Deutscher Umgang mit Gewalt in Iran: Reden, aber nicht abschieben

Die Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg steht für weitere diplomatische Beziehungen mit dem Iran. Innenministerin Faeser fordert einen Abschiebestopp.

Protest in Berlin mit einem Plakat das Mahsa Amini zeigt

Nach dem Mord an Mahsa Amini, Protest in Berlin gegen das Regime in Iran Foto: Markus Schreiber/ap

BERLIN taz | Mit immer größerer Gewalt geht das Regime im Iran gegen die Proteste der Zivilbevölkerung nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini vor. Nun hat die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, sich dagegen ausgesprochen, die diplomatischen Beziehungen zu dem Land zu beenden. Es habe „bisher nie dazu geführt, dass die Menschenrechte gewahrt oder eingehalten wurden, wenn man sich zurückgezogen hat“, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag im Deutschlandfunk.

Vielmehr werde die ohnehin schon schlechte Informationslage noch dünner. Auch sei die deutsche Botschaft in Kabul „Ansprechpartner und Zufluchtsort“ etwa für afghanische Flüchtlinge im Iran – das falle weg, wenn man den Botschafter abziehe. „Ich finde aber trotzdem, dass es richtig ist, weiter zu diskutieren, welche Möglichkeiten des Drucks man hat“, sagte Amtsberg.

Amtsberg verteidigte den Kurs der Bundesregierung gegenübr dem Regime im Iran. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sei eine „Treiberin der Bemühungen um weitere Sanktionen“ und sie sei zuversichtlich, dass diese auf EU-Ebene in der kommenden Woche beschlossen werden könnten, so Amtsberg.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich derweil für einen Abschiebestopp in den Iran ausgesprochen. „Abschiebungen in den Iran sind in der aktuellen desaströsen Menschenrechtslage nicht verantwortbar“, sagte Faeser dem Spiegel. „Ein Abschiebestopp ist der richtige Schritt, über den die Länder schnellstmöglich entscheiden sollten.“

Niedersachsen geht voran

Im Iran lehnten sich gerade junge Frauen „mit unfassbarem Mut gegen die Gewalt- und Unterdrückungsherrschaft auf“. Sie riskierten ihr Leben im Kampf für Freiheit. „Alles, was wir hierzulande zum Schutz der mutigen iranischen Zivilgesellschaft tun können, müssen wir tun“, sagte Faeser weiter.

Die Entscheidung über einen Abschiebestopp liegt allerdings nicht bei der Bundesregierung, sondern in den Ländern. Kurz vor Faesers Äußerugnen hatte mit Niedersachsen ein erstes Land verkündet, Abschiebungen in den Iran auszusetzen. Auch will das Bundesland bei der nächsten Innenministerkonferenz für einen allgemeinen Abschiebestopp werben.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte fordern einen solchen Abschiebestopp schon seit Ende September. Niedersachsen gehe mit gutem Beispiel voran, erklärten die Organisationen nun und forderten die restlichen Bundesländer auf, es dem Land gleichzutun.

Nicht nur Worte

„Das Regime im Iran zeigt weiterhin, wie menschenverachtend und brutal es ist. Auf Protestierende wird geschossen, sie werden verschleppt und inhaftiert, gefoltert und getötet“, sagte Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat Bremen. „Es reicht nicht, dass sich sämtliche Po­li­tik*in­nen mit den mutigen Menschen im Iran und Ostkurdistan solidarisieren. Sie müssen auch konkret dafür sorgen, dass niemand diesem Regime durch Abschiebung ausgeliefert wird.“

Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt begrüßte auf Facebook Faesers an die Bundesländer gerichtete Forderung nach einem Abschiebestopp – verwies aber auch darauf, dass „perspektivisch“ der Koalitionsvertrag umgesetzt werden müsse. Darin haben SPD, Grüne und FDP erklärt: „Wir streben an, dass die zuständige oberste Bundesbehörde für einzelne Herkunftsländer einen temporären nationalen Abschiebestopp erlassen kann.“

Seit Mitte September demonstrieren überall im Iran Menschen gegen die Regierung. Auslöser war der Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie wurde wegen eines angeblich nicht richtig sitzenden Kopftuchs von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet und mutmaßlich misshandelt. Die 22-Jährige fiel ins Koma und starb im Krankenhaus. Die Sicherheitsbehörden gehen mit großer Gewalt gegen die Proteste vor. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtet von bislang mehr als 130 Toten, deren Namen man habe ermitteln können.

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