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Die Bahn im KlimacheckGrüne Streifen, keine grüne Firma

Die Deutsche Bahn präsentiert sich gern als besonders klimafreundliches Unternehmen. Dabei bleibt sie vielfach hinter ihrem Potenzial zurück.

Grüner Zierstreifen am Waggon eines ICEs am Berliner Hauptbahnhof signalisiert: 100% Ökostrom Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Plötzlich waren die Streifen grün. Die ursprünglich rote Farbe der Zierleisten an den ICEs unterstrich schließlich nicht die Botschaft, dass der Fernverkehr der Deutschen Bahn mit 100 Prozent Ökostrom fährt. Das zu betonen, wenigstens am ersten und letzten Waggon, war dem Staatskonzern aber wichtig. Dann also grün.

Das war 2019. Erst kürzlich, Mitte Juni, ist die Bahn mit einer neuen Klima-Botschaft an die Öffentlichkeit gegangen: Sie will 2040 klimaneutral werden, zehn Jahre früher als zuvor geplant. Das alte Ziel hätte allerdings auch schwerlich mit den neuen deutschen Klimazielen im Einklang gestanden. Denn im frisch reformierten Klimaschutzgesetz steht schließlich, dass ganz Deutschland bereits 2045 klimaneutral sein soll. Und die Bahn ist zu 100 Prozent in Staatsbesitz. „Nachhaltigkeit ist unser Markenkern“, sagte Unternehmenssprecher Achim Strauß zu den neuen Plänen.

Themenwoche Straßenkampf

Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima

Wie grün ist die Bahn heute? Die Werbung mit den 100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr ist zweischneidig: Praktisch fährt natürlich jeder Zug einfach mit dem Strom, der gerade im Bahnstromnetz ist. Und das ist nicht nur Ökostrom.

Wenn man rechnerisch dem gesamten Fernverkehr nur Ökostrom zuschreibt, dann werden eben die anderen Zugfahrten klimaschädlicher. Andererseits ist der Bahnstrom schon grüner als das öffentliche Stromnetz in Deutschland. Da kamen im vergangenen Jahr knapp über 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. Die Bahn liegt nach eigener Auskunft bei 61 Prozent.

Deutschlands größter Ökostromnutzer

Dass die Bahn, womit sie auch wirbt, Deutschlands größter Ökostromnutzer ist, hängt zudem auch damit zusammen, dass sie einfach insgesamt viel Strom benötigt. Pro Jahr verbraucht sie ungefähr zehn Terawattstunden. Das ist ein ordentlicher Anteil an den 544 Terawattstunden, die Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt genutzt hat.

Die Rolle als Großabnehmer auf dem Strommarkt führt nicht immer dazu, dass der Strom grüner wird. Dass in Deutschland mit Datteln 4 noch im vergangenen Jahr ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen ist, hängt wohl ziemlich direkt mit der Bahn zusammen. Die hatte sich nämlich in langfristigen Verträgen 2007 mehr als ein Drittel der Leistung gesichert.

Ohne diese Zusage ist fraglich, ob sich die Inbetriebnahme für Betreiber Uniper nach zahlreichen Pannen und Verzögerungen gelohnt hätte – bei steigenden CO2-Preisen im europäischen Emissionshandel und ausgerechnet in dem Jahr, in dem Deutschland den Kohleausstieg gesetzlich besiegelte.

„Vergleichbar mit der deutschen Fußballherrenmannschaft“

Perspektivisch wird die Stromleitung der Bahn mit Fortschreiten der Energiewende aber immer sauberer. Das gilt natürlich nicht für die Loks, die nach wie vor mit Diesel unterwegs sind – denn nur knapp über 61 Prozent des Bundesschienennetzes sind elektrifiziert, wie auch die Bahn-Fans der Organisation Allianz pro Schiene beklagen.

Die Bilanz des Verkehrsforschers Andreas Knie in Bezug auf den Klimaschutz bei der Bahn ist insgesamt gemischt. „Die Bahn hätte schon viel früher auf regenerative Energien umstellen können“, sagt er. Der Soziologe forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, kennt aber auch die Bahn gut von innen. Neben seiner Forschungstätigkeit war er von 2001 bis 2016 Bereichsleiter bei einer Bahn-Tochter.

„Der Anteil der Erneuerbaren ist daher zu gering und die Elektrifizierung überhaupt nicht vorangekommen“, kritisiert der Verkehrsexperte. „Die Bahn hat ihr Potential nicht ausgeschöpft, zu wenig Mut bewiesen und sich auf Lorbeeren ausgeruht: Die Deutsche Bahn AG ist daher vergleichbar mit der deutschen Fußballherrenmannschaft.“

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20 Kommentare

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  • Merke: bergab rollt auch ein SUV nahezu emissionsfrei! Das darf man doch feiern…

  • Lasst uns die Signale!



    Mein Imbiss heißt jetzt was mit Manufaktur, mein Einkauf ist verpackt in grüne Wiese, blauer Himmel und Schäfchenwolken, Greta segelt (!), wenn auch von Bug bis Heck auf Kunststoff. Auch wenn sie nicht vollumfänglich oder auch überhaupt nicht zutreffen: wir alle wollen und brauchen Signale, Symbole, Botschaften und Verheißung, allein schon zur Gewissensberuhigung und der Gewissheit wegen, auf dem richtigen Pfad, auf der richtigen Seite zu sein.

  • natürlich hätte mit besserer Planung, und ohne Privatisierung ein besseres Resultat erreicht werden können. Das Problem lag aber eher in der Autolastigen Politik der vergangenen Verkehrsminister, und den neoliberalistischen Vorgaben des politischen Umfelds. Da waren alle Parteien beteiligt (auch die Grünen)

  • Da es zu wenig regenerative Energie gibt und Ausbaupotenziale begrenzt sind, sollte die Geschwindigkeit der Hochgeschwindigkeitszüge abgesenkt werden und Fahrweisen entsprechend der Energieeffizienz angepasst werden. Und klar, sollte die Bahn Ökostrom von unabhängigen Ökostrom-Anbietern und aus möglichst neuen Anlagen beziehen und zum Ausbau beitragen.

    • @Uranus:

      Damit das Flugzeug einen größeren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn hat und gerade diejenigen, die zumindest einigermaßen klimabewusst reisen in ihrer Mobilität eingeschränkt werden?

      • @Ruediger:

        Flugreisen müssen meiner Ansicht nach mittels Kontingentierung oder Widerspiegelung tatsächlicher Kosten bei gleichzeitiger Anhebung niedriger Einkommen massiv reduziert werden. Sie dürfen keine Alternative zur Bahn sein. Insgesamt müsste geschaut werden, wo, wieviel Energie verbraucht wird und dem gegenüber gestellt werden, wieviel ökologisch verträglich an erneuerbaren Energien zugebaut werden kann. Deutschland verbraucht derzeit eine gigantische Menge an Energie. Liegt der regenerative Stromanteil zumindest bei 44 %, wird die wesentlich größere Energiemenge, der Primärenergiebedarf nur zu 14 % durch regenerative Energien gedeckt. In folgenden Berechnungen wird selbst bei hohen Anteilen von Solar- und Windenergie sowie von viel Biogas (Monokulturen!) und Importen ausgegangen. Das ist alles andere als ökologisch und verantwortlich. Siehe:



        "Erneuerbare Energien in Deutschland auf 100%? • Live-Vortrag



        100 % erneuerbare Energien in Deutschland: Schaffen wir das mit dem aktuellen Energieverbrauch? Im Vortrag von Christian Holler und Joachim Gaukel geht es um die mögliche Umsetzung auf dem Weg zur Energiewende in Deutschland und unserem Beitrag zu Klimaschutz. Solarenergie und Windkraft reichen beim aktuellen Stand nicht aus. Gibt es hier Alternativen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?"



        www.youtube.com/watch?v=XKc38KjTc_k

    • @Uranus:

      "sollte die Geschwindigkeit der Hochgeschwindigkeitszüge abgesenkt werden und Fahrweisen entsprechend der Energieeffizienz angepasst werden."

      MaW: die Bahn soll unattraktiver gemacht werden, damit sich mehr Kunden dann doch lieber einen Leihwagen nehmen?

      • @flip flop:

        Nein, Energieverbrauch und Energieerzeugung müssen ökologisch verträglich sein. Entsprechend müsste auch der Energiebedarf der Bahn gecheckt werden. Autofahren muss an sich m.E. für die meisten Szenarien, in denen es aus Bequemlichkeit verfolgt wird, unattraktiver gemacht werden, so dass Autos keine Option darstellen können. Zumal Leihwagen nichts an verstopften Straßen ändern - das tun Bahn, Fahrrad, ÖPNV usw..



        Ich schrieb im Kommentar drüber zu Rüdiger noch etwas mehr dazu und verlinkte einen Vortrag zum Hintergrund, auf den ich abziele ...

      • @flip flop:

        Mir fallen einige Verbindungen ein (speziell nach/von Frankfurt), bei denen auch Haustür zu Haustür derzeit die Bahn das Auto toppt, selbst wenn die Autobahn frei ist, teilweise aber nur knapp. Da die Bahn einzubremsen wäre extrem kontraproduktiv, da dann der Komfort an Start und Ziel mehr eine Rolle spielt.

        • @IjonTichy:

          wird das mobile internet in D. flächdeckend ausgebaut könnte Mann/Frau im Zug auch arbeiten oder einen Streaminganbieter nutzen.

          Die Fahrgeschwindigkeit ist denke ich seltener das Problem sonder eher das viele Strecken wegen der wenigen Schienen so lange Umwege machen müssen.

          Und Tempolimit 100 Autobahn sowie 70 Landstraße würde das auch schnell ausgleichen.

          Andere Länder machen es vor.

          • @Obscuritas:

            Ich hatte bewußt schon die schnellen Direktverbindungen angesprochen. Die Bahn muss nicht nur von Bahnhof zu Bahnhof schneller sein, sondern einen Zeitvorteil für die ÖPNV-Zubringer mit herausholen, um attraktiv zu sein. Wenn ich von der Haustür bis zum Frankfurter Hbf länger brauche als von dort nach Köln z.B., dann ist der Vorteil auf der Strecke schon fast verspielt. Wenn dann noch Umstiege auf der Strecke dazu kommen, ist das Auto selbst bei Tempo 100 schneller. So wie damals, als ich Sonntags zur Kaserne mit dem Zug ~9h gebraucht hätte - der Trabbi schaffte das in der Hälfte der Zeit (mit eingebautem Tempolimit).







            Dazu kommt, dass auch wenn durchgehend die Möglichkeit besteht, die Zeit produktiv zu nutzen, ein Laptop auf den Knien auf Dauer unbequem ist.

            Ja, natürlich ist das in Zielkonflikt. Schnelle Direktverbindungen sind energetisch teurer. Andererseits sind sie für die mentale Gesundheit angenehmer (Umsteigen ist Stress, warten auf die Ankunft auch), vom Komfort ganz zu schweigen.

        • @IjonTichy:

          Naja, ich denke, es macht Sinn bisherige Lebensweise und Gesellschaftsmodell zu hinterfragen und zu verändern:



          Arbeitszeit, Pendelaufwand, Miethöhen, Wohnungsgröße, Konsumgröße, Einkommens- und Vermögensverteilung usw..



          Warum häufig, lange und bei hoher Geschwindigkeit=hohem Energieverbrauch fahren/reisen?

          • @Uranus:

            Verbotsmentalität?



            Wenn ich ein-zweimal im Jahr Verwandte besuchen will, die zwischen 200 und 500km entfernt wohnen, sollte An- und Abreise nicht jeweils selbst einen Tag dauern. Soviel Freizeit zum Verschenken habe ich (noch) nicht. Beim Autofahren bremst schon der Geldbeutel mit - eine halbe Stunde Zeitgewinn ist mir keine 30€ und den höheren Stresslevel wert, dasselbe mit dem Sprinter für 10€ schon.

            Das vieles in der jetzigen Gesellschaft im Argen liegt und sich bestimmt besser machen lässt, stelle ich nicht in Frage. Aber man muss auch dabei Zielkonflikte sehen, statt sie mit der Brechstange zu bearbeiten. Gerade Wohnungsgröße und Pendelaufwand korreliert z.B. negativ: HO reduziert Pendeln, braucht aber Platz zu Hause. Und solange die Regeln ein abgeschlossenes Zimmer erfordern, um voll absetzbar zu sein, werde ich darauf achten, das auch zu haben (schont übrigens auch die Nerven aller).

          • @Uranus:

            Wow, was für ein lebensfremder Vorschlag...

            • @charly_paganini:

              Nun, ich denke, ein durchschnittlicher ökologischer Fußabdruck von 4,2 ha pro Kopf in Deutschand (je reicher desto größer, je ärmer desto kleiner), ein Lebensstil, der wenn von allen Menschen dieser Erde so wie die Deutschen gelebt würde, 2,9 Erden benötigte und Treibhausgasemissionen von 11,2 t CO2 pro Kopf in Deutschland (je reicher desto mehr, je ärmer desto weniger) sind lebensfremd.

  • Die Logik der Argumentation verstehe ich nicht ganz. Wie hoch der Anteil an erneuerbarer Energie insgesamt in Deutschland ist, hängt doch in erster Linie davon ab, wie viel Strom aus erneuerbaren Quellen produziert werden kann, und nicht davon wie viel abgenommen wird. Wenn es so ist, dass quasi extra für die Bahn ein Kohlekraftwerk benötigt wird, dann heißt das ja einfach, dass auf Produzentenseite nicht genug Kapazitäten da sind, erneuerbare Energien zur Verfügung zu stellen.



    Wenn dann der Bahn noch gleichzeitig vorgeworfen wird, viel Strom zu benötigen (ohne ein Wort darüber zu verlieren, was die Alternative wäre) und Strecken nicht ausreichend zu elektrifizierten, dann wird es wirklich absurd

    • @Ruediger:

      Es war nicht falsch, auch auf ein neues Kohlekraftwerk zu setzen. Die alten werden schließlich abgeschaltet, und eine Lösung für die Versorgungslücke bei Dunkelflaute ist nicht in Sicht. Wenn sowas dann auch noch einen Verkehrskollaps hervorruft, dann gute Nacht.

    • @Ruediger:

      Nein, hier war es andersrum: Die Bahn garantiert, dass sie mindestens 1/3 des in Datteln produzierten Stroms abnimmt - d.h. Sicherheit für den Kraftwerksbetreiber, auch längerfristig Strom verkaufen zu können. Die Bahn hätte auch andere Anbieter fragen können.

  • Mich würde mal interessieren, was die Klimabilanz eines ICE pro Nase und Kilometer im Vergleich zu einem althergebrachten D-Zug ist. Nicht alles was neuer ist und schick aussieht ist besser.

    Was hat sich getan bei der Fahrradmitnahme? Mir scheint nicht viel.

    Außerdem sind die Klimaanlagen im ICE notorisch zu kalt eingestellt. Ist doch Schwachsinn, in Sommer in einen Zug zu steigen und einen Pullover anziehen zu müssen. Ganz ohne Klimatisierung gehts wo nicht mehr aber wir müssen uns nicht auch noch in diesem Punkt amerikanisieren, wo in den USA entweder geheizt oder gekühlt wird.

    • @jox:

      es tut sich was..

      Im Fernverkehr will die bahn bis 2025 60% der Züge mit einem Stellplatz ausstatten.

      Das heißt aber auch selbst in 5 Jahren hat rund die hälfte der Fernzüge immer noch keinen.

      Aber es tut sich was.

      Ich dachte übrigens es liegt da dran das ich so eine Frostbeule bin, aber gut das nicht nur ich mich im ICE immer wie in einer Kühltruhe fühlt.