Deutscher PEN spaltet sich: Neugründung statt Reformierung
Nach den Auseinandersetzungen um Deniz Yücel wollen es über 200 Autor*innen jetzt besser machen. Sie gründen das neue Zentrum PEN-Berlin.
Vielleicht musste es so kommen. Schon während der tumultartigen Mitgliederversammlung des deutschen PEN vor einigen Wochen in Gotha waren Befürchtungen zu hören, dass die Auseinandersetzungen den PEN zerreißen werden. Genau das geschieht jetzt tatsächlich.
In der Versammlung, in der Deniz Yücel einen Abwahlantrag als Präsident erst mit knapper Mehrheit überstanden hatte und kurz darauf zurückgetreten war („Bratwurstbude“), habe sich der PEN „zerlegt“, so die Einschätzung vieler. Als Konseqenz daraus wird es jetzt neben dem PEN-Deutschland einen PEN-Berlin geben. Er soll am 10. Juni gegründet werden.
Einem Bericht des Bayerischen Rundfunks zufolge haben sich Ende der vergangenen Woche über 100 Autor*innen über Zoom zusammengeschaltet, um das „Trauma von Gotha“ aufzuarbeiten und zu beratschlagen, was nun zu tun sei. Der BR nennt darunter die Namen Franz Dobler, Nora Gomringer, Thea Dorn, Eva Menasse, Lucy Fricke, Nora Bossong, David Wagner, Daniel Kehlmann, Thomas Hettche, Peter Licht, Miku Sophie Kühmel, Michel Friedman, Steffen Kopetzky und Katharina Hagena, also durch die Bank namhafte Schriftsteller*innen.
Die Analyse ging auf der Versammlung offenbar dahin, dass der PEN-Deutschland nicht reformierbar sei und dass es eine von Grund auf andere Organisation brauche, um sich effektiv und zeitgemäß für die Freiheit des Wortes und verfolgte Schriftsteller*innen einsetzen zu können.
Das soll jetzt also im neuen PEN-Berlin angegangen werden. Statt einer fest etablierten Präsidiumsstelle soll es ein elfköpfiges Board als Leitungsgremium geben. Die Autor*innen Mithu Sanyal, Ronya Othmann, Alexandru Bulucz, Eva Menasse, Sophie Sumburane, Konstantin Küspert, Simone Buchholz, Joachim Helfer, Deniz Yücel, Ralf Nestmeyer und Elke Schmitter werden sich auf der Gründungsversammlung zur Wahl stellen. Deniz Yücel betonte auf Twitter, dass sich die neue Organistion nicht als „Gegen-PEN“, sondern als „besserer PEN“ verstehen wolle.
Massives Legitimitätsproblem
Doppelmitgliedschaften mit dem bestehenden PEN sollen ausdrücklich möglich sein. Verwiesen wird zudem darauf, dass es auch in anderen Ländern mehrere PEN-Zentren gebe, etwa in Australien und Spanien.
Auch wenn von Seiten des neuen PEN-Berlins ein Nachtreten gegen den etablierten PEN offenbar weitgehend vermieden werden soll, so ist diese Neugründung für den bestehenden PEN selbstverständlich ein Desaster. Reformbemühungen sind in ihm durchaus im Gange. Josef Haslinger und Maxi Obexer fungieren bis zu einem geplanten Mitgliederversammlung im Herbst als Übergangspräsident*innen. Doch es ist ganz klar: Eine Schriftstellervereinigung, der es nicht gelingt, über 200 der bekanntesten deutschsprachigen Autor*innen in sich zu integrieren, hat ein massives Legitimationsproblem.
Nicht nur Berliner*innen
Die Liste der 232 Mitgründer*innen des PEN-Berlin kann sich jedenfalls sehen lassen. Es sind übrigens keineswegs nur Berliner*innen darunter. Unterschrieben haben etwa auch der Münchner Hanser-Verleger Jo Lendle, die Kölner Kiepenheuer-und-Witsch-Verlegerin Kerstin Gleba, der Frankfurter Feuilletonist Patrick Bahners, der Münchner Soziologe Armin Nassehi, die derzeit in Island lebende Autorin Berit Glanz, der Kieler Autor Feridun Zaimoglu.
Und wer weiß, vielleicht gelingt es einem neuen PEN-Zentrum ja tatsächlich, dass man bei der ganzen Sache nicht auch an Monty Pythons denken muss, die sich in „Das Leben des Brian“ über politische und intellektuelle Abspaltungen und Fraktionskämpfe bis heute gültig lustig gemacht haben.
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