Deutsche Olympiaträume: Und noch ein Anlauf
In Paris hinterlegt Innenministerin Faeser den Wunsch des deutschen Sports, 2040 auch in die tolle olympische Bilderproduktion einzusteigen.
Paris hat es einfach allen angetan, die sich an diesem Freitagvormittag in der Botschaft des deutschen Sports bei den Olympischen Spielen versammelt haben. Der Deutsche Olympische Sportbund hatte ins Deutsche Haus geladen, um die Welt auf Stand zu bringen, was die Bemühungen angeht, mal wieder Olympische Sommerspiele nach Deutschland zu holen.
Die Stimmung war bestens bei Thomas Weikert, dem DOSB-Präsidenten, bei Torsten Burmester, dem Vostandsvorsitzenden des Verbands und bei Nancy Faeser, der Bundesministerin für Inneres und Heimat. Die war nach Paris gekommen, um eine Erklärung zu unterzeichnen, mit der die Bundesregierung ihre Unterstützung für eine Olympiabewerbung offiziell beurkundet.
Hach, diese Pariser Spiele, sind sie nicht schön? So etwas will Deutschland endlich auch mal wieder haben. Die Bilder aus den stimmungsvollen Arenen haben Eindruck gemacht. Auch bei Lukas Märtens, dem Olympiasieger über 400 Meter Freistil. Der war in der Halle, als Frankreichs Wunderschwimmer Léon Marchand – getragen von einem in einer Schwimmhalle nie gehörten Lärm – zu drei Goldmedaillen geschwommen ist. Schön wäre es, so etwas auch mal in Deutschland zu erleben, bei einer WM oder gar bei Olympischen Spielen, sagte er am Freitag in Paris.
Es wird geträumt im Deutschen Haus, das gar kein Haus ist, sondern ein riesiges Stadion in unmittelbarer Nachbarschaft zum brutalistischen Fußballtempel Parc des Princes. Die Wahl dieses fast schon protzigen Standorts könnte ein Zeichen an die Sportwelt sein. Die Deutschen wollen es wissen. Diese Deutschen? Die haben doch bei Referenden die Spiele immer niedergestimmt.
Bunte Bewerbungsprosa
Die Mehrheit der Leute, die abgestimmt haben, wollten keine Winterspiele in München und keine Sommerspiele in Hamburg. Warum das jetzt anders sein soll? „Weil die Bundesregierung dahintersteht“, sagte Nancy Faeser und verwies auf den einstimmigen Kabinettsbeschluss zu einer Olympiabewerbung. Und DOSB-Chef Thomas Weikert ergänzte, auch die größte Oppositionsfraktion im Bundestag, die CDU/CSU, sehe eine Bewerbung positiv. „Heißt: ganz Deutschland steht hinter einer möglichen Bewerbung“, so Weikert.
Am Ende schritt Nacy Faeser zur Unterzeichnung eines sogenannten Memorandums of Understanding. Auf das hatten sich schon der DOSB, die möglichen Ausrichterstädte Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und München sowie die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern geeinigt. Wichtig dabei sind vor allem Finanzierungszusagen: 7 Millionen Euro stehen für die Bewerbung jetzt zur Verfügung, mit der hauptamtliche Bewerber beschäftigt oder Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben werden können.
All das, damit am Ende alles wieder niedergestimmt wird? Zwar ist in der vorliegenden Bewerbungsprosa viel von Bürgerbeteiligung die Rede. Doch, so machte Torsten Burmester klar, dabei gehe es vor allem darum, die Bürger gleich von Anfang an mitzunehmen, nicht um eine Abstimmung am Ende. Da wäre es ganz gut, wenn das Interesse der Leute in Deutschland größer wäre als bei den Diskussionsveranstaltungen unter dem Motto „Deine Idee, deine Spiele“, die in den vergangenen Jahren weitgehend ignoriert von der Öffentlichkeit durch mögliche Bewerberstädte getourt ist. Aber vielleicht haben die Bilder aus Paris da wirklich etwas in Bewegung gebracht.
Die Leute sollen jedenfalls das Gefühl haben, sie hätten einen Mehrwert von Olympischen Spielen, so wie jetzt die Menschen im elenden Norden von Paris, wo aus dem Olympischen Dorf von Saint-Denis Sozialwohnungen und Studentenwohnheime werden sollen. Ach ja, auch fur „unseren Zusammenhalt“ sollen die Spiele gut sein und für den Frieden, klar. Und während der DOSB nichts dagegen hätte, wenn Olympia schon 2036 nach Deutschland käme, bevorzugt die Bundesregierung eine Bewerbung für 2040. „Da feiern wir 50 Jahre deutsche Einheit“, so Faeser. Das stehe für Demokratie und Freiheit, für die Kraft der Demokratie in Europa, „wo die ganze Welt sagen könnte: jawoll“.
Jetzt müssen die Bewerber erst mal das IOC von ihren Plänen überzeugen. Zu denen gehört es, dass kein neues Reitstadion errichtet wird und keine neue Wildwasserstrecke. Nachhaltigkeit war ein Wort, das sehr oft gefallen ist an diesem Vormittag. Und sie müssen sich für einen zentralen Austragungsort entscheiden. Wenn Deutschland doch bloß auch eine Stadt hätte, die alle lieben, so wie Paris! Es wird schwer. Nancy Faeser jedenfalls wird genauso wie Bundesfinanzminister Christian Lindner dabei sein, wenn der DOSB die ersten Gespräche mit dem IOC an dessen Sitz in Lausanne führen wird. Vielleicht hilft’s ja was.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut