Deutscher Afghanistan-Einsatz: Gezielte Schönfärberei
Die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan muss der Bundesrepublik bekannt gewesen sein. Doch man schloss die Augen, um Abschiebungen zu ermöglichen.
D ie zentrale Frage, bei der es im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Afghanistan-Einsatz geht, lautet: „Wo gab es Fehleinschätzungen und warum? Waren das überhaupt Fehleinschätzungen oder hat man sich die Lage schön geredet?“. So formulierte es der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD) vorab in den Medien. Seine Frage kann man kurz und eindeutig beantworten: Ja, es war Schönfärberei. Der Bundesregierung war die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan natürlich bekannt.
Aber es konnte nicht sein, was nicht sein durfte, und zwar aus innen-, konkret: abschiebepolitischen Gründen. Hätte die Bundesregierung zugegeben, auf welch tönernen Füßen die von ihr unterstützte Regierung in Kabul stand, hätte sie nicht mehr begründen können, dass Menschen dorthin abgeschoben werden.
Die Tatsachen sind bekannt: Im November 2016 beschloss die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, Abschiebungen nach Afghanistan wiederaufzunehmen. Das geschah ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich infolge des Abzuges der meisten NATO-Kampftruppen aus Afghanistan mit dem Ende des ISAF-Kampfeinsatzes 2014 die Sicherheitslage in Afghanistan erheblich verschlechtert und erhebliche Fluchtbewegungen in Richtung Europa ausgelöst hatte.
Dem und der xenophoben politischen Ausschlachtung durch Völkische und Rechtspopulisten wollte die Bundesregierung, unter Federführung des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), eine „harte Asylpolitik“ entgegensetzen. Um das zu begründen, wurde die Sicherheitslage in Afghanistan systematisch schöngeredet. Das Hauptargument lautet, einige Gebiete Afghanistan seien hinreichend sicher – ohne dass diese Gebiete irgendwann einmal öffentlich definiert wurden.
Das Hauptinstrument dafür waren die vom Auswärtigen Amt erstellten, als „nur für den Dienstgebrauch“ der Öffentlichkeit vorenthaltenen Asyllageberichte. Darin wurden selbst Erkenntnisse der UNO ignoriert, wenn sie – was häufig der Fall war – den innenpolitisch gewünschten Einschätzungen widersprachen.
Etwa als das UN-Flüchtlingshilfswerk im September 2018 von „generalisierter Gewalt“ am Abschiebezielort Kabul sprach und erklärte, die Stadt könne nicht mehr als „inländische Fluchtalternative“ angesehen werden. Zumindest in dieser Frage sollte die Arbeit des Untersuchungsausschusses schnell getan sein.
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