Deutschlandtag der Jungen Union: Aufarbeitung, erster Versuch
Die Generalsekretäre von CDU und CSU stellen sich der Kritik. Während Ziemiak abwiegelt, tropft an Blume alles ab. Das zeigt, wie tief der Spalt ist.
„Ihr beide“, schimpft Winkel weiter, „habt es zu verantworten, dass in diesem Bundestagswahlkampf die Jusos und Olaf Scholz geschlossener waren als die CDU und die CSU. Das ist eine absolute Frechheit.“ Da klatschen die Delegierten im Saal begeistert, die ohnehin auf der Barrikade sind. Nicht nur weil die Union aus ihrer Sicht auf den falschen Kandidaten setzte, noch allerlei andere Fehler machte und am Ende bei der Bundestagswahl ein desaströses Ergebnis einfuhr. Sondern auch, weil CSU-Chef Markus Söder sein Kommen an diesem Wochenende kurzfristig cancelte und sich damit der Auseinandersetzung mit dem Parteiennachwuchs entzog. Und viele im Saal aber der Ansicht sind, dass die Seitenhiebe aus München gehörigen Anteil am Wahlausgang haben.
Den Ärger der Jungen Union darüber bekommt nun vor allem CSU-Generalsekretär Markus Blume zu spüren – der aber alles an sich abtropfen lässt. „Welche Bedeutung hat die Parteikonferenz in Bayern, dass sie Markus Söder nicht ermöglicht hierher zu kommen?“, will etwa einer der Delegierten aus Nordrhein-Westfalen wissen. „Offensichtlich eine große, sonst wäre er da.“, entgegnet Blume kühl. Und fügt hinzu, Söder habe sich doch der Jungen Union gestellt: der in Bayern.
Keinen Millimeter kommt der Mann dem aufgebrachten Parteinachwuchs entgegen; nicht das kleinste Eingeständnis, dass das Verhalten des CSU-Chefs problematisch gewesen sein könnte, ist von Blume zu vernehmen. Da kann sich die JU noch so sehr abmühen. Hatten noch so viele Redner:innen im Laufe des Treffens betont, wie wichtig die Geschlossenheit zwischen CDU und CSU und wie gefährlich das Zerwürfnis sei, Blume trägt hier wenig dazu bei, den Konflikt zu besänftigen. Applaus bekommt der CSU-Mann dann auch nur von der Jungen Union aus Bayern. Das zeigt, wie tief der Riss ist, der sich zwischen den Schwesterparteien aufgetan hat. Da können Ziemiak und Blume ihre persönliche Zusammenarbeit etwa beim Wahlprogramm noch so sehr loben.
Ganz anders als Blume geht CDU-Generalsekretär Ziemiak vor, der bis 2019 selbst Vorsitzender der Jungen Union war und den das Wahldebakel den Job kosten dürfte. Ziemiak sagt gleich zu Beginn, dass nicht nur Laschet Verantwortung für den Wahlausgang trage, sondern auch er als Generalsekretär. Der CDU-Vorsitzende hatte am Morgen in einem sehr selbstkritischen Auftritt die gesamte Verantwortung übernommen. Auch an Ziemiak ist die Kritik groß. Uninspirierte Plakate, unspezifische Botschaften, dazu Terminabsprachen mit der CDU-Zentrale, die nicht eingehalten wurden, und natürlich der falsche Kandidat, all das wird Ziemiak vorgeworfen.
„Zu beliebig im Inhalt“
Dann tritt ein Delegierter aus Nordrhein-Wesfalen ans Mikrofon, ein Typ in rosafarbenem Kapuzenpulli, der offensichtlich in Rage ist. „Wir sind in unserem Inhalt einfach viel zu beliebig geworden“, sagt er und verweist auf den Wahl-o-mat, den hunderttausende Menschen machten. Doch die Union habe bei vielen Fragen neutral angekreuzt. „Wir haben keine Position zum Mindestlohn. Keine Position bei konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Keine Position zu so vielen Fragen“, beginnt er und liest dann Frage für Frage vor. Und immer ruft er: „Die Union: keine Position“.
Seine Stimme überschlägt sich da fast und der Saal tobt. „Wie kann das sein?“ ruft er den Generalsekretären zu. „Es gibt Fragen, die sind komplizierter als Ja-Nein“, versucht Ziemiak abzuwiegeln..„Es gibt manchmal auch richtige Antworten und falsche Fragen“, sagt Blume. Doch da fährt JU-Chef Tilman Kuban dazwischen: „Manchmal ist es auch schön, wenn wir klare Antworten haben.“
Kurz bevor die beiden Genralsekretäre die Bühne betreten, hat die Junge Union bereits eine Wahlanalyse verabschiedet, die auch nicht gerade zimperlich ist. Laschet, heißt es darin, „konnte als Kandidat die Menschen nicht so erreichen, wie es von vielen erhofft wurde“. Doch die JU lädt die Schuld nicht allein bei dem gescheiterten Kanzlerkandidaten ab. „Eine solche Kandidatur ist aber keine One-Man-Show. Weder im Sieg noch in der Niederlage“, heißt es in dem Papier. Die Parteispitze, Söder, das Konrad-Adenauer-Haus – die Kritik der JU ist breit gestreut.
Versöhnliche Worte zum Schluss
Einer der weitreichendsten Fehler sei gewesen, den Kanzlerkandidaten zu spät und ohne Beteiligung der Basis zu benennen. Als Konsequenz fordert die JU nun eine Mitgliederbefragung in Sachen Parteivorsitz für den Fall, dass es mehrere Kandidaten geben sollte. Auch will sie einen „Unionsrat“ mit Mitgliedern aus CDU und CSU einführen, der künftig unter anderem das Verfahren klären soll, wie der Kanzlerkandidat bestimmt wird.
Weit über eine Stunde dauert die Auseinandersetzung mit den Generalsekretären. Am Ende schlägt Johannes Winkel, der JU-Chef aus NRW, dann doch noch einen versöhnlichen Ton an. Als sich die beiden Generalsekretäre auf die Stufe zur Bühne setzen und die weißen JU-Sneaker mit den Deutschland-Farben an der Seite anziehen, die ihnen Kuban zum Dank für ihr Kommen überreicht hat, sagt Winkel: „Wir gehen mit den gleichen Schuhen in die gleiche Richtung.“ Das sei immerhin ein schönes Symbol.
An diesem Sonntag wird der Deutschlandtag fortsetzt, dann wird unter anderem Ralph Brinkhaus, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, ein Grußwort sprechen. Zur Fraktion gehören, wie auch zur Jungen Union, beide Schwesterparteien. Brinkhaus' Auftritt könnte ein weiterer Schaulauf werden. Wie Friedrich Merz, Jens Spahn und Carsten Linnemann, die alle bereits gesprochen haben, werden auch Brinkhaus mögliche Ambitionen auf den Parteivorsitz nachgesagt. Das gilt im übrigen auch für Norbert Röttgen. Der saß am Samstag unter den Delegierten des Deutschlandtages. Eine Einladung zur Rede hatte er nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten