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Die Brennelementefabrik und RosatomSoll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?

Der russische Konzern Rosatom will in die niedersächsische Nuklearanlage einsteigen. 11.000 Menschen haben Einwände. Ab Mittwoch werden sie erörtert.

Protest gegen Rosatom und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine Foto: picture alliance

Göttingen taz | Anfang Dezember 2021, weniger als drei Monate vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, reiste der Generaldirektor des staatlichen russischen Atomkonzerns, Alexei Lichatschow, nach Paris. Mit Verantwortlichen des französischen Nuklearmonopolisten Framatome unterzeichnete er am Rande eines internationalen Treffens der Atomwirtschaft eine „Langzeit-Kooperations-vereinbarung“. Rosatom und Framatome wollen enger zusammenarbeiten – unter anderem bei der Brennelemente-fertigung und bei Reaktor-Kontrollsystemen.

Das betrifft auch die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen, die von der Framatome-Tochter Advanced Nucelar Fuels (ANF) betrieben wird und vom deutschen Atomausstieg ausgenommen ist. Aktuell will das Unternehmen seine Produktpalette erweitern und künftig auch Reaktoren russischer respektive sowjetischer Bauart mit Brennstoff beliefern. Und dafür braucht es die Lizenz und das Know-how von Rosatom. Techniker aus Russland gingen schon vor Wochen in Lingen ein und aus und installierten in einem leerstehenden Möbellager Maschinen, um ihre deutschen Kollegen daran zu schulen.

Über die Erweiterung der Lingener Fabrik muss das niedersächsische Umweltministerium entscheiden. Es hat für den 20. November einen im Atomrecht festgeschriebenen Erörterungstermin in den Lingener Emslandhallen angesetzt. Dabei diskutieren die Genehmigungsbehörde, der Antragsteller ANF und Kritiker über rund 11.000 Einwendungen, die Bürger aus Lingen und von außerhalb gegen das Vorhaben erhoben haben. Je nach Verlauf, wird die Erörterung in den Folgetagen fortgesetzt.

In ihren Eingaben führen die Einwender vor allem sicherheitspolitische Argumente ins Feld. Der Einstieg von Rosatom in die Nuklearanlage biete Russland nahezu unvermeidlich Möglichkeiten zu Sabotage, Spionage und Desinformation – nicht nur in Lingen und Deutschland, sondern in allen Atomkraftwerken in Europa, die aus dem Emsland beliefert würden. Dank Rosatom verdiene Russland weiter an der europäischen Atomkraft, gewinne ungeachtet des Ukraine-Krieges strategisch an Einfluss und könne ganz nebenbei mögliche Sanktionen unterlaufen.

Abhängig vom Kreml

„Wir fürchten, dass Lingen letztlich zu einer Außenstelle der russischen Atomindustrie wird“, sagt Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEl – Atomkraftgegner im Emsland. Wer dem russischen Atomkonzern Rosatom Zugang zu Personal und Wissen verschaffe, mache sich langfristig abhängig vom Wohlwollen des Kreml.

Infolge der Kooperation werde es zudem eine wachsende Zahl an Urantransporten aus Russland geben. Energie-Unabhängigkeit, so Vent, „sieht anders aus“. Bettina Ackermann von der Anti-Atom-Organisation.ausgestrahlt geht davon aus, „dass das geplante Brennelement-Joint-Venture zwischen Framatome und Rosatom die innere und äußere Sicherheit Deutschlands gefährdet“. Warnungen der deutschen Geheimdienstchefs bestätigten diese Einschätzung.

Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen weist darauf hin, dass Rosatom „im Atombereich der geopolitische Arm des Kremls und sowohl im zivilen wie auch im militärischen Bereich aktiv“ sei. Zudem leite Rosatom in der Ukraine die Verwaltung des von Russland militärisch besetzten AKW Saporischschja.

Mit mehr als 250.000 Mitarbeitenden ist Rosatom eine Mischung aus Behörde und Staatskonzern. Das direkt dem Kreml unterstellte Konstrukt besteht aus etwa 300 einzelnen Unternehmen und bündelt den gesamten Nuklearsektor Russlands, vom Uranabbau über den AKW-Betrieb bis zu den Atomwaffen. Auch im internationalen Atomgeschäft zählt Rosatom zu den ganz großen Playern. Ende 2021 war jedes sechste AKW weltweit von Russland gebaut, mehr als die Hälfte davon stand in anderen Ländern. Von 20 aktuellen Neubauprojekten Rosatoms liegen sogar 17 außerhalb Russlands.

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7 Kommentare

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  • "... Der russische Konzern Rosatom will in die niedersächsische Nuklearanlage einsteigen ..." Finde den Fehler. Die wollen sich auch nach Westeuropa ausdehnen, etc. pp. ...



    Es ist eigentlich unfassbar, dass man überhaupt über das Thema reden muss. Warum werden nicht alle Mitarbeiter von russischen Staatskonzernen an der Einreise gehindert und warum redet keiner mit den Franzosen und fragt ob die noch richtig ticken?

  • Was für eine Groteske. Es darf ja wohl nicht wahr sein, dass jetzt noch die Russen hier ihre Atomsch**ße in Deutschland weitermachen. Es muss sofort Sanktionen geben, egal, ob Macron wegen Framatome dann heult oder schreit.

  • Wie kann so etwas in der aktuellen Lage zwischen Russland und er EU überhaupt ein Thema sein? Ich fasse es nicht.

  • Darauf kommt es wohl jetzt auch nicht mehr an.



    Zum Einen haben wir keine KKW mehr



    Zum Anderen hat Russland tiefe Einblicke in unsere Strom- Bahn- und Telekominfrastrukur weil die großen Softwarebuden viel nach Russland ausgelagert hatten.

  • Da sollte sich niemand mehr aufregen, wenn deutsche Unternehmen die Sanktionen gegen Russland umgehen, wenn es sogar von Ministerien selbst nicht beachtet wird. Was für eine Heuchelei!!! Zwar ist es noch nicht (ganz) so weit, doch allein schon die beschriebenen russischen Aktivitäten sind vollkommen unversrtändlich. Was steckt hinter diesem Drama? Profite? Ganz gewiß ist keine Ehrlichkeit, es ist charakterlos. Und so ganz nebenbei: wir wollen weg von der Nuklearnutzung, oder??

  • Lingen und Framatom in den Fängen von Putins atomarer Industrie.

  • Wiedereinmal ein Lücke in den Sanktionen gegen Russland nciht geschlossen. Rossatom wirtschaftet trotz Krieg für Russland in der EU weiter, macht Milliarden und finanziert damit den Krieg in der Ukraine. Unsere Abhängigkeit zu Russland im Bereich Atom bleibt erhalten und schwächt zu dem Frankreich. Auch hier zeigt sich wiederholt, wie kurzsichtig der fossile Energiebereich mit der Zukunft unserer Lebensgrundlage umgeht, und unsere Politiker sich von Lobbyisten führen lassen. Lang vorbereitetes und abgestimmtes Handeln in der Politik hinter der Bühne der Öffentlichkeit. Da kann es nur einen Aufruf an unsere Politiker in der gestarteten Bundestagswahl geben, macht endlich Schluss mit Eurer unser aller Zukunft zerstörenden Energiepolitik. Lasst uns aufbrechen in eine bessere Energiepolitik als Russland diese jemals denken konnte. Werden wir energetisch endlich unabhängig von fossilen Energielieferungen. Erst dann wird unser Strom unabwendbar günstig sein und unsere Wirtschaft eine prosperierende Zukunft erleben.