Deutsche Journalisten und Thinktanks: Missliebige Offenlegung
Ein Kabarettbeitrag des ZDF zeigt, wie tief deutsche Journalisten in Thinktanks hängen. Auf deren Protest löschte der Sender das Video wieder.
BERLIN taz | Wer heute in der ZDF-Mediathek nach der Kabarettsendung „Die Anstalt“ vom 29.04. sucht, der merkt es erstmal nicht. Feinsäuberlich sind da die Beiträge der Sendung aufgelistet, alle kann man anschauen. Dass einer fehlt, sieht nur, wer weiß, dass es ihn gab. Und dass dieser Beitrag nicht irgendeiner ist.
In dem Video mit dem Titel „Der Qualitätsjournalismus“ unterhalten sich die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner über Journalisten, die in sicherheitspolitischen Thinktanks mitmischen. „Ich hab da mal was für Sie vorbereitet“, sagt Claus von Wagner und deckt ein Bild auf, dass die Köpfe von verschiedenen Journalisten und die Logos von Lobbys zeigt: Münchner Sicherheitskonferenz, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Deutsche Atlantische Gesellschaft. Pfeile zeigen an, welcher Journalist in welcher Organisation angeblich drinhängt: SZ-Außenpolitikchef Stefan Kornelius unter anderem im Aspen-Institut, Zeit-Redakteur Jochen Bittner beim German Marshal Fund (GMF) und von Josef Joffe gehen die Pfeile zu so ziemlich allen Logos, die auf der Glaswand stehen.
Den beiden Zeit-Journalisten Jochen Bittner und Josef Joffe hat das gar nicht gefallen. Sie haben gegen das ZDF eine einstweilige Verfügung erwirkt, die den Sender zwingt, den Beitrag zu löschen. In einem Kurzinterview, das auf Youtube zu hören ist, nennt Max Uthoff die Vorwürfe der Zeit-Journalisten eine „Frage der Korinthenkackerei“. So bestehe Bittner beispielsweise darauf, dass er kein Mitglied beim GMF sei, wie das Uthoff und von Wagner behauptet hatten. Stattdessen ist er „Participant“, Mitglieder gibt es in der Organisation gar nicht. Eine Frage der richtigen Wortwahl also.
Immerhin haben Bittner und Joffe mit solchen Argumenten vor Gericht Recht bekommen und das ZDF muss den Beitrag löschen. Das Video ist allerdings weiterhin an anderer Stelle im Netz auffindbar. Der Sender gab Dienstag bekannt, er habe Widerspruch gegen die einstweiligen Verfügungen erhoben und werde sich auch gegen die Hauptsacheklage verteidigen.
Allen, die jetzt: „Das ZDF mal wieder“ rufen, sei gesagt: Das ZDF hat zwar in letzter Zeit Einiges verbockt, steht diesmal aber offenbar ziemlich gut da. Der Sender stellt sich hinter Uthoff und von Wagner und will in die zweite Instanz gehen. Denn: Was Uthoff und von Wagner in der Sendung behauptet haben, ist nicht irgendein Hirngespinst, sondern basiert auf einer Studie des Kommunikationswissenschaftlers Uwe Krüger. Nachdem der seine Studie veröffentlichte wehrten sich mehrere der Journalisten auch gegenüber der taz gegen seine Darstellung.
Wer weiß, dass die Rede von Bundespräsident Gauck auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz unter anderem auf die Arbeit des GMF zurückgeht, liest ein „Mut zu aktiver Außenpolitik“ von Jochen Bittner ganz anders. Auch Bittners Putin-Kritik bekommt dann einen ganz neuen Duktus. Und wenn Josef Joffe mal wieder zu mehr Militäreinsätzen aufruft, ist es doch ganz interessant zu wissen, dass er im Gremium von der American Academy in Berlin und des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) sitzt.
Die Frage, ob es Journalisten erlaubt sein sollte, in Lobbyverbänden zu sitzen, ist das Eine. Es gibt einige Argumente, die dafür sprechen: Beim Abendessen am Kamin plaudert es sich eben leichter, da fällt auch mal die ein oder andere Information, die es beim offiziellen Presseempfang nicht zu hören gibt. Das setzt aber voraus, dass diese Journalistin in den Kreisen eben nur Mitglieder sind und nicht auch noch Funktionen übernehmen, wie Uwe Krügers Studie zeigt.
Update 30.07.: In einer ersten Version dieses Textes wurde behauptet, Josef Joffe sei Mitglied in Deutsch-Atlantischen Gesellschaft. Auf Anfrage von Meedia erklärte er aber nun, dass er tatsächlich im Gremium von der American Academy in Berlin und des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) sitzt und ihn mit den anderen keine Mitgliedschaft verbinde.
Link zur Stellungnahme: http://meedia.de/2014/07/29/einstweilige-verfuegung-gegen-die-anstalt-zdf-wehrt-sich-gegen-zeit-journalisten-joffe-und-bittner/
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen