Die ARD checkt sich selbst: Alles Show
Lutz Marmor und Tom Buhrow stellen sich den Fragen der Beitragszahler – mit Warm up, grellem Licht, Auftritten von Stars und viel Beifall.
Jedem, der nochmal auf Toilette muss, gibt Norman noch einen Spruch mit: Von „Grüß schon!“ bis zu „Was Sie nicht wissen, wir haben auch aufm Klo Kameras installiert“. Es ist viertel von neun am Montagabend. Gleich beginnt im Cruise Center Altona der „ARD Check“. Dann könne niemand mehr austreten, warnt Norman. Er soll das Publikum in Stimmung bringen. Das gehört dazu, wenn die ARD sich den kritischen Fragen der Beitragssteller in einer Liveshow stellen will. Eine Fernsehshow unterliegt halt den Fernsehshowmechanismen: Warm up, grelles Licht, Auftritte von Stars (Anne Will, Matthias Opdenhövel), viel klatschen, „nicht das Radiogesicht aufsetzen“ (Norman) und nicht zufällig ganz vorne sitzende junge Menschen.
17,50 Euro zahlt jeder Haushalt Monat für Monat für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Mehr als zwei Drittel davon gehen an die ARD – und jetzt sollen sich ARD-Chef und NDR-Intendant Lutz Marmor sowie WDR-Intendant Tom Buhrow mal rechtfertigen, wofür sie das ausgeben und wie glaubwürdig die ARD eigentlich ist. 1000 Fragen seien vorab eingereicht worden, erzählt Moderatorin Sandra Maischberger. 150 Fragende wurden eingeladen in die 360-Grad-Arena.
Die Fragen reichen vom Kleinen (Warum kein „Wunschkonzert“ mehr in der ARD?) bis zu den großen Systemfragen (Zwangsgebühr?). Es geht um die Anzeige von Interpreten und Titeln im Radiotext (macht der WDR nicht, „aus Sicherheitsgründen“ im Auto, wie Buhrow sagt), um Einflussnahme auf Korrespondenten (Gibt es nicht, sagt Buhrow) und warum es die ARD nicht hinbekomme, starke Serien nach amerikanischem, skandinavischem oder britischem Vorbild zu produzieren.
Marmor verweist dann auf „Weissensee“, auf die bald startende Miniserie „Die Stadt und die Macht“ und auf die ARD-Sky-Koproduktion „Babylon Berlin“. „Ich habe gehört, Babylon Berlin wackelt“, hakt Buhrow ein. Und lacht. Ihm gefällt das Format. Er geht auf die Fragesteller zu, gestikuliert. Er hat das Moderieren gelernt. Marmor hat Betriebswirtschaftslehre studiert. So sehen seine Bewegungen auch aus.
Zwischendurch darf der Medienjournalist Hans Hoff den ARD-Chef grillen. Das Studio wird dafür in rotes Licht getüncht. Es wird bedrohlich für Marmor, soll das wohl suggerieren. Wird es aber nicht. Dafür ist das Zeitfenster, das Hoff bekommt, viel zu kurz.
Sabine Postel glänzt
Viel härter wird es, als Schauspielerin Sabine Postel offensive mehr Geld für den „Tatort“ fordert. Marmor: „Das Geld ist bei uns knapp.“ Deswegen habe die ARD ja nun mehr Bedarf ab 2017 angemeldet, aber die Bäume würden auch dann nicht in den Himmel wachsen. Postel reicht das nicht. So könnten keine jungen Zuschauer zurückgewonnen werden, und was das angehe, „ist es nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach“.
Sie glänzt, weil ihr – im Gegensatz zu den meisten anderen – Nachfragen gestattet werden. Doch wenn man nicht nachfragen darf, stehen am Ende immer die Sätze der Antwortenden im Raum. Das ist die Krux eines solchen Townhall-Formats, es wirkt halt schnell wie eine große Rechtfertigungsgala.
Norman beklatscht dennoch fleißig jede Frage. Er kann sehr laut klatschen. Dann klatschen alle mit. Je kritischer, desto mehr Applaus. So will es Norman, so will es die ARD.
Nach der Show kommt ein Zuschauer zu Norman: „Ich muss mal sagen, Du hast das ganz toll gemacht.“ Dann kommt eine Frau: „Sie haben mich super motiviert.“ Dann noch jemand, „Sie machen ja tolle Sachen“, dann noch jemand, „sehr schön gemacht“, dann noch jemand, „toller Anzug“. Immerhin Norman dürfte an diesem Abend in Hamburg ordentlich Pluspunkte gesammelt haben.
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