Die AfD nach dem Landesparteitag: Mit allen Mitteln an die Macht

Seit Anfang November steht Beatrix von Storch nicht mehr an der Spitze der Berliner AfD. Die Ultrakonservative strebt nach höheren Ämtern.

AfD-Parteitag, Berlin, 4. November 2017: von Storch meldet sich immer mal gern auf ein Wort Foto: Christian Thiel

Berlin taz | Genervt aussehen: Beatrix von Storch kann es in Perfektion. Seit Stunden zieht sie auf diesem Parteitag ein Gesicht, als wäre alles, was um sie herum passiert, das Allerletzte. Genervt blickt sie auf den Redner, der nicht zum Punkt kommen will, genervt schaut sie auf ihr Handy, genervt verdrückt sie noch schnell ein Brötchen, bevor ihre eigene Wahl ansteht.

Klar, es gibt Gründe für die frischgebackene Bundestagsabgeordnete, an diesem Wochenende in der Zitadelle Spandau genervt zu sein: Die Mitglieder des Landesverbands votieren gegen die Weiterführung der bisherigen Doppelspitze. Künftig wird Georg Pazderski die Partei alleine führen, statt Co-Chefin ist Beatrix von Storch jetzt nur noch eine von drei StellvertreterInnen. In diesem Zusammenhang wird auch Kritik an der ultrakonservativen Politikerin deutlich: Von Storch tanze auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig, hieß es, die Führung des Landesverbands sei ihr nicht wichtig genug.

Eine Kritik, die nicht von ungefähr kommt. Denn der genervte Blick von Beatrix von Storch hat nicht nur mit den konkreten Ereignissen zu tun: Man sieht ihr auf jedem Landesparteitag an, dass sie eigentlich gerne ganz woanders wäre. Die vielen konfusen Reden von Mitgliedern der Basis, langwierige Abstimmungsprozesse, immer wieder organisatorische Pannen: All das scheint sie, mit ihrer äußerst zielstrebigen, zackigen Art, merklich zu quälen.

Ein plötzliches Aufblühen kann man erleben, wenn es darum geht, ein rhetorisches Gefecht auszutragen: Versucht ihr jemand blöd zu kommen oder wird sie mit einer spitzfindigen Bemerkung unterbrochen – dann läuft Beatrix von Storch zur Höchstform auf. Sie ist, das muss man sagen, schlagfertiger als alle Männer auf diesem Parteitag zusammen. Eiskalt werden Kritiker düpiert, scharfzüngig Einwände abgeschmettert.

An der Basis nicht interessiert

Das bringt ihr parteiintern Bewunderung ein, aber auch Kritik. Zu arrogant sei sie, heißt es hinter vorgehaltener Hand, überhaupt nicht an dem interessiert, was die Basis bewegt.

Protest reißt nicht ab In Berlin kümmern sich weiterhin gleich mehrere Gruppen und Bündnisse um den Protest gegen die Rechtspopulisten, etwa das Berliner Bündnis gegen Rechts oder das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus.

Next Stop Hannover Der nächste große Protesttermin findet allerdings nicht in Berlin statt: Wenn die AfD am ersten Dezemberwochenende in Hannover zum Bundesparteitag zusammenkommt, soll das von Protesten begleitet werden. Auch aus Berlin sind bereits mehrere Busse mit DemonstrantInnen angekündigt.

Kritik im Parlament Auch im Abgeordnetenhaus gibt es immer wieder Appelle gegen die Normalisierung der Partei. Kritik gab es in diesem Zusammenhang vor allem im letzten März, als CDU und FDP gemeinsam mit der AfD einen Antrag einbrachten. Ein bis dahin bundesweit einmaliger Vorgang, der auch in Berlin bislang ein Einzelfall blieb. (mgu)

Dazu passt, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sie sich in Berlin an die Macht gebracht hat: Als die Kritik an dem eher liberal ausgerichteten und vor allem wenig präsenten vorherigen Landeschef Günter Brinker vor zwei Jahren immer lauter ertönte, wurde hinter den Kulissen an seinem Sturz gearbeitet – und an der Installation von von Storch und Pazderski als neuer Führung.

Dafür arbeiteten Berliner Angehörige des nationalkonservativen Flügels mit der Bundespartei zusammen und machten zunächst monatelang Stimmung gegen den Vorsitzenden. Dass dafür Geld aus der Bundeskasse der Partei floss, gilt als äußerst wahrscheinlich.

Doch mit politischer Einflussnahme allein war es nicht getan: Auf dem entscheidenden Parteitag im Januar 2016 wurde außerdem massiv manipuliert. Die Liste der Beschwerden, die Parteimitglieder im Anschluss erhoben, ist lang: In den Wahlurnen sollen bereits vor der Abstimmung Stimmzettel gelegen haben. Es wurde nicht kontrolliert, dass nur stimmberechtigte Mitglieder abstimmen. Und mehrere Parteimitglieder hätten versucht, mehrere Zettel in die Urnen zu stecken. In mindestens einem Fall ist nachweisbar, dass es sich dabei um einen Angehörigen des Kreises um Pazderski und von Storch handelte.

Zeit gewinnen

Die beiden Landesvorsitzenden verschleppten die Affäre monatelang. Schon vier Wochen nach der Wahl wurden von dem beauftragten Notar erhebliche Mängel festgestellt – von Storch und Pazderski spielten das gegenüber den Mitgliedern als „übliche Wahlfehler“ herunter. Dann behinderten sie die Arbeit der parteiinternen Schiedsgerichte, indem sie dessen Aufforderungen zur Mitarbeit wochenlang nicht nachkamen, die Vorwürfe trotz erdrückender Beweislast pauschal abstritten und Befangenheitsanträge gegen die zuständigen Richter stellten.

Um Zeit zu gewinnen, gingen sie gegen das Urteil des Landesschiedsgerichts in Revision – in diesem Juli entschied das Bundesschiedsgericht der Partei schließlich endgültig, die Wahl müsse wiederholt werden.

Auch dieser Termin wurde verzögert. So konnte von Storch sich in Ruhe das Bundestagsmandat sichern, bevor die Berliner Affäre erneut thematisiert werden musste. Dass sie nun den Landesvorsitz verloren hat, dürfte sie nicht allzu stark treffen – mittlerweile ist sie im Vorstand der Bundestagsfraktion, für die innere Einheit der zerstrittenen Partei wird ihr eine wichtige Rolle zugeschrieben.

Die Berliner Affäre zeigt: Von Storch, deren Lobbyverein Zivile Koalition schon mehrmals wegen der Veruntreuung von Spendengeldern in der Kritik stand, steht wie kaum ein anderer in der AfD für den eklatanten Gegensatz zwischen dem Wahrheitsanspruch, den die Partei nach außen propagiert, und den internen Machenschaften. Wirklich geschadet hat ihr das bislang nicht.

Teil eines Schwerpunktes über die Berliner AfD aus der Printausgabe der taz.Berlin vom Wochenende, 11./12.11.2017

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