„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“: Sabotage à la SPD
In Berlin haben die Senatsparteien ihre Mitglieder für die Kommission „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ benannt. Die SPD setzt auf Gegner des Plans.
Treffen sich zwölf Topjuristen und sprechen über Enteignung. Was anfängt wie ein Witz, und am Ende womöglich auch einer wird, ist in Berlin bald Realität. Ein halbes Jahr nach dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen, der für seine Forderung, die großen privaten Wohnungskonzerne zu vergesellschaften, eine satte Mehrheit der Berliner Wähler:innen hinter sich vereinigen konnte, kommt endlich Bewegung in die Sache.
Dass der Volkswille zunächst an eine Expertenkommission delegiert wird, darauf hatten sich die Regierungsparteien SPD, Grüne und Linke nach zähem Ringen in ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt. Doch Besetzung und Ausgestaltung dieses Gremiums blieben unklar; und nicht nur die Initiative DW Enteignen scharrte immer ungeduldiger mit den Hufen. Nun aber haben sich die Senatsparteien auf neun Expert:innen festgelegt, die ein Jahr lang die Umsetzung prüfen sollen. Drei weitere kann die Initiative selbst benennen.
Unter Leitung der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) wird eine hochkarätig besetzte Kommission zustande kommen, die – im besten Fall – Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten soll. Dass das gelingen wird, muss aber bezweifelt werden – und das liegt, wie so oft, an der SPD, die kein Interesse an der Konfrontation mit den Immobilienkonzernen und einer grundsätzlichen Umgestaltung des Berliner Wohnungsmarkts hat.
Benannt hat sie drei konservative Verfassungsrechtler, deren Willen an einem konstruktiven, auf Umsetzungsperspektiven fokussierten Dialog bezweifelt werden muss. Neben dem ehemaligen, von der CDU benannten Bundesverfassungsrichter Michael Eichberger sind das zwei explizite Gegner der Initiative. Sowohl Christian Waldhoff, Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, als auch sein Kollege Wolfgang Durner von der Uni Bonn vertreten die These, dass die Berliner Verfassung einen höheren Eigentumsschutz habe als das Grundgesetz und damit der Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes hier nicht zur Anwendung kommen könne.
Affront gegen Mehrheitsentscheid
Ihre Benennung ist ein Affront von Bürgermeisterin Franziska Giffey und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) gegen den demokratischen Mehrheitsentscheid und ein Gremium, das sich diesen Auftrag mit Respekt und Ehrgeiz stellt. Da hilft es auch kaum, dass die weiteren Vertreter:innen, darunter etwa Christoph Möllers, Verfassungsrechtler der Humboldt-Universität und Florian Rödl, Verteidiger des Mietendeckels, mehr oder minder große Sympathien für die erstmalige Anwendung von Artikel 15 hegen.
Denn was nützt ihre Mehrheit, wenn sich drei juristische Schwergewichte mit ihren Bedenken querstellen? Selbst wenn am Ende neun Kommissionsmitglieder einen Weg sehen, den Versuch der Enteignung zu wagen, bleiben die Mahner, auf die sich die SPD dann in ihrer Ablehnung, ein Gesetz zu verabschieden, berufen kann. Mit der Aussicht, dass die Umsetzung ihrer Forderung noch unwahrscheinlicher geworden ist, steht DW Enteignen nun vor einem Dilemma. Soll sie sich an dem Gremium beteiligen und damit einem absehbaren Scheitern eine größere Legitimation verleihen? Oder soll sie die Mitarbeit verweigern und sich damit, allgemein als populistische Spinner, die nicht in die Detailarbeit gehen wollen, beschimpft, ins Abseits stellen? Beide Wege sind wenig attraktiv und doch sprechen jeweils Argumente dafür.
Der Spagat
Gelingt es der Initiative, drei respektable Expert:innen zu gewinnen, verschiebt sie die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission deutlich zugunsten jener Fraktion, die einen Weg suchen will, die gesetzliche Möglichkeit mit dem Enteignungsbegehren in Einklang zu bringen. Zumindest die Hoffnung auf eine Umsetzung bliebe so erhalten. Ihre Vertreter:innen wären die Garantie, dass alles, was in der Kommission passiert, auch öffentlich verhandelt wird. Die Initiative würde an öffentlichem Standing gewinnen und Wissen abschöpfen.
Jetzt die Reißleine ziehen, statt ein Jahr Zeit zu vergeuden mit Scheindebatten und einem absehbaren Scheitern, entspräche dagegen der Logik einer selbstbewussten sozialen Bewegung, die sich nicht im politischen Prozess zermahlen lassen will. Man wäre frei, der Kommission von außen Feuer zu machen und zugleich als Motor für emanzipatorische, die Eigentumsfrage stellende Initiativen über Berlin hinaus zu wirken.
Sie kann sich nicht zurückziehen
Wenn die Initiative aber clever ist, gelingt ihr der Spagat. Will sie ein mehrheitsfähiger Akteur in der Stadt bleiben, der nicht nur Unterstützung in linksradikalen Kreisen genießt, kann sie sich nicht zurückziehen. Ein Großteil ihrer Wähler:innen würde nicht verstehen, dass man nicht in den Konflikt geht und schon beim ersten schwierigen Schritt, der für eine Umsetzung gegangen werden muss, kneift. Gleichzeitig kann sie kämpferisch bleiben und sich auf den Moment vorbereiten, in dem entweder schon die Kommission oder im Anschluss der SPD-geführte Senat die Vergesellschaftung begräbt.
Die Initiative liebäugelt in diesem Fall offensiv mit einem neuen Volksentscheid – dann nicht mit dem Auftrag an den Senat, ein Gesetz zu erarbeiten, sondern mit einem eigenen Gesetzentwurf. Wer aber ein möglichst unangreifbares Gesetz haben will, kann auf die Hinweise, die sich aus der Kommissionsarbeit ergeben werden, nicht verzichten. Alles andere wäre fahrlässig. Denn auf dem Spiel stehen nicht nur die Interessen von Berlins Mieter:innen, sondern eine grundsätzliche antikapitalistische Veränderungsperspektive. Für diese wäre es fatal, wenn am Ende das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kassiert und den Sozialisierungsartikel 15 für überholt erklärt.
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