteiligten EU-Staaten über die bisher gültigen Regeln der gemeinsamen Außenpolitik hinweg, die in wichtigen Fragen Einstimmigkeit vorsehen – oder zumindest eine qualifizierte Mehrheit.
Juncker in Außenseiter-Rolle
Dies führt auch zu Verwirrung in Brüssel. So wurde die eigentlich für die EU-Außenpolitik zuständige Außenbeauftragte Federica Mogherini, eine Gegnerin von Strafmaßnahmen gegen Russland, an den Rand gedrängt; sie schwieg am Dienstag zu den Vorgängen.
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerät in eine Außenseiterrolle. Anders als Tusk hatte Juncker vergangene Woche dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu dessen Wiederwahl gratuliert und sich für ein Ende der Eiszeit ausgesprochen. „Unser gemeinsames Ziel sollte die Wiederherstellung einer kooperativen paneuropäischen Sicherheitsordnung sein“, so Juncker in seinem Brief an Putin. Davon ist nun keine Rede mehr.
Am Montag hatten sich auch andere Länder wie Australien sowie die USA der konzertierten Aktion angeschlossen: Insgesamt 60 russische Diplomaten müssen binnen einer Woche die USA verlassen. Ein russisches Konsulat in Seattle wird geschlossen. Die USA weisen damit mehr russische Diplomaten aus als alle EU-Staaten außerhalb Großbritanniens zusammen.
US-Präsident Donald Trump stand zuletzt unter Kritik, weil auch er Putin telefonisch zur Wiederwahl gratuliert hatte. Zu den neuen Maßnahmen äußerte er sich nicht persönlich. Das führte in den Medien zu Spekulationen über eine politische Spaltung der US-Führung. Darüber frustriert äußerte sich Michael Anton, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, gegenüber der New York Times: „Egal was wir tun, immer heißt es, wir wären zu weich gegenüber Russland. Was sollen wir denn noch machen? Wir haben gerade eine Aktion von 22 Ländern koordiniert und 60 Russen rausgeschmissen.“
Auch die Nato beteiligt sich. „Ich habe heute die Akkreditierung von sieben Mitarbeitern der russischen Vertretung bei der Nato entzogen“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Brüssel.
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