Weihnachtskrippen in Italien: Canceln auf Italienisch

Nicht nur Deutschlands Rechte fürchten das Ende traditioneller Weihnachtsbräuche. Italienische Politiker machen sich für ein Krippen-Schutzgesetz stark.

Weiße Krippenfiguren aus Porzelan

Krippenfiguren Foto: Westend61/imago

ROM taz | Vor genau 800 Jahren, in der Weihnachtsnacht 1223, ließ der heilige Franz von Assisi die Menschen aus dem nördlich von Rom gelegenen Bergdorf Greccio Christi Geburt nachstellen. Sein Einfall war der Ursprung eines Erfolgsmodells, das heute jedes Jahr millionenfach in italienischen Haushalten, in Kirchen und Schulen aufgestellt wird: der Krippe mit Madonna und ihrem Joseph, Ochs, Esel und den Hirten sowie den drei Königen, die von der Seite heranreiten.

Doch die Idylle ist bedroht, wenigstens, wenn man Lavinia ­Mennuni glauben darf, der Senatorin aus der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, deren Chefin Giorgia ­Meloni die Ministerpräsidentin Italiens ist.

Sie legte jetzt den Bür­ge­r*in­nen des Landes den von ihr gerade ins Parlament eingebrachten Entwurf für ein Krippenschutzgesetz unter den Weihnachtsbaum.

„Seit einigen Jahren“, so entrüstet die Senatorin sich, „stehen wir vor inakzeptablen und peinlichen Entscheidungen einiger Schulleitungen, die Krippen in Schulen verbieten oder ihren tiefen Sinn verändern, indem sie zum Beispiel das Weihnachtsfest in halb gare Winterfeierlichkeiten umdefinieren, um Gläubige anderer Religionen nicht zu verletzen.“

Wer keine Krippen will, bekommt Geldbußen

„Verbote verbieten“ will die Senatorin deshalb. Wann immer Schulleitungen sich gegen Krippen sperren, drohen künftig Disziplinarverfahren und saftige Geldbußen, schließlich müsse man „unsere kulturellen Wurzeln verteidigen, die in der Krippe ein herausragendes Beispiel haben“.

Beifall gab es sofort vom stockkonservativen Elternverband MOIGE, der ohne weitere Belege behauptet, „in bestimmten Klassen“ werde „die Verwendung des Worts Jesus verboten“, gut sei deshalb ein Gesetz, das sich der „Religionsphobie“ entgegenstelle. Als Beispiel dieser „Phobie“ dient jetzt eine Schule im nord­ita­lie­ni­schen Padua, in der die Zeile des Weihnachtslieds „Der Komet“ von „Jesus wird geboren“ gereinigt worden sei, denn aus Gesù, dem Jesus, sei dort Cucù, der Kuckuck, geworden.

Luca Zaia, Präsident der Region Venetien von der rechtspopulistischen Lega, regte sich gebührend auf über diesen Anschlag auf „unsere Religion, unsere Identität, unsere Kultur“, doch auch solche Eingriffe ins Brauchtum sollen in Zukunft durchs neue Gesetz sanktioniert werden.

Gesetzlich geregelte Traditionspflege

Da wundert sich Antonello Giannelli, Präsident der Nationalen Vereinigung der Schuldirektoren, einigermaßen. „Deplatziert“ sei der Versuch, Traditionspflege „gesetzlich zu verordnen“; erst recht, weil das ita­lie­nische Gesetz den Schulen auf diesem Feld Autonomie einräumt. Etwas schärfer formuliert es Riccardo Magi von der kleinen linksliberalen Partei +Europa. „Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk“ presche Italiens Rechte zu Weihnachten mit dem Vorschlag zum Schutz der christlichen Traditionen vor, „die gleiche von Giorgia Meloni angeführte Rechte, unter der die Heilige Familie, auf der Flucht vor Verfolgung, jetzt in einem Abschiebezentrum säße“.

Doch auch wer Krippen aufstellt, macht es den christkonservativen Kräften nicht immer recht. Der ­Priester Vitaliano Della Sala etwa hat sich ein neues Setting rund um das Jesuskind ausgedacht. In seiner ­kleinen Dorfkirche gibt es keinen ­Joseph, sondern gleich zwei ­Madonnen, die das Jesuskind anbeten, „weil ich dieses Jahr das Weihnachtslicht über den homo­sexuellen Familien leuchten sehe, die von unmenschlichen, dem Evangelium feindlichen Kritiken und Verdammungsurteilen getroffen werden“.

„Einem Pfarrer dürfte es nicht erlaubt sein, Weihnachten in Karneval zu verwandeln“, zürnte der prominente rechte Journalist ­Pietro Senaldi. Das meint auch Alfredo Antoniozzi von den Fratelli d’Italia. „Ein Teil der Kirche“ betreibe da „die absolute Deformation des Christentums“, die „LGBT-Krippe ist eine absolute Dummheit“, befindet er. Dorfpriester Della Sala versteht die Aufregung nicht: Ihm gehe es um „eine Kirche der Ausgeschlossenen, nicht um eine Kirche des Ausschlusses“, erklärte er.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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