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Deutscher Beitrag zum EU-HaushaltSpitzenzahler Deutschland

Berlins Finanzierungsbeitrag zum EU-Haushalt ist 2021 auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Auf der Habenseite: die Vorteile durch den Binnenmarkt.

Viel Geld: 2021 steuerte Deutschland 25,1 Milliarden Euro zum EU-Haushalt bei Foto: Antonio Bronic/rtr

Brüsseldpa |Der deutsche Finanzierungsbeitrag zum EU-Haushalt ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Nach Berechnungen der Deutschen Presse-Agentur steuerte die Bundesrepublik 2021 netto etwa 25,1 Milliarden Euro zu den Gemeinschaftsausgaben der Europäischen Union bei. Frankreich gab unter dem Strich mit 12,4 Milliarden Euro nur etwa halb so viel Geld, Italien mit rund 3,2 Milliarden Euro weniger als ein Siebtel.

Der in absoluten Zahlen größte Nettoempfänger war den Berechnungen zufolge Polen, das aus dem EU-Haushalt etwa 11,8 Milliarden Euro mehr herausbekam, als es einzahlte. Danach folgten Griechenland mit 4,5 Milliarden Euro, Ungarn mit rund 4,1 Milliarden Euro und Rumänien mit knapp 4 Milliarden Euro.

Im Jahr 2020 hatte der deutsche Netto-Beitrag mit etwa 19,4 Milliarden Euro noch deutlich niedriger gelegen. Bei den Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 willigten die Bundesrepublik und die anderen Nettozahler dann jedoch ein, ihre Beiträge noch einmal zu erhöhen, um den durch den EU-Austritt des Nettozahlers Großbritannien entstehenden Verlust weitgehend auszugleichen.

Politisch brisant sind die Zahlen vor allem wegen der großen Geldflüsse nach Polen und Ungarn. Beide Staaten stehen in der Kritik, weil ihnen gravierende Verstöße gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und andere Grundwerte der EU vorgeworfen werden. Vorläufig eingefroren wurden deswegen aber bislang nur bestimmte für Ungarn vorgesehene Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt.

Deutschland profitiert vom EU-Binnenmarkt

Die sowohl für den EU-Haushalt als auch für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständige EU-Kommission wollte die Zahlen auf Anfrage der dpa nicht kommentieren. Die Brüsseler Behörde veröffentlicht seit einiger Zeit nicht mehr die Bilanzen, weil sie befürchtet, dass die Zahlen politisch instrumentalisiert werden könnten – zum Beispiel von EU-Gegnern in den Nettozahler-Ländern.

Zudem wird in der Kommission darauf verwiesen, dass der EU-Haushalt im Vergleich zu den nationalen Budgets sehr klein sei und dass sich der Nutzen der EU-Mitgliedschaft nicht allein aus den Haushaltszahlen ableiten lasse. So wird zum Beispiel argumentiert, dass die finanziellen Vorteile, die Exportnationen wie Deutschland durch freien Warenverkehr haben, außen vor blieben.

Dies wird auch in Berlin so gesehen. „Keine andere europäische Volkswirtschaft profitiert so sehr vom EU-Binnenmarkt wie die deutsche“, heißt es auf einer Webseite der Bundesregierung. Deutschland zahle viel Geld in den EU-Topf ein, profitiere aber noch mehr davon.

Wie viel Geld ein EU-Staat in den Gemeinschaftshaushalt einzahlen muss, richtet sich im Wesentlichen nach seinem Anteil an der Wirtschaftskraft der EU. Pro Kopf gerechnet sind neben den Deutschen vor allem auch die Dänen, Schweden, Niederländer und Österreicher wichtige Nettozahler.

Der deutsche Finanzierungsbeitrag zum EU-Haushalt ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert gestiegen.

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8 Kommentare

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  • "Ich kann mir durchaus eine EU mit einigen Ländern weniger vorstellen."

    Ich auch.

  • Es ärgert mich, dass wir rechtspopulistische Regierungen wie Ungarn und Polen mit unserem Geld auch noch das Leben leicht machen, während diese über uns übel herziehen (Stichwort Reparationsforderungen Polen).

    Aber ich bin mir auch im klaren, dass Deutschland mit seinem Exportüberschuss der größte Nutznießer der EU ist.

  • 25 Mrd. EUR - okay. Aber: Warum zahlt eine Volkswirtschaft wie Frankreich nur die Hälfte vom deutschen Beitrag? Das ist für mich nur sehr schwer nachvollziehbar... .

    "Die Brüsseler Behörde veröffentlicht seit einiger Zeit nicht mehr die Bilanzen, weil sie befürchtet, dass die Zahlen politisch instrumentalisiert werden könnten – zum Beispiel von EU-Gegnern in den Nettozahler-Ländern."



    Mir war das vorher nie bewusst ... . Das ist doch ein Skandal! Nicht nur der Umstand selbst, sondern auch das Argument dahinter. Demnach könnte man praktisch jede Information verheimlichen.

    • @Schildbürger:

      Das sehe ich absolut genau so wie Sie, ein rechtsstaatlicher Skandal!

      Widerspricht dies nicht dem Bürgerinformationsgesetz Deutschlands, v.a. da Deutschland ja bestimmte Gesetzgebungskompetenzen an Brüssel abgibt.



      Auch auf dem Hintergrund, dass das letzte EU-Wahlergebnis ja auch sehr zweifelhaft umgesetzt wurde. Informationen zurückzuhalten mit der offenen Begründung sich bestimmten politischen Auseinandersetzungen zu entziehen, ist auf diesem Hintergrund sehr zweifelhaft!

      Warum Frankreich bzgl. Der anzusetzenden Höhe der Nettozahlungen nicht genau so von dem Binnenmarkt profitieren sollte, ist für mich zudem nicht nachvollziehbar.



      In Deutschland ist zudem in der Merkel-Ära der "fetten Jahre" dummerweise die Infrastruktur und das Gemeinwesen so stark "runtergerockt" worden, dass der jetzige Bedarf im Inland schon gar nicht mehr finanziert werden kann.

      Was ist eigentlich mit Polen, dem Nettoempfängerland?



      Im zeitlichen Zusammenhang mit der Einweihung der Baltic Pipe zur Gasversorgung Polens fand die Sabotage von Nordstream 1 und 2 statt.



      Die Baltic Pipe war offenbar kein Anschlagsziel. Seltsam, dass hierzu keine weiteren Informationen zu den Ermittlungen gegeben werden, bzw. offenbar auch so lustlos von Seiten Deutschlands ermittelt wird.

  • Der Hinweis auf die nationalen Haushalte ist schlichtweg falsch, da die EU halt kein Land ist.

    Die aktuellen Zahlen sind eigentlich auch nicht problematisch. Wirklich problematisch sind die von der EU aufgenommenen und bisher nicht gedeckten Schulden sowie das in diesem Zusammenhang ergangene Urteil des BVerfG.

    Es droht eine Transfergesellschaft.

  • "Die Brüsseler Behörde veröffentlicht seit einiger Zeit nicht mehr die Bilanzen,".



    Das ist also die Transparenz in einer Demokratie?

    „Keine andere europäische Volkswirtschaft profitiert so sehr vom EU-Binnenmarkt wie die deutsche“



    Im Klartext alle in Deutschland zahlen und wenige profitieren von der EU.

  • Wie hoch sind denn die angeblichen Vorteile aus dem Binnenmarkt, konkret, wie hoch ist der Vorteil in Euro verglichen mit einem Markt ohne EU und EU Nettobeitrag? Unsere Exporte in die EU Mitgliedsländer wären doch ohne EU nicht Null.

  • Es ist grundsätzlich kein Drama, dass Deutschland viel Geld in Europa investiert.



    Die Zahlungen an Polen und Ungarn sehe ich allerdings als zunehmend problematisch an.



    Ich kann mir durchaus eine EU mit einigen Ländern weniger vorstellen.