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Deutsche Wohnen & Co enteignen zulässigSozialismus kann kommen

Die Abstimmung über die Enteignung von Immobilienfirmen ist zulässig. Entschieden werden könnte über das Volksbegehren im Herbst 2021.

Sind die Hundstage bald vorbei? Das Berliner Enteignungs-Volksbegehren ist rechtlich zulässig Foto: Stefan Boness

Berlin taz | Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen ist rechtlich zulässig. Die juristische Prüfung der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD) ist abgeschlossen, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Der Senat hat nun 15 Tage Zeit, eine Stellennahme zum Volksbegehren abzugeben. Danach muss sich das Parlament innerhalb von vier Monaten mit der Enteignungsfrage befassen. Rouzbeh Taheri vom Volksbegehren sagte der taz: „Mitte Februar bis Anfang März wollen wir in die nächste Stufe gehen und Unterschriften sammeln.“

Ein Volksentscheid zur Bundestagswahl im September 2021 scheint damit möglich, wenn es der Initiative gelingt, die für einen Volksentscheid erforderlichen rund 170.000 Unterschriften zu sammeln. „Wir freuen uns, dass die unendliche Geschichte endlich ein Ende hat“, sagte Taheri. „Das Ergebnis war uns klar. Wir hatten nie Zweifel, das unsere Initiative rechtlich zulässig ist.“ Die Klage gegen die lange Prüfdauer ziehe das Bündnis nun zurück, weil sie gegenstandslos geworden sei.

In der Pressemitteilung des Senats dazu heißt es, dass das Anliegen des Volksbegehrens mit Bundesrecht vereinbar sei. Eine inhaltliche Bewertung sei damit allerdings nicht verbunden. Zudem gebe es noch materiell-rechtliche Bedenken mit Blick auf die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz, weil im Beschlussentwurf noch tragfähige Begründungen für die Auswahl der Wohnungen sowie Härtefallregelungen fehlten.

Zudem enthalte der Beschlussentwurf keinen Vorschlag zur Entschädigungshöhe. Gleichwohl sei nicht ausgeschlossen, dass „ein verfassungsmäßiger Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt werden könnte.“ Es kann nach Auffassung der Innenverwaltung also ein wasserdichtes Enteignungsgesetz geben.

Die Volksgesetzgebung

Antrag Man braucht 20.000 Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren. Die Innenverwaltung prüft daraufhin die Zulässigkeit. Ist diese gegeben, prüft der Senat, inwiefern über Ziele verhandelt werden kann.

Volksbegehren Kommt es zu keiner Verhandlungslösung oder Übernahme binnen vier Monaten im Abgeordnetenhaus, braucht man für ein Begehren weitere 175.000 Unterschriften (das entspricht 7 Prozent der Wahlberechtigten).

Volksentscheid Gelingt dies innerhalb von vier Monaten, kommt es zur Abstimmung. Dort müssen sich mindestens 25 Prozent der Berliner Wahlberechtigen dafür aussprechen und die Mehrheit stellen. (gjo)

Vergesellschaftung gegen Mietenwahnsinn

Die Volksinitiative zielt angesichts der großen Wohnungsnot in Berlin darauf ab, private Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu enteignen und in kommunalen Besitz zu überführen. 57.000 gültige Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren hatte die Initiative vergangenes Jahr der Innenverwaltung überreicht. Erforderlich sind dafür lediglich 20.000. Möglich sind Enteignungen nach Artikel 15 Grundgesetz. Die Kosten würden sich je nach Schätzung auf 7 bis 37 Milliarden Euro belaufen. Nach einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung wären von der Enteignungsforderung rund 250.000 Wohnungen betroffen.

441 Tage hat die rechtliche Prüfung durch den Senat am Ende gedauert. Die Volksinitiative, aber auch Linke und Grüne hatten Innensenator Geisel immer wieder Verschleppung des Volksbegehrens vorgeworfen. Der ursprüngliche Beschlusstext des Volksbegehrens wurde vor Abschluss der Prüfung in Verhandlungen mit den Juristen der Innenverwaltung noch leicht abgeändert. Die jetzige Fassung sei damit formal zulässig, heißt es.

Die ursprüngliche Beschlussfassung sei juristisch unstatthaft gewesen. Darin hatte es geheißen, dass der Senat ein Gesetz beschließen soll, das Enteignungen von Wohnungskonzernen ermögliche.

Im neuen Beschlusstext steht: „Daher wird der Senat von Berlin aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum“ geeignet seien. Der neue Beschluss ist für den Senat formal unverbindlich, wie es in der Mitteilung der Innenverwaltung heißt. Staatsrechtler Ulrich Battis hatte eine solche Änderung auch politisch motiviert genannt. Taheri vom Volksbegehren geht allerdings davon aus, dass die „minimale Änderung“ inhaltlich das Anliegen nicht verändert.

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Eine inhaltliche Befassung der rot-rot-grünen Koalition steht für Dienstag auf der Tagesordnung des Senats. Allerspätestens in der übernächsten Woche soll eine entsprechende Stellungnahme beschlossen sein. Derzeit stimmen sich die Koalitionsparteien in einer Arbeitsgruppe dazu ab. Die SPD ist gegen Enteignungen, die Linke dafür, die Grünen mit Abstrichen ebenfalls.

Abgeordnete der Grünen und Linken machten am Donnerstag weiter Zeitdruck. Michael Efler (Linke) twitterte: „Es geschehen noch Wunder. Jetzt muss der Senat den Weg frei machen. Am besten am nächsten Dienstag!“

Katrin Schmidberger von den Grünen schrieb: „Jetzt liegt der Ball bei Rot-Rot-Grün.“ Man müsse nun in den Arbeitsmodus, „um konkrete Regelungen zu finden.“ Wer den Volksentscheid gewinnen wolle, müsse bereits jetzt die Details für ein Gesetz klären, so Schmidberger: „Wir stehen dafür bereit.“

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11 Kommentare

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  • Es ist Unsinn, für Braunkohleabbau ganze Dörfer enteignen zu dürfen, für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum aber nicht. Dass die Prüfung so ewig gedauert hat, ist nicht hinnehmbar. Es muss möglich sein, in diesem Feld staatlich einzugreifen, ohne dass gleich wieder jemand die DDR-Keule rausholt. Das hat nämlich damit nichts zu tun.

    Dennoch bin ich gegen eine Enteignung. Besseres könnte der Deutschen Wohnen doch gar nicht passieren. Sie wird zu Marktpreisen alle Wohnungen auf einen Schlag los und erhält damit eine Menge Kapital, um woanders zu investieren. Auf dem freien Markt könnte sie niemals einen solchen Erlös erzielen, denn bei der Menge an Wohnungen, die dann auf einen Schlag auf den Markt kommen würden, ginge der Preis in den Keller.



    Da gäbe es dann praktisch Mengenrabatt. Bei einer Enteignung ist das nicht so.

    Berlin fehlen dagegen dann ein paar hundert Millionen oder sogar Milliarden. Mit dem Geld sollte man besser Sozialwohnungen bauen. Das würde den Wohnungsmarkt insgesamt entspannen und ganz speziell die Schwächeren unterstützen.

    Ja, Berlin macht das bisher nicht in ausreichendem Maße, was ich für eine Schande für diesen Senat halte. Ein Volksbegehren, das den sozialen Wohnungsbau voranbringt, wäre daher sinnvoller. Aber das lässt sich natürlich auch nicht so gut emotionalisieren wie ein klares Feindbild.

    • 0G
      02881 (Profil gelöscht)
      @PPaul:

      Nun, Ihren ersten Absatz kann ich so zustimmen.

      Aber, wer sagt, das die Immobilienbranche mit Marktpreisen entschädigt werden muss die sie selbst durch asoziales Verhalten und Raffgier hochgepusht hat? Ich denke man könnte als Berechnungsgrundlage die Beträge veranschlagen die Vater Staat bei Mietpauschalen für Hartz4-Empfänger benutzt. Wäre fair.

      Ich bin aber auch für weiteren sozialen Wohnungsbau. Dann aber bitte keine "Wohnschachteln" mit winzigen Fenstern und einer Raumhöhe von 1.90m.

      • @02881 (Profil gelöscht):

        @Sessler: Man kann sich auch Recht herquaseln. Jegliche Enteignung wird sich zwischen den Einstandswert inkl. Verzinsung und Verkehrswert bewegen. Bei 250.000 Wohnungen, 70 qm je Wohnung und 3.000 Euro pro qm macht das 52 Mrd. Euro. Und für den Betrag ist keine einzige Wohnung neu entstanden. Aber was soll’s: Berlin hat es ja😬.

  • Nein nicht für 37Mrd. Euro, das wäre der hochgetriebene Preis.



    Eine Enteignung ist eine für 3 Euro.



    Genau das wäre eine Sozialisierung der Gewinne.



    Bei Deutsche Wohnen, Vonovia und anderen bundesweiten Firmen sind seit langem Private Equity Fonds bestimmend tätig.

  • Na, der Kapitalismus darf doch jetzt schon jede/n enteignen. Einfach indem er für unverzichtbare existenzielle Grundbedürfnisse (z.B. wohnen) verlangt, was er will, und damit möglichst hohe Profite erzielt.



    Das Geld müssen sich die Enteigneten vorher erst hart verdienen. In Jobs, bei denen ebenfalls die kapitalistische Profitlogik gilt.

  • Danke für Euer grosses Engagement!

  • Die Erfahrungen mit dem Sozialismus sind ja reichhaltig.

    Leider sind es aber keine guten Erfarungen.

    Daher stellt sich die Frage auf was man sich freuen sollte.

    • @Argonaut:

      Wo genau ist jetzt Ihr Argument?

    • @Argonaut:

      Wo genau ist jetzt Ihr Argument?

      • 9G
        90564 (Profil gelöscht)
        @PPaul:

        wissen sie doch selbst genau, im sozialismus gabs keinen anständigen profit und wer soll denn neue wohnungen bauen, wenn nicht der profit ;)

  • Aus



    "Gleichwohl ist es nicht nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass innerhalb des von dem Beschlussentwurf gesetzten Rahmens ein verfassungsmäßiger Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt werden könnte."

    macht die TAZ:



    In der Pressemitteilung des Senats dazu heißt es, dass das Anliegen des Volksbegehrens mit Bundesrecht vereinbar sei.