Deutschlands koloniales Erbe: Depot der Knochen

Die Bundesregierung will tausende Gebeine aus der Kolonialzeit loswerden. Wohin die menschlichen Überreste gehen sollen ist bisher unklar.

Rückgabe von Gebeinen aus der Sammlung der Charité an Namibia 2011 Bild: dpa

BERLIN taz | Die Knochen von rund zehntausend Menschen lagern bis heute in einem Depot in Berlin-Friedrichshagen. Einige davon wurden während der Kolonialzeit zum Zwecke der Forschung nach Deutschland gebracht. Sie befinden sich derzeit in Obhut der Staatlichen Museen zu Berlin.

Diese wiederum unterstehen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und somit der Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters – also der Bundesregierung. Die Stiftung möchte die Gebeine jetzt gern abgeben, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Wohin, lässt sie bisher aber offen.

„Offenbar will sich die Bundesregierung der Gebeine entledigen“, sagt der Tansanier Mnyaka Sururu Mboro, Vorstandsmitglied des Vereins „Berlin Postkolonial“. Zusammen mit weiteren NGOs fordert er, die Gebeine an die Herkunftsländer zurückzugeben, wie es die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker von 2007 und der Ethik-Code für Museen von 2004 verlangen.

Mit einem neuen Verwalter, argwöhnen sie, werde es noch weniger Transparenz geben. Schon jetzt habe man von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz trotz mehrfacher Anfragen keine Auskunft über die Sammlungsbestände erhalten, so Sururu: „Im schlimmsten Falle gehen die Sammlungen an eine private Institution“, fürchtet er.

Die menschlichen Überreste stammen aus verschiedenen Sammlungen

Das hatte die Bundesregierung zuletzt zwar ausgeschlossen. Doch weder Charité noch Stiftung wollten sich am Montag gegenüber der taz zu den weiteren Plänen äußern.

Die menschlichen Überreste stammen aus verschiedenen Sammlungen. Rund 6.000 Knochen lagerten im ehemaligen Völkerkundemuseum, wurden 2004 vom Medizinhistorischen Museum der Charité übernommen und zusammen mit der Sammlung der „Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ bis 2011 aufbewahrt.

Die Charité behielt die Gebeine von rund 250 Menschen, für die es konkrete Rückgabeforderungen aus Namibia, Australien und Neuseeland gab. Die anderen kamen ins Depot der Staatlichen Museen zu Berlin in Friedrichshagen, aber dort sollen sie nicht bleiben.

Es werde nach „einer Lösung gesucht, die eine angemessene Unterbringung und fachwissenschaftlich nötige Erforschung und Betreuung garantiert“, antwortete das Auswärtige Amt der Linkspartei.

Die Gebeine stammen zum Teil aus den Massakern an Herero

In einem Brief des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, der der taz vorliegt, heißt es weiter: „Dies kann nur von einer Einrichtung geleitet werden, die neben archäologischer und ethnologischer vor allem eine hohe anthropologische Kompetenz aufweist.“

Erst Anfang März hat die Charité dem Nationalmuseum in Namibia die Gebeine von 21 Menschen übergeben. Fünf dieser Menschen starben bei den Massakern deutscher Truppen an Angehörigen des Herero-Volkes, die zwischen 1904 und 1908 in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika – der heutigen Republik Namibia – begangen wurden.

„Die meisten Objekte sind beschriftet“, sagt Andreas Winkelmann vom „Human Remains Project“ der Charité, das die Gebeine von rund 250 Menschen untersuchte und ihre Rückführung mit in die Wege leitete. Trotzdem brauchte es für diese Arbeit drei Jahre, zwei Experten waren im Einsatz: ein Anthropologe, der die Skelette auf Alter, Geschlecht und Krankheiten untersuchte, und ein Historiker, der – etwa in Archiven – nach weiteren Informationen zu den Gebeinen suchte.

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