Deutsche Gotteskrieger im Netz: Dokumente der Verrohung
Für die Behörden sind sie „eine konkrete Gefahr“: deutsche Dschihad-Kämpfer in Syrien und im Irak. Im Internet führen sie eine Propagandaschlacht
BERLIN taz | Die Bilder, die Muhammad K. von seiner Facebook-Seite in die Welt schickt, sparen nicht an Grausamkeit. Sie zeigen Männer in einem Graben, die Hände auf dem Rücken gebunden. Ihre Köpfe liegen in Blutlachen. Davor zielen Vermummte mit Gewehrläufen auf die leblosen Körper. Ein Mann hält eine schwarze Fahne: die der Isis.
„Genießt einfach den Zustand dieser Rafida-Ratten!“, kommentiert Mohammed K. die Fotos. Rafida, es ist die Schmähung der sunnitischen Islamisten für die verhassten Schiiten, die im Irak die Regierung stellen. Die Bilder sollen erschossene irakische Soldaten zeigen. Muhammed K. teilt die Fotos mit Genugtuung: „Nun ist die Zeit für Rache und Vergeltung gekommen.“
Glaubt man seinen Angaben, steckt hinter dem Profil von Muhammed K. ein Deutscher, ausgewandert nach Raqqa, einer Stadt am Euphrat, im Osten Syriens. Dort befindet sich K. im Kampf für einen islamischen Gottesstaat, im „Heiligen Krieg“ für die Isis.
Muhammad K. ist einer von vielen. Gut 320 deutsche Islamisten sind laut deutschen Sicherheitsbehörden seit Ausbruch des Bürgerkriegs inzwischen nach Syrien gereist. Die Zahlen sind unklar, aber knapp die Hälfte von ihnen soll bereits an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Die anderen würden sich als "Logistiker" betätigen, so die Behörden. Und nicht wenige breiten ihr Dschihad-Leben im Internet aus.
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach am Mittwoch bei der Vorstellung seines aktuellen Jahresbericht von fast „stundenaktuellen“ Postings: Eigene Erlebnisse, die offizielle Dschihad-Medienstellen inzwischen abgelöst hätten.
Und die Dutzenden Facebook- und Twitter-Profile haben derzeit einen gemeinsamen Fokus: den Irak. Mit Jubel kommentieren sie die Eroberungen der Isis. „Euer Staat führt die große Schlacht um die Befreiung Baghdads“, frohlockt Muhammad K., „unterstützt ihn“. Ein Kampfgefährte, der frühere Dinslakener Enis A., stimmt ein: „Wenn ich das höre, geht mein Herz auf.“
Es ist ein deutscher Propaganda-Kampf. In Syrien aber ist es bereits mehr: Hier sollen sich die Deutschen bereits zu Kampfgruppen zusammengeschlossen haben. Als einer ihrer Anführer gilt Denis Cuspert, ein früherer Berliner Rapper, der sich „Abu Talha“ nennt. 2012 verschwand er ins Ausland, heute soll er eine Gruppe Deutscher um sich geschart haben. „Brüder, steht auf“, singt Cuspert in einem am Montag veröffentlichten Internetvideo. „Zieht in die Schlacht.“
Ein zweiter Kampfplatz
Derzeit gehen Sicherheitsbehörden Hinweisen nach, wonach vereinzelt deutsche Islamisten, unter ihnen Cuspert, bereits in den Irak gereist sind. Der dortige Vormarsch der Islamisten, so heißt es, könnte eine Sogwirkung auch für hiesige Militante entfalten. Für die Behörden wäre es ein Rückschlag: die Eröffnung eines zweiten Kampfplatzes.
Noch aber zeigen die Facebook-Fotos syrische Schauplätze. Aus Aleppo, Hasakah, Al-Bab oder Raqqa melden sich vermeintlich die deutschen Kämpfer. Auf einem Bild posiert eine Gruppe junger Deutscher gemeinsam vor einer Isis-Fahne, in den Händen Macheten und Gewehre. Es ist noch nicht lange her, da waren sie Elektriker, Pizzaboten, Auszubildende. Die meisten kommen aus NRW, Frankfurt am Main und Berlin.
Viele von ihnen haben sich innerhalb kurzer Zeit radikalisiert. Einer der Ausgereisten ist Mustafa K. Der 24-Jährige trägt Vollbart, auf Fotos zeigt er sich schwer bewaffnet. Vor Monaten lebte er noch in Dinslaken am Niederrhein.
K.s Lebensweg teilen nicht wenige der Kämpfer: Hauptschule ohne Abschluss verlassen, keinen Ausbildungsplatz gefunden, als Paketzusteller gejobbt. Über einen Salafistenprediger und Internetpropaganda soll K. zum Dschihadisten geworden sein.
Brüche bleiben
Die Brüche aber bleiben: Auf einem Foto präsentiert Mustafa K. stolz einen Drogenfund. „Mit Allahs Erlaubnis haben wir einen kurdischen Drogendealer erwischt“, heißt es dazu. Ein Gesinnungsfreund kommentiert: „Manchmal hat das Vorteile, wenn man mit sowas zu tun hatte." Ein anderer ergänzt: "Allah hat Ex-Dealer benutzt gegen Dealer, haha.“
Im Internet präsentieren sich die Ausgewanderten dennoch als einzig wahre Gläubige - die für ihren Gott in den Kampf ziehen. Vermummt wird mit Waffen posiert, es gibt Selfies vor Panzern, Fotos mit syrischen Kindern.
Daneben aber stehen Dokumente gefühlskalter Verrohung. Reihenweise werden Bilder Getöteter veröffentlicht, entstellte Gesichter, Blutlachen. Ein Foto festgesetzter Schiiten kommentiert ein Deutscher, der sich „Abu Schismu“ nennt: „Weg mit dem Dreck“. Ein anderer schreibt: „Nicht festnehmen, gleich erschießen.“
Die Deutschen sind von den Gräuel offenbar nicht weit entfernt. Auf einem Bild streckte auch Mustafa K. einen abgetrennten Kopf gen Kamera, auf dem Boden neben ihm eine verstümmelte Leiche. Wortführer Denis Cuspert twitterte das Bild eines gekreuzigten Toten, offenbar aufgehängt in einem Stadtzentrum.
Es ist diese Verrohung, die die Sicherheitsbehörden alarmiert. Rund 100 Islamisten sind inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt – nicht wenige desillusioniert. Mehr als ein Dutzend von ihnen aber gilt weiter als kampfbereit. Über diese, so Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sei man „sehr besorgt“: „Aus einer abstrakten Anschlagsgefahr ist eine konkrete geworden.“
Nicht alle kehren zurück
Das Schreckensszenario verwirklichte sich im April: Da erschoss in Brüssel der französische Syrien-Rückkehrer Mehdi N. im Jüdischen Museum vier Menschen. Bei seiner Festnahme war die Tatwaffe in eine Isis-Fahne gehüllt. N.s Rückreise führte ihn auch über den Flughafen Frankfurt/Main.
Seit Jahresbeginn nahm die Polizei zehn deutsche Syrien-Rückkehrer oder Helfer fest, am Wochenende auch einen kampferprobten Franzosen am Flughafen Berlin-Tegel.
Nicht alle aber kehren zurück. Rund 25 Deutsche seien inzwischen in Syrien getötet worden, heißt es. Von den Dschihadisten werden sie als Märtyrer gefeiert. Erst am Wochenende veröffentlichten sie ein Kampflied für den Wuppertaler Burak Karan, ein früherer Fußballspieler, der im letzten November in Syrien ums Leben kam. "Ob in den Tälern oder Bergen, wollen wir für Allah sterben", wird dort auf deutsch gesungen. Ungläubigen wird gedroht: "Schneide den Kafir den Kopf ab."
Den eigenen Tod haben einige die Ausgereisten offenbar eingeplant. So wie Philip B., auch er aus Dinslaken. Dessen letzter Facebook-Eintrag datiert bereits vom Mai. „Wir wollen für Allah sterben“, heißt es darin. „Denn das Jenseits ist für die Gläubigen die wahre Wohnstätte.“
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