piwik no script img

Deutscher Skandal-Adel„Lieber unerhört als ungehört“

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis ist für rechte Ausfälle berüchtigt. In Regensburg distanzieren sich manche – und nicht nur da.

Schlossherrin (rechtsaußen) mit Christkind-Darstellerin auf dem Weihnachtsmarkt im Innenhof des Fürstenschlosses St. Emmeram Foto: Armin Weigel / dpa

Regensburg taz | Der Weihnachtsmarkt in Regensburg am Thurn-und-Taxis-Schloss ist gut besucht und macht schwer auf Romantik, sehr viel Glitzer und Gefühligkeit. Kunsthandwerker bieten Körbe, Seifen und Goldschmuck an. Es gibt nicht nur „Regensburger Knackersemmeln“ zum Essen, sondern auch Crêpes und Langosch. An diesem Abend ist „romantische Lichternacht“, Kinder kommen mit Laternen und lassen Luftballone mit angehefteten Wünschen in den Winterhimmel steigen. Und im Pavillon auf dem „Champagnerhügel“ werden Schampus und frische Austern gereicht.

Hinter all dem Rummel und Glamour am Rande der historischen Altstadt steht eine Frau, die zwar nicht die Veranstalterin ist, ohne die es diesen Markt aber nicht gäbe: Schlossbesitzerin Gloria von Thurn und Taxis, die sich gemäß Richtlinie eines privaten Adelsvereins auch „Fürstin“ nennt. Gloria – ein Name wie Donner, in ganz Deutschland bekannt. Eine Frau mit schillernder Biografie, die als jetzt 63-Jährige immer stärker Kritik auf sich zieht.

Sie befinde sich „am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums“, meint etwa das Bündnis Solidarische Stadt Regensburg. Gloria wird unterstellt, sie sei rassistisch und homophob. Auch habe die erzkonservative Katholikin im Zuge der Coronapandemie mehr und mehr verschwörungsgläubige Positionen eingenommen.

Glühwein im Schlosshof

Gloria verpachtet ihre Schlosshöfe und -plätze für den Romantischen Weihnachtsmarkt an den Veranstalter Peter Kittel, eine bekannte Figur in Regensburg. Kittel sitzt im Großen Blockhaus Thurn und Taxis und sagt über Gloria: „Sie ist humorvoll, meinungsstark, diskussionsfreudig.“ Für ihn, der diesen Weihnachtsmarkt vor mehr als 20 Jahren ersonnen hatte, sei sie eine „enge Geschäftspartnerin“. Kittel hat auch schon für die CSU Wahlkämpfe gemanagt.

Mehr als 250.000 Besucher kommen im Schnitt jedes Jahr, und bevor es den ersten Glühwein gibt, zahlen sie erst einmal Eintritt. Vielleicht begegnen sie der Fürstin mal selbst, ab und zu mischt sie sich unters Volk, manchmal singt sie mit Band auch Weihnachtslieder wie „Ihr Kinderlein kommet“ in Hardrock-Version.

Man sollte ein paar Dinge zitieren, die Fürstin Gloria schon vom Stapel gelassen hat. Die Erklärung von 2001 über die damalige Aids-Ausbreitung in Afrika mit dem Satz „Der Schwarze schnackselt gerne“ mag als verjährt gelten. 2008 sagte sie, „viel beten“ helfe gegen Schwulsein, und bezeichnete die Pille als „eine Form von Abtreibung“. Die gleichgeschlechtliche Ehe nannte sie 2018 einen „Angriff auf die klassische Familie“, gerade herrsche eine Zeitperiode, in der der „Teufel fröhliche Urständ“ zu feiern scheine.

Homophobe Wiederholungstäterin

In Regensburg nahm sie auch 2018 an einer „Demo für alle“ teil, organisiert von der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und der konservativ-katholischen Aktivistin Hedwig Freifrau von Be­ver­foer­de. Demonstriert wur­de gegen Sexual­kunde­unter­richt an Schulen, das Bündnis will die „Sexualisierung der Kinder stoppen“. Gloria sagte, Sexualkundeunterricht sei „eine Art von Kindesmissbrauch“. Bei der Kundgebung war auch der AfD-Politiker Benjamin Nolte mit von der Partie, 2023 ist dieser in den Bayerischen Landtag eingezogen. Als Burschenschaftler war er in Erscheinung getreten, als er einer Studentenverbindung mit einem Schwarzen Mitglied eine Banane überreichte.

Ende 2022 bezeichnete Gloria auf dem Kanal des wegen persönlicher Verfehlungen rausgeworfenen ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt Homosexualität als „tierischen Instinkt“. Über den britischen Prinzen Harry und Herzogin Meghan sagte sie, die beiden betrieben „Rassismus als Geschäftsmodell“.

„Regensburg taucht bundesweit leider nur auf, wenn es um Korruption oder Gloria geht“, klagt Stefan Christoph. Über Jahre hatte eine vielgestaltige Korruptionsaffäre die Lokalpolitik erschüttert. Christoph gehört der Grünen-Stadtratsfraktion an und sagt: „Gloria repräsentiert nicht die Regensburger Stadtgesellschaft.“ Auch Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) geht auf Distanz. Glorias Ansichten seien Privatsache, meint sie. Aber: „Die Stadt Regensburg steht ganz klar für Toleranz und ein respektvolles Miteinander.“

Deutschlands größter Waldbesitz

Das Thurn-und-Taxis-Schloss St. Emmeram mit mehr als 500 Räumen ist ein Riesending in der Donaustadt. Der Schlosspark ist gut 5 Hektar groß und zum Ärger mancher Regensburger abgesperrt. Das Haus Thurn und Taxis ist laut Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit knapp 20.000 Hektar der größte private Waldbesitzer Deutschlands. So wird Gloria häufig nicht als Fürstin, sondern als Unternehmerin bezeichnet.

In diesen Tagen ist sie nicht da, sie weilt in Rom in ihrer dortigen Wohnung mit Privatkapelle. Das weiß einer, der sich gut mit Gloria auskennt: Prälat Wilhelm Imkamp. Wie ist sie so? „Lieber unerhört als ungehört“, sagt der 72-jährige Geistliche. Gloria habe die Gabe, „komplexe Dinge einfach zu sagen“.

Imkamp lebt im Schloss. Eigentlich ist er in Rente, Gloria hat ihn aus dem bayerisch-schwäbischen Wallfahrtsort Maria Vesperbild geholt, in St. Emmeram leitet er die Hofbibliothek. Er meint, Gloria provoziere „mit ihrem Tante-Emma-Laden-Stil“. Der Prälat trägt einen Talar, seine Räume sind bis an die hohen Decken voll mit alten Büchern, Kunstwerken, Skulpturen und geschätzt deutlich mehr als 100 Tabakpfeifen.

Der Prälat ist so frei

Offenkundig darf er, den manche den „Schlossgeist“ nennen, ziemlich frei über Gloria sprechen. Egal mit wem sie rede, so meint er, die Fürstin sei „immer die Gleiche“. Ist sie rassistisch? Nein, sie habe ja Schwarze Freunde. Homophob? Ach was, gerade in ihrer Zeit in New York habe sie viel mit Leuten „mit dieser Neigungsstruktur“ zu tun gehabt.

Imkamp ist humorig, meint aber auch, dass sich Gloria in Interviews „etwas gemäßigter ausdrücken könnte“. Was sie sage, würde eben „für zeitgenössische Ohren unerhört“ klingen. Populär sei sie „nicht wegen ihrer Ansichten, sondern wegen ihrer Art“.

Im September war BMW als einer der Hauptsponsoren bei den sommerlichen Regensburger Schlossfestspielen ausgestiegen. Der Grund dürften Glorias Eskapaden gewesen sein; der Autobauer verpflichtet sich selbst der „Diversität“. Ein schwerer Schlag für den Veranstalter. Zudem veröffentlichten in diesem Jahr mehr als 100 Kulturschaffende einen Aufruf, die Festspiele zu boykottieren.

Bill Gates, Mark Zuckerberg und die Stasi

Im Juli hatte Gloria einen denkwürdigen Auftritt als Gast im Regensburger Presseclub. Der zeigte laut Teilnehmern vor allem, wie sehr ihr Denken mittlerweile von Verschwörungsmythen durchdrungen ist. Politiker würden heute, so sagte sie, „runterbeten, was Banken, Industrie und WHO hören wollen“. Alles sei „gekauft“ von irgendwelchen „Superreichen“. Bezahlt werde das von Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und Bill Gates. Über US-Präsident Joe Biden meinte sie: „Der alte Opa kriegt gesagt, was er zu tun hat.“

Stefan Aigner ist Journalist in Regensburg, er betreibt das unabhängige Internet-Nachrichtenportal regensburg-digital und hat den ganzen Auftritt der Fürstin auf Band. Auf kritische Nachfragen von ihm bezeichnete sie Aigner als „Mann des Staates“, „Staatsbeamter“ und dann „Stasi-Beamter“. Nicht nur Aigner meint: „Ihre Äußerungen kann man nicht mit Skurrilität abtun.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mariae Gloria Prinzessin von Thurn und Taxis wurde in einer Finanzblase geboren und hat diese nie verlassen. Sie mit normalen Sterblichen zu vergleichen, wäre obzön. Leider bezahlt sie viel zu wenig Steuern.

  • Enteignung. Sind schließlich die Steuergelder unserer Vorfahren, die hart für diese P…ersonen geackert haben.

  • Dieses mittelalterliche Gedöns um den "Adel" gehört ersatzlos abgeschafft. Und selbstverständlich sämtliche Privilegien und Titel ebenso. Dieser "Stand" hat über Jahrhunderte die Bevölkerung ausgeplündert und macht das auch weiter wo es eben möglich ist. Auch mit gefühlsduseligen Weihnachtsmärten.

    • @Perkele:

      Zur Info: Privilegien des Adels SIND abgeschafft –seit 1918. Auch die Adelstitel sind seit damals keine Titel mehr, sondern nur noch Namensbestandteile. Gloria ist darum keine Fürstin, sondern heißt bloß so – äh, nicht mal das, sondern amtlich „Prinzessin“. Das Gedöns, das heutzutage allerdings doch noch um den Adel gemacht wird, ist also reines Privatvergnügen der gedönsenden Personen (zum ordentlichen „Huldigen“, wie es altes Recht vorschrieb, reicht das Wissen im Allgemeinen nicht).

  • Nix gegen die Regensburger Knackersemmeln. Mit allem.