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Deutsche Zeitschriften und VaroufakisZu Hause bei Gianis

„Spiegel“, „Stern“ und „Zeit Magazin“ haben den früheren griechischen Finanzminister Varoufakis getroffen. Ein Vergleich.

Klischeefaktor hoch: Gianis Varoufakis auf seinem Motorrad. Foto: ap

FORM

Spiegel: viereindrittelseitige Porträt-Gesprächsniederschrifts-Hybridform. Dafür schickt der Spiegel zwei Reporter für ein zweistündiges, mehrfach verschobenes Gespräch nach Athen. Varoufakis sprach mit ihnen in seiner „heißen“ Wohnung. „Alle schwitzen“.

Stern: vierseitiges Interview, Gesamtumfang sieben Seiten. Dafür hat sich Stern-Starreporter Arno Luik (“das Gespenst“) drei Tage in der Wohnung von Varoufakis eingenistet. Das Gespräch fand in neun Etappen statt. Tags, nachts, nachmittags. Mal hier, mal dort.

Zeit Magazin: zehn Seiten inklusive vier ganzseitiger Fotos von Varoufakis im Sessel, seinem Schreibtisch, seinem Gesicht und seinen Büchern. Die Zeit-KollegInnen haben nur zwei Stunden mit ihm. Treffen ihn nicht in seiner Wohnung, sondern im Hotel Titania. Aus zwei Stunden zehn Seiten fabriziert – hoch effiziente Arbeit.

INFOGEHALT

Spiegel: niedrig. Wenig Substanzielles zu Theorien, seiner Arbeit und Europa. Dafür umso mehr Heldenmythos. Wir erfahren, die „Linke hatte lange keinen Helden mehr. Der letzte, Fidel Castro aus Kuba, ist sehr alt und lebt zurückgezogen. Nordkoreas Tyrann Kim Jong Un ist selbst für Hartgesottene nicht vermittelbar“. Was für Varoufakis spricht: „Er sieht, so finden manche, gut aus und fährt Motorrad. Immer noch ein Symbol der Freiheit. Auch Ernesto Che Guevara fuhr Motorrad und er ist der ewige Held der Linken.“

Stern: hoch. Varoufakis erzählt aus seiner Sicht über die Verhandlungen mit der Euro-Gruppe, spricht vom „Kriegskabinett“ innerhalb von Syriza, die den Grexit geplant haben, verteidigt sich gegen den Vorwurf, gegen die Armut in Griechenland wenig getan und die Reichen verschont zu haben. Ansonsten: keine persönliche Frage.

Zeit Magazin: mittel. Mehr Persönliches als politisch Relevantes. Wir erfahren über seine Eltern, die in den 1960ern Deutsche Welle hörten. Über seinen Bomben bauenden (“keine wirklich gefährlichen“) Onkel, den er im Gefängnis besuchte. Und dass die Griechen „die Schwarzen Europas sind“. Zum Abschluss noch: „Ich verehre Nina Hagen“.

SELBSTINSZENIERUNG DER REPORTER

Spiegel: sehr hoch. Lange hat das führende Nachrichtenmagazin Europas versucht, Varoufakis zu interviewen. Er wollte nie, nannte einen Spiegel-Kollegen „son of a bitch“. Mit hartnäckigen Verhandlungen haben sie es doch noch geschafft. Und dann das: Ein „Gespenst“ (Stern-Kollege) war seit Tagen in der Wohnung und „hatte sich in der Nähe der Tür aufgehalten. Wollte er mithören, wie der Spiegel ein Gespräch führt?“. Die Beschreibung der Umstände ist wichtiger als Varoufakis selbst.

Stern: kaum vorhanden. Im Vorspann wird darauf hingewiesen, wie häufig und zu welchen Tages- und Nachtzeiten Arno Luik mit Varoufakis und seiner „Frau Danae Stratou“ gesprochen hat. Zudem liebt Luik das „ich“ in seinen Fragen: „Ich höre“ – „Das habe ich noch nie gehört.“ Und wie beim Stern üblich: das gemeinsame Making-of-Foto am Ende. Eher unfreiwillig nimmt Luik das „Gespenst“ auf. Allerdings das von Marx, nicht das der Spiegel-Kollegen.

Zeit Magazin: niedrig. Wobei der Stolz, mit Rockstar Varoufakis zwei Stunden verbracht zu haben, durchaus lesbar ist: „Es ist sein erstes Gespräch mit einem deutschen Magazin nach seinem Rücktritt“. Wow. Einige Aussagen der Reporterinnen sind belehrend: „Sie übertreiben.“ – „Wir haben uns gewundert, dass Sie als Minister dennoch Zeit dafür hatten, Ihre Mails zu beantworten.“

KLISCHEEFAKTOR

Spiegel: sehr hoch. Varoufakis fährt Motorrad (viermal erwähnt und zudem prominent im Bild), trägt keine Krawatte, ist Rebell, Rockstar und liebt den Film „Matrix“. Und seine Frau bringt Kaffee und Wasser und hat nur einen Vornamen.

Stern: kaum vorhanden. Motorrad nur im Bild. Keine Fragen zum Aussehen, zur Inszenierung. Einziger Klischeemoment: „Sie sollen häufig durch Ihr Besserwissertum genervt haben – Varoufakis, der superkluge Professor“.

Zeit Magazin: phänomenal hoch. Motorrad (zweimal erwähnt), Außenseiter (zweimal erwähnt). Und auch sonst ist alles da, gebündelt in einer Frage: „Sie fahren Motorrad, tragen nie Krawatten und gelten als Sexsymbol. Das entspricht nicht gerade dem gängigen Bild eines Finanzministers.“ Ergibt ja auch Sinn, denn die Zeit-KollegInnen suchen „den Menschen hinter den Thesen“.

STÄRKSTER SATZ

Spiegel: „Patsch.“

Stern: „Ja und nein.“

Zeit Magazin: „Griechenland ist bankrott. Wir hatten noch nicht einmal Geld für Toilettenpapier.“

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7 Kommentare

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  • Zusammengefasst: je mehr Varoufakis sich äußern darf, je weniger hart er angefasst wird, umso besser. Sagt die taz. Das angeblich kritische Blatt.

    • @Torsten Schäfer:

      Entweder hast du den Text nicht gelesen oder du hast ihn intellektuell nicht verstanden.

      • @tazzy:

        Tazzy: "Stern: Infogehalt hoch".

         

        Der Stern-Reporter als Stichwortgeber, einige Male eher pseudokritisch nachfragend, aber die wesentlichen Aussagen ("Troika schützte Oligarchen") lediglich hinnehmend. Unsinn wie der Bezug auf Auto-Kredite (Greece hatte vor allem eine Staatsschulden-Krise, was mit Kfz-Käufen nicht viel zu tun hat) - einfach von Arno Luik so hingenommen. So sehe ich das, aber vielleicht kannst du das noch auf meine bescheidene Intellektualität herunter brechen.

  • Auch wenn man als Linker dem neuen Finanzminister eine gewisse Grundsympathie entgegen gebracht hat, hat er schlussendlich mit seiner Geisterfahrer-Politik bitter enttäuscht und damit auch der Linken keinen Gefallen getan. Jede weitere Beschäftigung mit seiner Person halte ich für verlorene Zeit.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Arno Luik hat sich schon, nicht ganz aktuell, in die S 21-Thematik vorbildlich eingearbeitet.

    Das Varoufakis-Interview würde ich als einen echten Informationsgewinn ansehen.

    Lesenswert!

    • @571 (Profil gelöscht):

      Der Geisterfahrer ist aber unser Holzkopf auf vier Rädern. Und der Rest der Welt sieht das auch so. In jedem anderen Land gibt es eine nennenswerte Gruppe nicht neolibarale Ökonomen. Nur in Deutschland hat sich nach Generation intelletuellen Inzest an den Wirschaftsfakultäten ein monolithische komplett neoliberale Wirtschaftssicht entwickelt, die die Nachfrageseite komplett ignoriert. Und wenn man sich konsequent weigert, diese Seite des Problems zu analysieren, kommt eben eine untaugliche Politik dabei raus, die Probleme verschärft und nicht gelöst.

      Das amerikanische BIP liegt heute 8% über Vorkrisenniveau und die Arbeitlosikeit ist deutlich gesunken. Im Euro-Raum ohne Deutschland liegt es immer noch unter Vorkriesenniveau und die Arbeitskosigkeit stagniert bei teilweise 20+%. Aber die Realität hat für die Neoliberalen noch nie eine Rolle gespielt, man denkt sich einfach das nächste abstruse Modell aus und erklärt dem Volk warum die Realität falsch ist.

  • Arno Luik ist zweifellos einer der wenigen Journalisten hierzulande der sein Metier ernst nimmt - der überhaupt noch einen Begriff der Aufgabe des Journalismus hat.