Deutscher Mieterbund protestiert: „Vonovia verdient sich goldene Nase“
Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen investiert in „Modernisierungen“. Das hat harte Auswirkungen für die Mieter*innen, findet der Mieterbund.
Vonovia hat seinen Sitz in Bochum und ist mit Abstand Deutschlands größtes privates Wohnungsunternehmen mit rund 350.000 Wohnungen, davon etwa 100.000 in Nordrhein-Westfalen, mehr als 40.000 in Berlin, knapp 39.000 in Dresden. Oft sind es frühere Werkswohnungen oder einstige Häuser der öffentlichen Hand. Die Geschäfte des börsennotierten Konzerns laufen hervorragend: Vergangenes Jahr sind die Mieteinnahmen um 4,2 Prozent gestiegen. Auf der Aktionärsversammlung am 9. Mail soll eine Dividendenausschüttung von 675 Millionen Euro beschlossen werden.
Für die Mieter von Vonovia-Wohnungen fällt die Bilanz nicht ganz so rosig aus, beklagt der Deutsche Mieterbund. Das liegt nicht zuletzt an den „Modernisierungen“ der Wohnobjekte. Rund 780 Millionen hat Vonovia im vergangenen Jahr dafür ausgegeben. Bis zu 11 Prozent dieser Kosten können auf die Jahresmiete der entsprechenden Mieter*innen aufgeschlagen werden – und das für einen unbefristeten Zeitraum. „Vonovia verdient sich eine goldene Nase, während viele Mieter nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen“, sagte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz bei seinem Auftritt am Freitag in der Bundespressekonferenz.
Außerdem kritisiert der Mieterbund, die Bauarbeiten seien oft „eher Erhaltungs- als Modernisierungsmaßnahmen“. Andere Maßnahmen seien überflüssig oder würden von der Mehrheit der Mieter abgelehnt.
Besonders oft handelt es sich bei den „Modernisierungen“ auch um energetische Umbauten wie eine Erneuerung der Wärmedämmung oder den Austausch von Heizanlagen. Vonovia rechtfertigt das Vorgehen also auch mit umweltpolitischen Zielen. Gerade hier zeigt sich aber für den Mieterbund: Die versprochenen Einsparungen durch effizientere Heizungen stehen in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten durch die Mieterhöhung.
Umwälzung der Kosten
Max Niklas Gille, Pressesprecher von Vonovia, sieht das anders: „So pauschal lassen sich solche Rechnungen nicht anstellen“, sagte Gille der taz. Eine „schwarze Null“ für die Mieter*innen habe man auch nie versprochen. Die Energiekosten seien schließlich auch immer von dem individuellen Verbrauch und der Schwankung der Energiepreise abhängig. Außerdem sei das übergeordnete Ziel ja die langfristige Einsparung von CO2 und habe somit auch eine politische Dimension.
Die politische Dimension hat Mieterbund-Geschäftsführer Ropertz ebenfalls im Blick. Gerade deswegen sieht er es aber nicht ein, dass nur die Mieter*innen belastet werden, wenn es um klimapolitische Ziele geht. „Der Gesetzgeber ist hier gefragt“, forderte Ropertz. Konkret wünscht sich der Verband eine Aufteilung der Kosten für energetische Modernisierungen auf Vermieter*in, Mieter*in und Staat.
Gerade die Leute, die in den Wohnungen von Vonovia leben, sind laut Ropertz besonders durch die Umwälzung der Kosten getroffen. Dem Unternehmen gehören nämlich besonders viele ehemalige und aktuelle Sozialwohnungen. „Also müssen die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft für den Klimaschutz zahlen“, kritisierte Ropertz.
„Wir wollen unsere Maßnahmen nicht auf dem Rücken der Mieter durchsetzen“, beteuert dagegen Vonovia-Pressesprecher Gille. Die Darstellung des Mieterbunds sei „nicht ganz richtig“. Insgesamt sei es nämlich keineswegs der Fall, dass Vonovia keine Rücksicht auf soziale Aspekte nehme. So schöpfe das Unternehmen den gesetzten Rahmen von 11 Prozent, die auf die Mieter*innen umgewälzt werden können, oft nicht voll aus.
„Willkürliche Härtefälle“
Außerdem weist Gille zudem auf den sogenannten Härteeinwand hin. Den können Mieter*innen stellen, wenn die Mieterhöhung für sie finanziell nicht tragbar ist. „Unser Ziel ist, dass unsere Mieter möglichst lange bei uns wohnen bleiben“, beteuert er.
Dabei gibt es aber einige Tücken: So muss der Antrag sofort gestellt werden, wenn das Vorhaben angekündigt wird – ist die Frist verpasst, gibt es kein Zurück mehr. Auch die Wahl der Härtefälle kritisiert der Mieterbund als „zufällig, wenn nicht sogar willkürlich“.
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass in Zukunft nur noch höchstens 8 Prozent der Kosten auf die Mieter*innen übertragen werden können und der Mietaufschlag auf 3 Euro je Quadratmeter begrenzt werden soll. „Das reicht uns nicht“, kritisierte Ropertz. Der Mieterbund fordert die Reduktion auf vier Prozent und das Limit bei 1,50 Euro einzuziehen.
Von Vonovia fordert der Mieterbund sozialverträgliche Mieterhöhungen, größere Rücksicht auf Härtefälle, mehr Austausch mit Mieter*innen und Mietvereinen. Außerdem solle der Konzern mehr Rücksicht auf die Wünsche der Mieter*innen bei der Durchführung der Arbeiten nehmen.
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