Deutschlandfahne und Patriotismus: Der Hund unter den Fanartikeln
„Der will nur spielen“, sagen Hundemenschen oft. Wer die Tiere nicht mag, versteht diese Aussage als Ignoranz. So ist es auch bei Flaggen-Patriotismus.
Es gibt diese Begegnung immer wieder. Ja, sie gehört quasi zum nationalen Alltag der Bundesrepublik. Da spaziert ein Mensch mit Hund durch den Park oder über die Straße, das Tier ist an der Leine oder auch nicht. Dann kommt ein anderer Mensch, alleine, jung oder alt, manchmal mit Kindern an der Hand und zuckt ein wenig. Geht zur Seite. Zum Selbstschutz.
Sofort sagt der Mensch mit dem Hund immer diesen einen Satz: „Keine Angst, der will nur spielen.“ Er ist freundlich gemeint. Sicherheitsspendend. Und doch kann und wird er von der anderen Seite nur auf eine Art gelesen: als Ausdruck kompletter Ignoranz. Weil sich Hundebesitzer:innen offenbar einfach nicht vorstellen können oder wollen, dass Nichthundebesitzer Hunde nicht mögen. Einfach so. Oder weil sie schlechte Erfahrungen mit ihnen machen mussten. Denn Hunde beißen, egal ob sie bellen oder nicht. Nicht immer. Aber immer wieder.
Was das mit Fußball zu tun hat? Mehr als man denkt. Denn die während der Europameisterschaft vielfach gehisste Deutschlandflagge ist nichts anderes als der Hund unter den Fanartikeln. Wer sie trägt, versteht sie gern als Zeichen der Sympathie, zumindest für das Team, das deutsche. Es geht doch nur um die Spiele. Und Schwarz-Rot-Gold steht für Demokratie, Republik und den Weg einer diversen Mannschaft ins Finale.
Klar. Für einige ist das so. Aber was Fahnenträger:innen offenbar nie verstehen werden: Dass Nichtfahnenbesitzer Fahnen nicht mögen. Einfach so. Oder weil sie schlechte Erfahrungen mit ihnen machen mussten. Fahnen grenzen aus, egal ob sie fußballerisch gedacht sind oder rechtsextrem. Nicht immer. Aber immer wieder. Sie sind somit ein Übergriff auf die Freiheit des Anderen. Wie ein laut kläffender Hund. Für viele schlichtweg unangenehm, aus leider gutem Grund.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind