Deutsches Gemeinnützigkeitsrecht: Keine Konkurrenz für Parteien
Finanzminister Olaf Scholz will das Gemeinnützigkeitsrecht reformieren. Seine Vorschläge lassen Umweltverbände um ihre Existenz fürchten.
Der Status der Gemeinnützigkeit ist wichtig: Er garantiert die Befreiung von der Körperschaftsteuer, ermöglicht es Vereinen, Spendenbescheinigungen auszustellen, und erleichtert ihnen so die Finanzierung. Nun jedoch soll die Vergünstigung daran geknüpft werden, dass eine politische Betätigung gegenüber dem eigentlichen Satzungszweck der Organisation „weit in den Hintergrund tritt“, schlägt das Bundesfinanzministerium vor. Dürfte dann noch ein Sportverein in einem Bündnis gegen Neonazis mitwirken oder sich die Umweltorganisation Greenpeace zur Steuerpolitik äußern?
Dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) jetzt aktiv wird, hat mit dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs vom Januar 2019 zu tun. Die Richter*innen entschieden, dass die globalisierungskritische Organisation wegen ihrer politischen Arbeit nicht länger als gemeinnützig anerkannt werden könne. In der Folge entzog das zuständige Finanzamt den Unterschriftensammler*innen von Campact die Fördermöglichkeit.
Offiziell erweckte die Ministeriumsspitze daraufhin den Eindruck, die gemeinnützigen Organisationen absichern zu wollen. Aber sie verfolgt noch ein zweites Interesse: Gleichzeitig will sie verhindern, dass Verbände den Parteien zu ähnlich werden und dafür noch Steuervorteile in Anspruch nehmen – daher die eventuelle Beschränkung der politischen Tätigkeit. Nun läuft die Debatte – was dabei herauskommt, ist unklar.
Wie politisch darf Gemeinnützigkeit sein?
Deshalb intervenieren nun neun Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, darunter der Bund, die Umwelthilfe und der Verkehrsclub VCD. Es liege in der „Natur der Sache“, dass man Umwelt- und Klimapolitik nur politisch betreiben könne. Deshalb verlangen sie, die Abgabenordnung, die die Steuervergünstigung regelt, so zu ändern, dass „gemeinnützige Zwecke auch überwiegend oder sogar ausschließlich mit politischen Mitteln verfolgt werden dürfen“.
Der Umweltverband BUND schlägt darüber hinaus vor, den Katalog der förderungsfähigen Zwecke in der Abgabenordnung zu ergänzen. Beispielsweise solle das Finanzministerium „die nationale und internationale Durchsetzung der Menschenrechte“, „Gleichberechtigung der Geschlechter“ sowie „Rechts- und Sozialstaatlichkeit“ hinzunehmen. Organisationen wie Attac müssten sich, um ihre Gemeinnützigkeit zu begründen, nicht länger mit Hilfskonstruktionen wie „Förderung der Volksbindung“ behelfen, die heute in der Abgabenordnung stehen.
Die Verbände sprechen sich auch gegen die Idee des Finanzministeriums aus, den neuen Status einer „politischen Körperschaft“ ins Leben zu rufen, um Steuervorteile jenseits der Gemeinnützigkeit zu ermöglichen. Möglicherweise müsste Greenpeace sich dann in zwei Teile zerlegen. Der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold sieht das ebenfalls kritisch: „Der politische Verein ist nicht die Lösung, sondern eine Verschärfung des Problems. Die Trennung in gemeinnützige und politische Vereine würde die Zivilgesellschaft aufspalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen