Deutschland gegen Kroatien: Traumatischer Gegner
Leistungseinbruch der deutschen Mannschaft. Gegen die gut gestaffelten Kroaten findet Löws Team keine Mittel. Kurz vorm Ende fliegt auch noch Schweinsteiger vom Platz.
Ja doch, die Zuversicht der Deutschen war vorm Anpfiff im Klagenfurter Wörthersee-Stadion recht groß. Hansi Flick, der Co-Trainer, haute Andreas Köpke, dem Torwartrainer, ordentlich auf die Schulter, und der revanchierte sich, als er sich von dem Hieb erholt hatte, mit ein paar angedeuteten Boxschlägen auf Flicks Solar plexus.
Da ging's noch lustig zu unter dem EM-Betreuungspersonal, ahnten sie doch noch nicht, dass die Kicker ihre Mission gegen das kroatische Team nicht so ganz erfüllen sollten. Lag's vielleicht an der rot-weiß karierten Kulisse, an der Übermacht kroatischer Anhänger, weswegen die deutschen Fans anfangs noch "Auswärtssieg!" plärrten oder war's die Überlegenheit des kroatischen Teams im Mittelfeld und seine Dominanz im Flügelspiel, weswegen die DFB-Elf nicht richtig zum Zuge kam? Am Ende jedenfalls stand es 2:1 für Kroatien.
Die deutsche Auswahl merkte schnell, dass die dicht gestaffelte Defensive der Kroaten nicht so leicht zu übertölpeln war, wie die der Polen. Es dauerte geschlagene 26 Minuten, bis die Elf eine Torchance durch Mario Gomez hatte. Doch zu diesem Zeitpunkt stand es schon 1:0 für die Kroaten. Srna hatte nach einer Flanke eingeschoben. Marcell Jansen hatte da etwas die Orientierung verlorgen und war zu spät gekommen - es sollte nicht das letzte Mal in dieser Halbzeit sein, dass Jansen Schwächen zeigte.
Vorausschauend hatte Bundestrainer Joachim Löw vor der Partie mit dem Gedanken gespielt, Jansen draußen zu lassen und den Herthaner Arne Friedrich oder aber Clemens Fritz in seine Außenposition in der Defensive zu beordern. Doch dann hätte Philipp Lahm die Seite tauschen müssen, und das war es wohl, warum Löw den Plan fallen ließ. Zunächst.
Löw beließ es erst einmal bei der Aufstellung des Polen-Spiels. Hatte sich das 4-4-2-System mit Klose und Gomez im Sturm und Podolski als verkappten Flügelstürmer im Match gegen Polen nicht bewährt? Das schon, aber die Kroaten waren am Donnerstagabend aus anderem Holz geschnitzt. Die Viererkette agierte variabel, das Mittelfeld um Niko Kovac und Luka Modric zeigte sich hochinspiriert und schickte die Außenstürmer immer wieder auf die Reise. In Jens Lehmanns Strafraum hagelte es Flanken.
Aber nicht nur das. Gegnerische Stürmer tauchten wie aus dem Nichts plötzlich frei vor ihm auf, gleich zweimal Niko Kranjcar, der jedoch mit beiden, sogenannten "Hundertprozentigen" nichts anfangen konnte und den Ball jeweils über den Kasten drosch. Das DFB-Team war mit dem 0:1 zur Halbzeit wahrlich gut bedient.
Um die drohende Niederlage abzuwenden, löste Löw in der Pause das Problem mit dem indisponierten Jansen. Der Bayern-Profi nahm fortan auf der Bank Platz, Fritz rückte in die Abwehr und übernahm Lahms Posten, der auf die andere Seite wechselte, Fritz' Terrain beackerte nun David Odonkor, der schnelle Mann für kurze Einsätze.
Ergebnis: 2:1 (1:0)
Kroatien: Pletikosa - Corluka, Robert Kovac, Simunic, Pranjic - Srna (80. Leko), Niko Kovac, Modric, Rakitic - Kranjcar (85. Knezevic) - Olic (72. Petric/Borussia Dortmund)
Deutschland: Lehmann - Lahm, Mertesacker, Metzelder, Jansen (46. Odonkor) - Fritz (82. Kuranyi), Frings, Ballack, Podolski - Gomez (66. Schweinsteiger), Klose
Schiedsrichter: de Bleeckere (Belgien)
Zuschauer: 30.461 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Srna (24.), 2:0 Olic (62.), 2:1 Podolski (79.)
Gelbe Karten: Modric, Leko, Simunic, Srna / Lehmann, Ballack
Rote Karten: - / Schweinsteiger (90.+1/Tätlichkeit )
Beste Spieler: Srna, Olic / Frings, Podolski
Die Umbaumaßnahmen schienen zunächst erfolgreich zu sein. Das deutsche Team stabilisierte sich, zumindest ein bisschen. Die Stabilisierungsphase dauerte nur kurz an - bis zum 2:0 der Kroaten durch Ivica Olic (62.), einem etwas glücklichen Treffer. Der eingewechselte Schweinsteiger hatte zehn Minuten später die große Chance zum Tor, doch es war Podolski vorbehalten, elf Minuten vor dem Schluss den Anschlusstreffer zu erzielen. Schweinsteiger war es vorbehalten, in der Nachspielzeit für eine Tätlichkeit die erste rote Karte des Turniers zu kassieren.
Das letzte wichtige Turnier-Spiel gegen die Kroaten ging im Viertelfinale der WM 1998 mit 0:3 verloren, jetzt haben die Deutschen wieder das Nachsehen gehabt. Diese Mannschaft wächst sich langsam zu einem traumatischen Gegner für die Deutschen aus. Michael Ballack hatte vor der Partie gesagt: "Nach diesem Spiel wissen wir, wo wir stehen." Möglicherweise kurz davor, bei einer EM schon wieder in der Gruppenphase auszuscheiden.
Immerhin: Nach dem 1:1 zwischen Polen und Österreich reicht für die Deutschen gegen Österreich ein Unentschieden.
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